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Die Ermittlungen gegen ZDF-Moderator Jan Böhmermann wegen dessen „Schmähgedichts“ über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sind eingestellt worden. Wie die Staatsanwaltschaft Mainz am Dienstag mitteilte, seien „strafbare Handlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen“.

Wahrscheinlich wird diese Neuigkeit die wenigsten Leute überraschen. Ich denke, wenn als einzige Konsequenz das Gedicht oder Passagen aus diesem verboten werden, wird Böhmermann mit der Sache gut leben können…

Quelle: heute.de

Fr0sty


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14 KOMMENTARE

  1. So, wiedermal hat es sich als hilfreich erwiesen, die Originalquelle zu studieren, hier die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft:

    http://www2.mjv.rlp.de/icc/justiz/nav/634/broker.jsp?uMen=634b8385-d698-11d4-a73d-0050045687ab&uCon=86c6d096-9dd8-751e-6a1a-b5402e4e2711&uTem=aaaaaaaa-aaaa-aaaa-aaaa-000000000042

    Diese Pressemitteilung ist wesentlich substantiierter als der verlinkte Artikel. Danach hat sich die StA darauf festgelegt, dass kein Beleidigungsvorsatz bestand und dies auch so gut begründet, dass ich dazu tendiere, von meiner ersten Meinung abzurücken und der Argumentation der StA zuzustimmen.

    Aufgrund dieser Festlegung hat die StA dann tatsächlich dahinstehen lassen, ob tatbestandlich überhaupt eine Beleidigung vorliegt, oder ob diese hinter der Kunstfreiheit vor dem Hintergrund der satirischen Darstellung zurücktritt. Insoweit ist zudem noch erkennbar, dass die StA wohl von keiner Beleidigung ausgeht.

    Entgegen dem Artikel ist die Aussage der StA also nicht „weiß nicht“ – „weiß nicht“ – „also Einstellung“, sondern sie legt sich bei beiden Fragen dahingehend fest, dass sie keine Strafbarkeit sieht.

    Anhand der Pressemitteilung nehme ich daher sämtliche zuvor geäußerte Kritik an der StA zurück und kritisiere fortan nur noch die verkürzende Darstellung auf heute.de!

    • Das Problem daran: das StGB verlangt bei Beleidigung keinen Vorsatz.
      Du kannst auch jemanden „unabsichtlich“ beleidigen.
      Und wenn Teile vom Gericht bereits als „nicht-Satire“ angesehen wird, dann können diese Teile eig. nur Beleidigung darstellen.
      Erdogan Kinder und Tiere ficken vorzuwerfen ist ganz klar eine vorsätzliche Tatsachenbehauptung.
      Ich finde, die Geschichte hätte ein Richter entscheiden sollen und nicht aus politischen Gründen einfach vergraben werden.

      „Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrschutz zurücktreten wird.“

  2. Es ist einfach falsch das Journalisten und co. Menschen in den Medien so dermassen beleidigen können ohne das ihnen was passiert. Beleidige ich als privat mann jemanden so schwer und mir wirds bewiesen das ich das gemacht habe komme ich sicherlich nicht so davon. Auch Medienvertreter sollten ihre grenzen haben

    • Es ist schon was anderes, ob man jemanden persönlich anspricht oder ob man das im Rahmen eines satirischen redaktionellen Beitrages im Fernsehn tut. Letztere können nunmal in der Regel nur von Medienvertretern getätigt werden 😉

    • Da bist du im Irrtum. Wenn ich dich privat beleidigte ist das vermutlich jedem egal, du bist keine Person von öffentlichem Interesse. Da gibt es durchaus unterschiedliche Grundlagen. Google doch mal zumindest die §§ bevor du dich darüber ereiferst.

      Du musst weiters unterscheiden zwischen zivilrechtlichen Kanzleien, die wmgl. als Drohgebrärde irgendwas aussprechen, und auch zwischen einer Polizei die in ihrer Verfolgung (meines Erachtens) sehr häufig rechtsgrundsätze verletzt, und der Staatsanwaltschaft, die Sachverhalte nüchtern auf ihre Prozesswürdigkeit klären muss.

      Also solltest du ein „Hanswurst“ sein, dessen Strafanzeige, weil dich jemand im Stiegenhaus oder in der örtlichen Bar beleidigt hat, nicht von der Polizei oder von der StA oder vom Gericht, wirklich gewürdicht wurde, sei dir versichert es ist gut so und schluck deine „Ehre“ runter, im schlimmsten Fall zieh nach Afgahnistan, da gibts ne Scharia – die hat ebenfalls Gerichte sehr seltsam anmutenden Prozessordnungen.

  3. Nicht, dass ich auf der Seite von Hitlogan stehen würde, aber die Entscheidung der Staatsanwaltschaft ist es, den Schwanz einzukneifen.

    Es werden zwei Argumente angeführt:
    1. Man könne Böhmermann nicht den Vorsatz nachweisen.
    2. Man wisse nicht, ob das Schmähgedicht eine Beleidigung darstelle.

    Der erste Punkt ist ein Witz: Diese Masse an Schmähungen ist ganz offensichtlich eine Beleidigung, und genauso offensichtlich weiß Böhmermann auch, dass er damit Erdogans Ehre herabsetzen würde.

