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Interessanter Leserbrief von Community-Mitglied Christian:

Hallo Steve,

du greifst ja hin und wieder in deinem Blog die mediale Berichterstattung über das Thema Gewalt & Videospiele auf. Ich bin selbst in der Medienforschung tätig, und bedaure, dass häufig selbst seriöse Medien ein sehr verzerrtes Bild davon darstellen, was genau die Ergebnisse dieser Forschung sind. Häufig wird, dem Sensationsprinzip folgend, eine Studie aus hunderten ausgewählt, die einen Zusammenhang gefunden haben will, den eben hunderte andere so nicht finden. Teils gilt das aber auch für die Forschung selbst: Spektakuläre Ergebnisse lassen sich einfacher in wiss. Fachzeitschriften publizieren, weshalb sie hervorgehoben werden. Nur, wer sich die Daten im Detail anschaut, erkennt, dass die meisten Studien zu eher unspektakulären Ergebnissen kommen.

Damit du mal ein realistisches Bild davon hast, was im Rahmen psychologischer Forschung tatsächlich herausgefunden wird, habe ich dir einen Blogeintrag des weltbekannten Games-Forschers (und „Vaters“ des MMO-Genres) Richard Bartle verlinkt, in dem er zeigt, dass selbst diejenigen Studien, die behaupten, ihre Ergebnisse seien „signifikant“, letztlich herzlich wenig im wissenschaftlichen Sinne aussagen:

http://youhaventlived.com/qblog/2015/QBlog300415A.html

Ich sende dir das, weil ich denke, dass es aus Sicht der Gaming-Community das falsche ist, Forschung bzgl. negativer Auswirkungen von Videospielen einfach zu verteufeln. Eine sachliche Auseinandersetzung lässt die Community seriöser wirken, und, siehe da, man kann zwar Games nicht komplett freisprechen von einer Mitverantwortung, aber ihr Zutun zu Gewalt bzw. Gewaltbereitschaft ist doch eher gering im Vergleich zu anderen Einflussfaktoren.

Bartle schreibt, dass der durchschnittliche Pearson-R bei solchen Studien bei r=0,15 liegt, was bedeutet, dass in etwas mehr als zwei Prozent (2%!) aller Fälle eine Korrelation zwischen Aggressionen und Videospielen statistisch nachweisbar ist und in den restlichen knapp 98% nicht. Und selbst bei den 2% ist nicht unbedingt nachgewiesen, dass es einen kausalen Zusammenhang gibt (also dass Games Aggressionen fördern oder dass vorhandene Aggressionen das Spielen von Games fördern). Es gibt eine ordentliche Anzahl an Studien, die das zwar genauer nachweisen, aber sie können eben maximal die gut 2% erklären, mehr nicht. (Diese einfache Interpretation ist jetzt statistisch nicht ganz korrekt, weil sie den Begriff der Signifikanz etwas zu simpel interpretiert, aber sie kommt der Sache relativ nahe, weil wir hier ja nicht eine einzelne Studie betrachten, sondern das durchschnittliche Signifikanzniveau solcher Studien.)

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam jüngst übrigens auch eine Studie der Uni Bielefeld. Man könnte salopp formulieren: Für die Erklärung individueller Aggressionen können Games in wenigen Fällen tauglich sein (und muss fairerweise dazu sagen: Es gibt andere Einflussfaktoren, die deutlich stärker mit Aggression korrelieren, u.a. sozioökonomischer Status, Bildungsniveau, Erziehung, Milieu usw.). Der bisher nachgewiesene Einfluss von Games auf Aggressionspotentiale in der Gesellschaft ist hingegen trotz einer Unmenge an Studien extrem gering.

Viele Grüße,
Christian

Spannend und interessant zu lesen. Wie steht Ihr zu seinen Ausführungen?


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7 KOMMENTARE

  1. Sehr schöner Bericht der absolut die Wahrheit sagt, was sich allerdings auf jeden Bereich übertragen lässt. Es gibt den schönen Leitsatz: „Glaube keiner Statistik die du nicht selbst gefälscht hast“. Da ist was Wahres dran. Nicht zu vergessen ist nämlich, dass sich Sozialwissenschaften für quantitaive Aussagen in der Regel auf strukturierte standartisierte Interviews/Fragebögen verlassen. Dies bedeutet dass sowohl Fragen als auch Antwortmöglichkeiten in gewissen Maße vorgegegeben werden z.B. „Bewerten Sie das Gewaltpotenzial des Spiels von 1-10. Dass kann bereits suggerieren, dass das Spiel ein Gewaltpotenzial besitzt. Sicherlich gibt es wiss. Kriterien wie Validität, Reliabilität und Plausibilität, um das Ergebniss zu überprüfen, aber letzlich kommt es immer darauf an wie Fragen operationalisiert werden. Ein weitere Punkt ist, dass viele Studien zur Vereinfachung auch nur bestimmte Variablen einbeziehen bzw. einbeziehen können, um überhaupt kausale Zusammenhänge zu finden bzw. relevante Aussagen zu treffen. Je mehr Variablen, umso schwieriger ist es sinnvolle Zusammenhänge herauszufinden. Schlussendlich kann immer nur ein Teil der Wahrheit abgebildet werden.

