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Ich hatte heute den ersten Termin bei meiner Therapeutin. Es hat sich sehr gut angefühlt. Nicht nur aufgrund des gigantischen Zuspruchs, den ich nach meinem letzten Podcast von Euch erhalten habe, werde ich dort jetzt wöchentlich hingehen – sondern schlicht und einfach, weil ich glaube, dass es mir hilft. Die Dame hat heute einen Satz gesagt, der mich mal wieder zum Nachdenken angeregt hat:

Gerade in einer Beziehung erkennt man oft erst, wenn es schon zu spät ist, was man daran hatte!

Warum ist das so? Warum merken viele Menschen nicht, wie gut es ihnen eigentlich in ihren Beziehungen geht und wissen ihr Glück nicht zu schätzen?

Ich selbst reflektiere mich aktuell natürlich sehr viel selbst. Mir ist in den letzten Tagen und Wochen klargeworden, dass ich in den letzten Jahren meines Lebens einfach nur meinen Alltag gelebt habe. Ich bin immer blind geradeaus gerannt, ohne nach links und rechts zu schauen. Erst jetzt, nach meiner Beziehungs-„Vollbremsung“ ist mir klar geworden, was ich alles verpasst und ausgelassen habe – und das nicht nur in meiner Partnerschaft.

Es heißt dann immer, man habe sich auseinander gelebt. Wie kann es möglich sein, dass sich zwei Menschen, die tiefe Gefühle füreinander haben, sich einfach so im Alltag verlieren? Muss man sich dann nicht einfach den Vorwurf gefallen lassen, nicht genug an sich und seiner Beziehung gearbeitet zu haben?

Eine gute Freundin von mir ist mittlerweile dreißig Jahre mit demselben Partner liiert. Ich bewundere sie dafür – besonders in der heutigen Zeit. Wenn wir über dieses Thema sprechen, erzählt sie mir immer davon, dass es auch harte Zeiten (wie wohl in jeder Beziehung) gab. Man habe diese aber stets gemeinsam bewältigt und auch oft genug intensiv an der eigenen Beziehung gearbeitet – einfach, weil man sich gegenseitig zu wichtig war, um einfach so loszulassen. Leider wählen heutzutage viele Menschen den einfach Weg: Es gibt Probleme, also trennt man sich lieber und sucht sich etwas Neues.

Hanna und ich bekommen im Rahmen unseres Podcasts so viele Leserbriefe von Menschen, die davon schreiben, in ihren Beziehungen unglücklich zu sein und sich nach etwas Anderem zu sehnen. Wenn Ihr unglücklich seid, müsst Ihr etwas ändern. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass Ihr sofort Eure Beziehung beenden müsst. Ihr könnt auch einfach daran arbeiten – auch wenn es blöd klingt: Macht eine Paar-Therapie. Natürlich kann man nicht jede Beziehung und jeden Fall gleich beurteilen, aber werft nicht alles einfach so weg. Sonst könnte es passieren, dass es Euch am Ende genauso geht wie mir: Ihr erkennt viel zu spät, was Ihr eigentlich an Eurer Beziehung hattet.

Ich persönlich bin heute an einem Punkt, an dem ich erkannt habe, dass diese Vollbremsung gut für mich war. Auch wenn ich dafür einen hohen Preis bezahlt habe, so fange ich momentan wieder an, richtig zu leben. Und das Wichtigste: Ich fange auch wieder an, nach links und rechts zu schauen und laufe nicht mehr blind durchs Leben und meinen Alltag. Was soll ich sagen: Manche lernen es halt nur auf die harte Tour. Wollen wir hoffen, dass ich es beim nächsten Mal besser mache…


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16 KOMMENTARE

  1. War vor 6 Monaten in der gleichen Situation. Es mag der Tag kommen wo man aufsteht und merkt, wie man gerade ein Lied im Radio mitsingt. So war es bei mir nach 6 Jahren Beziehung. Lichking das wird wieder!

  2. „Hey, das stimmt so nicht! […] Ich gehe nur ZWEI mal pro Woche zum Therapeuten, nicht drei mal. Drei mal gehen nur die richtig kaputten.“ Das alte Mirácoli-Zitat ist mir dabei sofort eingefallen 😀
    Ne, im ernst, wie auch schon andere geschrieben haben, Respekt, dass du mit dem Thema gegenüber der Öffentlichkeit so offen umgehst. Vielleicht ist der Blog auch etwas sehr therapeutisches für dich? Ich hoffe, dir hilft es, wir alle sind mit einem glücklichen Stevinho glücklicher.

