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Viel mehr Schüler sollen nach dem Willen der neuen Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär, ein Tablet im Unterricht benutzen. „Die Kinder tragen viel zu schwere Schulranzen mit zum Teil veralteten Schulbüchern. Schüler brauchen heute vor allem drei Dinge: ein Tablet, ihre Sportsachen und das Schulbrot“, sagte die CSU-Politikerin der „Bild am Sonntag“.

Community-Mitglied Salasandra, der mir den Beitrag verlinkt hat, schreibt dazu:

„Unsere Flugtaxi-Ministerin fordert jetzt die Abschaffung von Schulranzen, weil ein Tablet, Sportsachen und ein Schulbrot reichen würden. War die Frau eigentlich in letzter Zeit in einer Schule? Es gibt teils weiterführende Schulen, deren einziger den Schülern zugänglicher Rechner in der Bibliothek der Schule steht. In was für einer Wahnvorstellung lebt diese Frau? Ich lasse mich gerne eines besseren belehren und würde am Ende der Legislaturperiode gerne zugeben mich geirrt zu haben. Leider befürchte ich, dass die gute Frau Bär genau so ein Rohrkrepierer wird wie ihre Kollegin von der Leyen. Einen schönen Bären hat man uns da aufgebunden.“

Und genau das ist der Punkt: Frau Bär redet über den dritten oder vierten Schritt, obwohl die Grundlagen in Deutschland noch nicht mal geschaffen sind. Lasst mich Euch als Lehrer an einer Medienschule sagen, die selbst iPad-Klassen betreibt, dass es völlig naiv ist, zu glauben, dass man mit einem Tablet keine Schulbücher mehr braucht: Wir sind in dieser Sache in unserem Landkreis eine Vorbildschule – aber wir sind Lichtjahre davon entfernt, alle Schulbücher als digitale Version bekommen zu können.

Frau Bär und auch die Bundesregierung sollten erstmal schauen, dass eine vernünftige digitale Infrastruktur in Deutschland geschaffen wird, damit „digitaler Unterricht“ überhaupt möglich ist: Was nützt Dir die beste Ausstattung auf der Welt (die übrigens auch nicht mal annähernd an deutschen Schulen gegeben ist), wenn Du (so wie wir) für die gesamte Schule eine 16k-Leitung zur Verfügung stehen hast und dadurch jeder Schüler im schneckentempo surft.

Diese Planlosigkeit macht mir persönlich große Sorgen. Auch wenn im Koalitionsvertrag steht, dass man mehrere Milliarden Euro in digitale Infrastruktur und Ausstattung der Schulen stecken will, fehlt hier offensichtlich KOMPLETT ein angemessenes Konzept. Ein Kompetenzteam „digitale Bildung“ wäre hier ehrlich gesagt eine verdammt gute Idee!

Quelle: FAZ.net


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28 KOMMENTARE

  1. Hab mal eine Zeit lang bei einem Buchgroßhändler als Fahrer gearbeitet und zweimal im Jahr haben wir Lehrbücher für die Schulen in meiner Stadt und der Umgebung ausgeliefert, da kamen bei großen Schulen locker ein bis zwei Tonnen Bücher pro Jahr zusammen. Könnte man sich eigentlich sparen, aber wie schon mehrfach erwähnt, ist das wahrscheinlich noch ein sehr weiter Weg.

  2. Das ist an sich eine sehr gute Idee. Es würde vieles einfacher machen. Aber wie hier bereits mehrfach erwähnt wurde: Soweit sind wir noch nicht. Es schadet dennoch nicht sich hohe Ziele zu setzen 🙂

  3. Zunächst mal müssten die Schulen mit der entsprechenden Anbindung ausgestattet werden und zudem innerhalb des Gebäudes eine anständige W-Lan möglichkeit vorhanden sein.
    Darüber hinaus stellt sich die Kostenfrage für ein Tablet. Wer beschafft dieses? Ist hier mal daran gedacht worden, dass bei vielen das Geld dafür nicht reicht?
    Wir leben innerhalb der Digitalisierung auf dem aller letzten Stand und da reichen auch keine „paar“ Millionen Euro für zig Schulen.
    Das könnte ein Projekt für das Team der Berliner Flughafens werden.

