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leuchtturmbanner

Mein liebes Tagebuch,

es tut mir leid, dass ich so lange nichts von mir habe hören lassen. Wir wussten beide, auf was wir uns einlassen. Es sollte nie etwas Dauerhaftes sein, sondern nur ein „flüchtiges Wort“. Irgendwann fingst Du zu klammern an. Du wolltest immer mehr und mehr. Also flüchtete ich mich in Vlogs und den Podcast. Auf Deine Anrufe reagierte ich nicht. Du warst der Klotz an meinem Bein. Ich wollte mehr sehen, als Deine leeren Seiten. Hast Du mir das mittlerweile verziehen? Können wir wieder Freunde sein? Treffen wir uns auf nen Latte, und ich erzähle Dir einige nette Anekdoten? Ja? Prima, also…

– Ich habe mir heute Morgen die Zähne geputzt. Das macht man so, oder? Ich erwischte mich dabei, wie ich darüber sinnierte, dass ich mir doch quasi gerade erst vorm ins-Bett-gehen die Zähne geputzt habe. Wie viel Lebenszeit habe ich wohl mit Zähneputzen verbracht? Wenn man von flüchtigen zwei Minuten ausgeht, sind das mit morgens/abends vier Minuten pro Tag. Das sind in einem Jahr 1456 Minuten oder ca. 24 Stunden. Wenn ich pro Jahr einen Tag damit verbringe, mir die Zähne zu putzen, sind das in meinen 41 Jahren also ca. 41 Tage. ICH HABE 41 TAGE MEINES LEBENS ZÄHNE GEPUTZT? Und haben sich meine Zähne jemals dafür bedankt?

– Warum fotografieren wir heutzutage eigentlich alles? Unser Essen, unser Auto, unseren Garten, uns vor dem Spiegel – es nimmt kein Ende. War das schon immer so? Haben wir das vielleicht schon immer so gemacht, und man hat es einfach nur nicht mitbekommen, weil es kein Internet, kein Facebook und kein Instagram gab? Ich habe Ende letzter Woche im Radio ein Interview mit irgendeinem Prominenten gehört (ich weiß schon nicht mehr, wer das war). Der erzählte davon, dass früher alle nur Autogramme von ihm gewollt hätten und heutzutage jeder ein Foto mit ihm machen wollen würde. Ist das so ne Phase von uns? Früher hat es einem gereicht, besondere Ereignisse oder Momente festzuhalten. Heute fotografieren wir einfach alles. Ich habe letztens miterlebt, wie jemand seinen Stuhlgang fotografiert und rumgeschickt hat, um darüber mit seinen Kumpels zu diskutieren, weil dieser „Schiss“ seiner Meinung nach besonders gut gelungen war.

Ryos1

Du wirst jetzt anmerken, liebes Tagebuch, dass ich der Letzte bin, der sich darüber aufregen sollte. Schließlich fotografiere ich ja auch jeden Scheiß von mir und stelle ihn ins Netz. Damit hast Du absolut recht. Ich nehme mich da selbst überhaupt nicht aus. Allerdings muss man fairerweise festhalten, dass ich weder meinen Kot fotografiere, noch diese furchtbaren „ich fotografiere mich selbst vor dem Spiegel“-Bilder mache – die Steigerung davon ist übrigens: „ich fotografiere mich und meine Freundin vor dem Spiegel, und wir küssen uns dabei“.

– Mein guter Freund Dirk Nowitzki hat gestern Abend mal wieder Geschichte geschrieben: Im Spiel gegen die Portland Trailblazers erzielte der Würzburger 40 Punkte und holte den Sieg in der Overtime im Alleingang. Er ist damit einer von vier Spielern, denen es im Alter von mindestens 37 Jahren gelang, in einem NBA-Spiel über 40 Punkte zu machen – Michael Jordan, Kareem Abdul-Jabbar und Karl Malone. Auch hier befindet sich Dirk in glorreicher Gesellschaft. Er ist ein ganz Großer – auch wenn ich manchmal das Gefühl habe, dass die Amerikaner das nicht so zu würdigen wissen. Aber hey, er stammt halt nicht aus ‚Murica…


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5 KOMMENTARE

  1. Also die fortwährende Anwesenheit der Zähne sollte man schon als Dank interpretieren können 😉

    Hm, also ich hab früher vor dem Social Media Hype gerne jeden Scheiß fotografiert (nicht wortwörtlich, aber kurz davor, ich erinnere mich zB an zwei Ansichten: „Das innere der Mülltonne von oben“…) – Aber geteilt hab ich davon quasi nix. Und inner Familie will den Quatsch natürlich auch keiner sehen… Da war mehr der Vorgang selbst das spaßige. Und nachwievor nehm ich gerne Events wo ich bin auf, aber mehr als persönliche Erinnerung (auch wenn ich grad feststelle, dass ich mir vieles eh nie wieder angucke..)

  2. Lieber Steve,

    lange habe ich mich danach gesehnt, dass Du meine Seiten wieder füllst. Endlich ist es geschehen. Ich weiß, dass es nicht immer einfach mit mir war, ich wollte immer alles aus deinem Altag von Dir erfahren (wenn ich ehrlich sein darf, war ich immer auf den Podcast eifersüchtig, dass Ihr so viel Zeit miteinander verbracht habt).

    Schön, dass Du mir noch eine Chance gibst. Es ist nicht ganz einfach, aber natürlich vergebe ich Dir. Über Deine Einladung zu einem Latte freue ich mich sehr, aber bitte bekleckere meine Seiten nicht beim trinken.

    Mit den Fotos gebe ich dir recht. Gut, es fällt mit als Dein Tagebuch sehr schwer, Selfis zu machen, da ich weder Hände noch ein Smartphone oder eine Digitalkamera besitze. Jedoch denke ich, dass einige Menschen so Selbstbesätigung einholen, die ihnen im normalen Leben fehlt (wie durch das Herumschicken Ihres Stuhlgangs per Foto). Auf der Anderen Seite ist es eine tolle Möglichkeit, Menschen am eigenen Leben teilhaben zu lassen.

    Leider ist es so, dass viele Menschen nicht zu schätzen wissen, was Sie an anderen haben. Sei es im Sportvereinen, im Profisport oder im Internet. Daher bist auch Du in guter Gesellschaft, wie ich finde.

    Ich freue mich darauf, dass Du meine Seiten wieder füllst.

    Dein Tagebuch

  3. Vermutlich gehen die Themen „Zähneputzen“ und „Fotografieren“ miteinander einher, wenn man sich ansieht, wie oft du dich mit weit offenem Mund ablichtest. 😉

    Aber es stimmt schon, seitdem ich mit einem Smartphone herumrenne, gibt es (besonders im Urlaub) von fast allem Kram einen Schnappschuss. Wichtig ist eben, dass man mit den Ergebnissen nicht anderen zu sehr auf die Nerven fällt.

  4. Sehr schöner Leuchtturm mal wieder Steve 😉

    Nur, ich vermute mal, dass du uns über Groknaks Fotokunst so unterrichtest, hätte ich nicht haben müssen 😀

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