  3. Nach meiner Trennung konnte ich nicht direkt die nächste knallen.
    Mit mir stimmt was nicht.

    Sollte ich in Therapie gehen?

  4. Hey Steve,
    erstmal sehr schön geschrieben und großen Respekt dafür, wie offen du mit dem Thema umgehst. Ich habe einen super Buch-Tipp für dich, welches das Thema Beziehung sehr gut beleuchtet und aus dem man viele sehr wichtige Dinge lernen kann. Diese Dinge werden dir auf Anhieb helfen, deine Beziehungen zu verbessern.
    Hier mal der Link zu Amazon:
    http://www.amazon.de/Die-Wahrheit-beginnt-zweit-Gespr%C3%A4ch/dp/3499603799/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1421526064&sr=8-1&keywords=die+wahrheit+beginnt+zu+zweit
    Lass dich nicht von dem Titel abschrecken und bestelle es dir einfach. Du wirst es mir danken! 😉
    Kopf hoch, das wird alles wieder Steve.

  5. Ich war ja auch 12,5 Jahre mit meiner Freundin zusammen. Es war eine Beziehung die mich unendlich glücklich gemacht hat. Die hat ja im November schluss gemacht. Anfangs hieß es auch wir haben uns „auseinandergelebt“. Im Endeffekt habe ich dann aus ihr rausgekitzelt. Sie hat sich einfach in einen anderen verliebt. Wir haben Kinder geplant, Hausbau / Eigentum geplant und das haben wir unterbrochen wegen ihrem Studium. Danach sollte es da weiter gehen. Und dann schmeisst sie alles weg – OHNE nur einmal mit mir zu sprechen. Ich habe bis zum letzten Tag geglaubt es wäre eine gute Beziehung, dann kam der Anruf.

    Man kann nie in die Leute reinschauen. Oktober redet man über Kindernamen. November vögelt sie einen 20 jährigen und sucht sich ne Wohnung und sagt die Liebe ist komplett weg.

    Sie „will jetzt keine Kinder mehr“ und ich stehe mit Anfang 30 da und suche jetzt nach einer Partnerin für das „Erwachsenenleben“, während sie sich in eine belanglose Beziehung flüchtet.

    Man muss sowas dann einfach akzeptieren. Kopf Hoch und nach vorne schauen. Wie es mein Vater sagt: Da hat das Schicksal etwas besseres für dich vorgesehen.

    Ich merke derzeit aber auch, dass ich lange Zeit alles nur für meine Ex gemacht habe. Ich merke jetzt, dass andere Sachen auch viel Spaß machen. Und darauf konzentriere ich mich jetzt.

    • Schonmal dran gedacht, dass diese „belanglose“ Beziehung für sie genau deshalb so attraktiv ist ist, weil es darauf basiert und nicht auf „Kindernamen aussuchen“ oder dergleichen?

      Klar, ich kenne weder dich noch sie aber für mich klingt es sehr danach, dass du ihr recht wenig Mitspracherecht eingeräumt hast, eventuell auch erst in den letzten Monaten/Jahren und sie sich dir einfach „nicht gewachsen“ sieht im Sinne von Zukunftsvorstellungen. Der 20 jährige vermittelt ihr einfach das genaue Gegenteil zu dem, was sie von dir „gewöhnt“ ist/war.

      Vor allem die Aussage „alles für sie gemacht“ reicht schon aus um zu sagen, dass sie sich von dir sicherlich in eine Rolle gedrängt gefühlt hat, die sie eigentlich garnicht haben wollte bzw. über die Jahre als unattraktiv für sie herrausgestellt hat.

      Harter Tobak, ich weiß aber ganz profan gesagt: Ihr habt nie zusammen gepasst und werdet es auch nie. Das einzig verwerfliche an ihrem Verhalten ist, dass sie es nicht früher angesprochen hat denn ich bin mir sicher, dass dieser Gedanke, sich zu trennen, nicht erst da ist, seit sie den „anderen“ kennt. Das war nur der Tropfen…du weißt schon.

      Achja, alles bitte nicht zu ernst nehmen. Komplett ins Blaue interpretiert weil mir grade recht langweilig ist und Hobbypsychologie Spaß macht ;).

      • Hi Narrasus. Danke für das Feedback – ich habe natürlich darüber auch schon nachgedacht und ich denke auch, dass da etwas wahres dran ist. Ich habe oben natürlich nicht die ganze Geschichte dargestellt.