  4. Bei uns in NRW haben schon um 2000 herum die Politiker fantasiert, dass in den nächsten 10 Jahren alle Schüler einen Laptop bekommen würden. Als ich 2008 mein Abitur gemacht habe, hatte unsere Schule 2 moderne Computerräume mit jeweils 30 Rechnern und 5 Laptops für ca. 1500 Scüler. Dazu kam dann noch ein altes Lehrerkollegium von denen 2/3 der Lehrer um die Schulcomputer einen Bogen gemacht haben.
    Ich habe bei Politikern immer mehr das Gefühl, dass es nicht darum geht, dass am Ende was sinnvolles durchgeführt wurde. Es geht viel mehr um das was man den Wählern erzählen kann und was am Ende auf dem Papier als Investition in Euro ausgedrückt steht.
    Was die Schüler und Lehrer wollen und brauchen ist zu vernachlässigen. Hauptsache das Wählerklientel sieht das was passiert. Vor der nächsten Wahl sehe ich die Dame schon in einer Talkshow sitzen und den Kritischen Argumenten eines Politikers der Piraten-Partei ihre Investitionssummen und Zahlen an gekauften Rechnern entgegenzuwerfen.

  5. Meine Schulzeit und damit diesbezügliche Erfahrung ist zwar fast 25 Jahre her, aber ich kann Steves Gedanken absolut nachvollziehen, wenn ich an die Digitalisierung in anderen staatlichen Bereiche denke.

    Unsere Kanzlei arbeitet intern komplett digital. Wir führen keine Papierakten mehr. Aber abgesehen davon, dass wir selbst in der Anwaltschaft damit alleine auf weiter Flur sind, so ist vorallem undenkbar, dass Behörden und Gerichte in absehbarer Zeit unserem Modell folgen würden. Da gibt es bestenfalls Ansätze, wenn wir von großen Staatsanwaltschaften oder Landratsämtern mal eine Akte als CD bekommen (passwortgeschützt, das Passwort bekommen wir dann per Briefpost!), aber selbst das sind weniger als 10% der Fälle. Von der „badischen Aktenbindung“ will ich gar nicht erst anfangen (bei Interesse googeln!).

    Das Vorhaben, die Kommunikation mit Gerichten über ein „besonderes elektronisches Anwaltspostfach“ (beA) zu führen, fährt gerade an die Wand, weil die Verschlüsselungssoftware amateurhaft programmiert war, und normale E-Mails, an die ich ein PDF anhänge, genügen nicht der Schriftform. Das höchste der Gefühle ist da ein Telefax, was im Grunde eine obsolete Technologie ist.

    Wo wir Anwälte uns also längst E-Mails zuschicken (und selbst das ist die Minderheit), klebt die Verwaltung nahezu vollständig am Papier.

    Wenn ich dann lese, wie landauf, landab die Schulgebäude verrotten, weil nichtmal für funktionierende Toiletten Geld da ist, wenn ich dann an die Urheberrechtsprobleme denke, die digitalisierte Lernmaterialien mit sich bringen würden, dann sehe ich für die nächsten 20, 30 Jahre jedenfalls keine digitale Schule kommen.

  6. Ich bin gegen diesen Schritt, alleine weil in vielen Ländern wo, es das schon sehr lange gibt, es auch durch aus sogar GEsundheitliche bedenken gibt. Da durch das Dauerhafte Arbeiten am Tablet oder Notebook viele Kinder vor allem, wenn es schon von der Grundschule an (wo das Auge ja eh noch einige Jahre benötigt sich voll ends weiter zu entwickeln) Primär mit diesen Geräten gearbeitet wird, das die Kinder später unter Kurzsichtigkeit leiden.

    • Belege?
      Diese Diskussion gibts schon seit dem ersten Buchdruck und noch nie hat eine Studie eine Korrelation feststellen können.
      Dir ist klar, dass in Bücher starren exakt das gleiche sind? Bitte nicht immer alles nachplappern.. BITTE!

      • Wenn auch nicht auf das gleiche bezogen: es gibt genug neuere Studien, die sich endlich auf die Auswirkungen von blauem LCD/oled Licht auf das Auge beziehen. Da sind wir zwar erst am Anfang.. aber schon jetzt wird davor gewarnt.