  2. Erstmal finde ich gut, dass die Wissenschaft (auch, wenn sie beauftragt wird), sich mit dieser Thematik beschäftigt. Das zeigt mir, dass das Thema Gaming ernst genommen wird. Die Ausführungen im Beitrag sind logisch und die würde ich auch so unterschreiben. Das ist schon arg weit hergeholt, einen direkten kausalen Zusammenhang wischen Gaming und Gewalt herstellen (und nachweisen) zu wollen. Ich bin selbst Erzieher und gebe noch etwas anderes zu bedenken: Eltern, Sorgeberechtigte, generell Erwachsene sind für Kinder/Jugendliche irgendwo Rollenvorbilder. Und ich erlebe in meinem Arbeitsalltag, dass eben diese Vorbilder ihrer Aufgabe schlicht nicht gewachsen sind – sei es aus Überforderung oder weil es eben einfacher ist, den kleinen Sohn mit GTA V vor dem Fernseher zu parken. Auch hier muss angesetzt werden und Eltern müssen aufgeklärt werden (und dies wollen), warum z.B. eine FSK Bewertung nicht grundsätzlich schlecht ist. Oder wie lange das Kind zockt und was es zockt.

  3. Das generelle Problem wenn Laien diese Studien lesen, ist dass sie nur darauf schauen ob es signifikante Korrelationen gibt, nicht aber wie hoch letztendlich die Effektstärke ist. Eine signifikante Korrelation bedeutet erstmal nur ein Zusammenhang (mit einem Restrisiko) unter Ausschluss des Zufalls besteht. Es ist letztendlich nur eine Frage des Aufwands, ob ich einen signifikanten Zusammenhang errechnen kann. Diese Signifikantstest sind immer von erhobenen N (also der Anzahl der Fälle abhängig). Je größer N ist desto leichter ist es auch kleine r signifkant zu bekommen. Um aber die praktische Bedeutsamkeit eines Zusammenhangs beurteilen zu können muss man sich die Effektstärken anschauen.

    Das ist letztendlich auch der „Trick“ bei dem sich ein Christian Pfeiffer bedient. Auch in seinen Studien kriegt er alle Zusammenhänge die er sich ausdenkt signifikant. Das ist aber auch nicht groß verwunderlich, wenn man sich mal anschaut auf wie viele Fälle er sich beziehen kann. Bei einem N von 10.000 oder größer kriegt man offen gesagt jeden Scheiss signifikant. Schaut man sich dann aber mal die Effektstärken der Zusammenhänge an, sieht man, dass da letztendlich nur jede Menge heisse Luft hinter steckt. Diese Effekte sind so klein, dass sie praktisch quasi unbedeutsam sind.

    Eine Korrelation von r=.15 ist übrigens ein sehr schwacher statistischer Zusammenhang. Bei uns im Institut sagen wir nicht umsonst „Die Welt korreliert zu 0.3“

  4. Klar, es gibt Spiele die Frust fördern, wer hat nicht nach ner Runde lol oder nach dem Verlust eines HC Chars in D3 mal nen Ausraster geschoben, trotzdem hat das ganze mit Gewalt oder Aggression gegen Personen erstmal wenig zu tun. Wie schon so häufig erwähnt muss man da schon sehr anfällig sein und von Natur aus zu erhöhtem Gewaltpotenzial neigen^^

  5. diese „studien“ ergeben doch meistens eh das ergebnis, welches von den sponsoren/initiatoren erwünscht, verlangt werden.

    für nahezu jede pro-gaming studie gab es doch immer wieder ne contra-studie.

    bei der masse an spinnern ist es doch klar, dass da spieler dabei sind (gerne kann man hier auch spinner und spieler tauschen)

    und ob ich mich nun über die idioten auf der straße, im spiel, auf der arbeit oder abends auffem weg zur/von der kneipe aufrege dürfte doch aufs gleiche kommen 😉 das man manchmal dem anderen gerne eine einschenken würde. aber jeder hat da ja ne andere hemmschwelle zwischen wunsch/vorstellung/umsetzung.

    • „diese “studien” ergeben doch meistens eh das ergebnis, welches von den sponsoren/initiatoren erwünscht, verlangt werden.“

      Das stimmt nur zum Teil. Wenn man sauber arbeitet, kann man eine Statistik (also die wissenschaftliche Arbeit daran) nicht fälschen. Was man aber machen kann ist die Fragen der Statistik so zu stellen, dass nur bestimmte Ergebnisse dabei herauskommen können.
      Das berühmteste Beispiel dazu ist sicher Zensursulas projekt mit dem Stopschild. Die dazugehörige Umfrage zeigte eine gewaltige Begeisterung der Bevölkerung für die Idee. Das Blöde war nur, dass man die Leute nicht nach dem Stopschild gefragt hat. Die Frage auf der Straße war (ohne Kontext) „sind sie gegen Kinderpornografie im Internet?“ Und, oh wunder, da ließen sich jetzt eher weniger Gegenstimmen finden.

  6. ich kenne auch schon viele menschen und zogger und kann sagen das „gewalt“ in spielen nicht aggresiv macht. Viel eher kann ne aggresion passieren wenn man so frustriert wie z.b in LoL oder anderen online games. Das der grief so gro0 ist und man garnicht drauf klar kommt.

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