        Es war immer so, dass es von ihr ausging. Sie wollte unbedingt Kinder. Alle ihre Freundinnen haben Kinder bekommen und wer sie kennt, weiß einfach wie sie tickt (tickte?). Ich war eher derjenige, der da Angst hatte, vorm „richtigen erwachsen werden“ und da ich immer nur befristet eingestellt war, habe ich es vor mir hergeschoben. 2013 wurde ich entfristet und ich habe eine große Sorge weniger gehabt. Natürlich hatte ich immer noch etwas Angst davor irgendwann „Vater“ zu werden aber mit ihr an meiner Seite konnte es nur gut gehen. So haben wir dann auch das Verhüten aufgegeben und die weitere Planung zu zweit und mit dem Frauenarzt gesprochen. Es wurde also richtig ernst.

        Dann hat sie eben das Angebot mit dem Studium bekommen. Komplett vom Arbeitgeber gezahlt und danach eine feste Stelle mit richtig gutem Gehalt. Wir haben lange diskutiert und uns dann entschieden die Familienplanung nach hinten zu schieben.

        Und hier kommt natürlich dann dein Argument

        Durch das Studium hat sie sich dann in eine andere Richtung entwickelt. Kann ich ja auch verstehen. Wenn man mit fast 30 dann mit einem Haufen 20 Jähriger abhängt die haben dann andere Vorstellungen vom Leben. Aber dass sie sich dann so mitreissen lässt und ihr komplettes bisheriges Leben wegwirft hätte ich nicht gedacht.

        Im Grunde passt das alles nicht zu ihr. Ich bin ein Mann, ich kann auch noch mit Ende 30 Kinder bekommen, warte ich halt auf die nächste 😉

  6. Danke für den ehrlichen Bericht, Steve. Aus Neugier: welche Dinge hast du in den vergangenen Jahren zu kurz kommen lassen, was ist im Alltagstrott aus dem Sichtfeld gerutscht?

  7. Ich habe persönlich die Erfahrung gemacht, dass man nicht erwarten kann den perfekten Partner zu bekommen, sondern sich immer anpassen muss in gewissen Grat.
    Manchmal sind es kleine Sachen manchmal etwas größere – wichtig ist es dabei sich selber nicht zu verlieren und dem Partner auch Raum zu Entfaltung zu lassen.
    Du hast natürlich eine zentrale Person in deinem Leben verloren, aber hast dafür jetzt die Chance dich wieder neu zu orientieren du weißt genau was du willst und was nicht und nun kannst du das suchen.
    Viel Glück dabei.

  8. „Warum erkennen wir nicht, wie gut es uns geht“
    Bin auch kein absoluter Experte, aber das hat leider rein biologische Gründe: „Gut gehen“ bedeutet im Körper vor allem Dopamin, also Belohnung. Das hat evolutionär den Zweck, Arterhalt und Fortpflanzung zu gewährleisten. Deswegen machen alle Dinge, die dir helfen, diese beiden Punkte zu erreichen, Spaß und tun gut, wie Essen oder Sex. Und unter diesem Gesichtspunkt macht es ja Sinn, dass du nicht mit Dopamin belohnt wirst für etwas, was du schon erreicht hast. Ein Dopaminaustoß heute dafür, dass du gestern was zu essen hattest, würde nur nur dafür sorgen, dass du dich heute nicht mehr anstrengst um etwas zu essen zu bekommen.
    Für das Konzept von romantischen Beziehungen ist das natürlich eher hinderlich, weswegen wohl das große Geheimnis darin liegt, dass man immer wieder anreize setzt, die Beziehung fortzuführen. Das ist aber etwas, was man aktiv fördern muss. Nimmt man seinen Partner/seine Partnerin einfach hin, vergeht das Glücks- und Belohnungsgefühl mit der Zeit.

      • Da Obi-Wan mein mit Abstand größter Lieblingscharakter im SW-Universum ist, nehme ich das nun einfach mal als Kompliment 😀

    • *Den Punkt „Balnazaar erklärt die Welt auf der Bingo-Karte anstreich*
      Ok das hätten wir. Wo sind die obligatorischen „Du als Lehrer antworten“?

      Aber spass beiseite, das war wirklich sehr anschaulich erklärt Balnazaar und auch interessant 😀

    • die erklärung ist eigtl ganz einfach.
      „gut“ ist ja relativ. und geht es einem zu lange gut, ist „gut“ nur noch mittelmaß und normalität. dh es muss fortan „richtig gut“ sein, um als gut eignestuft zu werden.. oder es geht einem eine zeit lang wieder richtig schlecht, damit man erkennt, was man hat. (wie es dann nach einigen beziehungen dann ist)

      leute, die mal ganz unten waren, sind deshalb nachdem sie das überwunden haben idR ihr leben lang glücklicher als andere, weil sie wissen, wie weit es nach unten geht.

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