    Der zweite Punkt ist eine Rechtsfrage, und es ist die verdammte Aufgabe der Juristen (auch bei der Staatsanwaltschaft), diese mit ja oder nein zu beantworten, keinesfalls aber mit „weiß nicht“. Und es wäre dann die Aufgabe des Gerichts, die Einschätzung der StA zu überprüfen. Also entweder müsste eine Einstellung erfolgen, weil keine Straftat vorliegt, oder es müsste angeklagt werden.

    Man muss also von einer politischen Entscheidung ausgehen: Einerseits will man Erdogan nicht vor den Kopf stoßen mittels „das war keine Beleidigung“, andererseits weiß man die öffentliche Meinung hinter Böhmermann.

    Für einen Rechtsstaat ist diese Form der Einstellung jedoch eine Schande.

    • Fakt ist, dass in gängiger Judikatur nur in extrem seltenen Fällen einer Verurteilung wegen Ehrenbeleidigungdelikten kommt. Wer meint sich in seiner Ehre beleidigt fühlen zu müssen, ist meiner Meinung nach auch in der falschen Zeit oder hat gröbere Probleme.

      Alles in allem spricht das Urteil FÜR den Rechtsstaat.

    • @Kinki:
      Du kannst davon ausgehen, dass die Staatsanwaltschaft nicht „wir wissen nicht“ gesagt hat. Sie haben die Frage lediglich nicht beantwortet, also offen gelassen, weil es nicht von Belang war. Die StA wollte damit vermeiden, Stellung zu beziehen. Das machen Gerichte übrigens regelmäßig genau so, wenn das Ergebnis wegen eines anderen Umstandes ohnehin feststeht. Genauere Schilderungen hier:
      http://www.lto.de/recht/nachrichten/n/boehmermann-verfahren-eingestellt-beleidigung-erdogan-schmaehgedicht/

      Es ist auch nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft, jeden Fall vor Gericht zu bringen. Die StA muss die Anklage vertreten und das kann sie nicht vernünftig, wenn sie bereits die tatbestandliche Handlung bezweifelt (also ob es überhaupt eine Beleidigung sein könnte). Man kann sich nicht vor den Strafrichter stellen und sagen „wir wissen es auch nicht genau, aber überprüfen sie doch mal bitte, ob es eine Beleidigung war“.
      Andererseits muss die StA aber auch die für den Beschuldigten sprechenden Aspekte in Betracht ziehen, das wird hier im vorletzten Absatz des Artikels dargestellt.

      Grundsätzlich gilt: Wenn die StA hier davon ausgeht, dass das Verfahren sowieso eingestellt wird, wäre die weitere Verfolgung der Sache nicht opportun. Zu beachten ist hierbei auch der „in dibio pro reo“-Grundsatz, das Verhältnis von zu erwartender Strafe und Verfahrensdauer, die Notwendigkeit des Schutzes der betroffenen Rechtsgüter und so weiter…

      Meiner Ansicht nach ist die materielle Würdigung des Falls durch die StA genau richtig. Selbst, wenn man persönlich anderer Meinung ist: es ist nunmal das gute Recht der StA, im Rahmen des § 170 StPO über die Anklage zu entscheiden.

      • Theoretisch ist alles richtig, was du sagst, aber es hat mit der Entscheidung der StA nicht viel zu tun!

        Die StA hat gesagt, es sei „fraglich“, ob es eine Beleidigung darstelle. In der Tat kann man nicht entscheidungserhebliche Punkte „dahinstehen“ lassen. Vorliegend ist der Punkt aber entscheidungserheblich, denn auch beim ersten Punkt – Vorsatz – hat sich die StA nicht festgelegt („nicht sicher“). Hätten sie gesagt: „eine Strafbarkeit scheidet schon mangels Vorsatzes aus, DESHALB kann dahinstehen, ob es überhaupt eine Beleidigung darstellt“, wäre ich d’accord (auch wenn ich in Frage 1 anderer Meinung bin, es geht mir nur ums Handwerkliche).

        Die StA hätte auch wegen Geringfügigkeit einstellen können (§ 153 StPO) oder mangels öffentlichem Interesse auf den Privatklageweg verweisen (§ 170 II StPO). Hat sie auch nicht getan.

        Nochmal: Mit dem Ergebnis Einstellung kann ich leben. Mit dem Ergebnis Anklage/Strafbefehl hätte ich auch leben können. Nur ist eben die Begründung – zumindest so, wie sie in der Presse wiedergegeben wird – eben juristisch unsauber. Um nichts anderes gehts mir.

      • Aber welchen Lebenszweck hätten dann Heiko Maas und Annette Kahane noch? Dann wären ihre Facebook-Zensur-Gelüste doch endgültig passé, und die „bösen Rechten“ dürften nach Herzenslust „haten“ (sprich: die Regierung kritisieren)!

        Nein im Ernst, willst du wirklich, dass jeder jeden anderen ungestraft, beliebig oft und öffentlich ein „Arschloch“ nennen darf? Willst du, dass es bei sexuellen Beleidigungen (schlüpfrige Anmachen gegen den erkennbaren Willen der Frau) keinerlei Grenzen gibt?

        Viele Straftaten gehen letztlich auf den Begriff der persönlichen Ehre zurück, von der üblen Nachrede bis hin zum Stalking. Soll das wirklich alles straffrei sein?

  4. Sollte eigentlich jedem klar gewesen sein. Das Rechtsystem funktioniert. Wäre die Klage damals gleich von der Politik abgeschmettert worden wäre, hätte es sicher mehr Schaden für alle Beteiligten gegeben.

    Zivilrechtlich ist das schon etwas spannender. Bin gespannt wie hier die Verteidigung aussieht.

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