  7. Das ding ist ja leider , das macht vor keiner Ebene im Schulsystem halt. Also Grundschule , Weiterführende oder sogar Berufsschule.

    Ich hab vor nicht langer Zeit ne Ausbildung gemacht als Fachinformatiker Anwendungsentwicklung. Musste dazu zu einer Berufsschule die sich selber im Namen als Technik schule ausgibt…
    Sagen wir es mal so … im Museum stehen sicher teils neuere Rechner, wenn sie überhaupt noch gingen, dann waren sie so Mies und Kaputt das nichts damit anzufangen war.
    Und das an einer Schule sogar, deren Hauptaufgabe es ist einem Informatik bei zubringen !

    Sorry, aber die gute soll lieber mal Netzausbau vorrantreiben und Gelder für die Technik an den Schulen bereit stellen und das Wichtigste , weiter Bildung der Lehrer in dem Bereich.!

    Als ich damals auf der Realschule war (schon paar jahre her , da war Abi noch zwischen) bestand unser „informatik“ Unterricht aus einer Lehrerin (Deutsch und Sport eigentlich) die vorne mit einem Buch saß und daraus alles abgeleitet.
    Heldenhafteste aussage jemals von ihr „IP-Adressen sind längen und Breitengrad wo euer Rechner steht. Deswegen hat man im Zug und mit vielen Menschen schlechtes Internet“

  8. Ich saß letzte Woche im Auto und bin gemütlich von der Arbeit heimgefahren.
    Da lief doch gerade mal „Weck mich auf“ von Samy Deluxe.
    Ich frage mich langsam ob wir in Deutschladn (und EU) so langsam fröhlich lächelnd und ohne größere Gegenwehr auf einen Abgrund zufahren und die Leute die am Steuer sitzen blind sind und nicht auf die Passagiere hören.
    Gerade als Deutschland waren wir bisher bekannt für Qualität. „Made in Germany“ ist ja schließlich so einiges Wert. Nicht nur bei Autos, sondern auch bei Bildung etc.
    So schön gemütlich können wir zusehen wie das alles ganz gemütlich über den Jordan geht…um ein paar Schlagworte zu nennen… G8… Digitalisierungskatastrophe… Dieselskandal…

    Ich bin noch recht „jung“ und habe gerade erst Nachwuchs bekommen… bei der ganzen Entwicklung bin ich echt am Überlegen ob man nicht wo anders hinsollte… Jemand Vorschläge…?

    Viele Grüße
    Platon

  9. Es würde schon wahnsinnig viel helfen wenn man die Schulbücher parallel zum Lehrbuch auch als PDF hätte. Aber da geht das Gejammer über Copyright und Co schon los.

  10. In Berlin sind viele Schulen stark sanierungsbedürftig, wo also bitte, soll das Geld für Tablets herkommen, oder sollen die Schüler es selber bezahlen ?

    • An unserer Schule leasen die Schüler ihre Tablets/laptops tatsächlich selber. Allerdings ist das eine freiwillige Entscheidung, ob das Kind in eine „Laptopklasse“ soll oder nicht.

    • Es gibt immer Lösungen für sowas. Eine simple wäre, wenn die Wirtschaft sich beteiligt und sponsort.
      Das ist nicht allzu abwegig und passiert recht häufig. Man füge die Möglichkeit hinzu, solche Dinge korrekt von der Steuer abzusetzen und abzuschreiben und schon muss sich die Politik um nix kümmern.
      Im Saarland wurde z.B. lange Zeit neben den Studiengebühren die Hochschule fast ausschließlich von Bosch getragen (die Zweigstelle gibts jetzt nicht mehr).
      Der Nachteil ist natürlich, dass sich Unterrichtsstoff entsprechend lokal ausrichten kann.

  11. Wenn ich mir die Aussagen unseres Gesundheitsministers so anschaue, wundert mich nicht mehr viel. Die haben doch auch Beratergremien – sagt denn da keiner was vernünftiges oder wird das alles ignoriert?

    • Sowohl Spahn als auch die CSU-Minister (Seehofer, Bär) sind halt im Wahlkampfmodus. Der eine wirbt für seine eigene Kanzlerschaft, die anderen für die Landtagswahl. Ist doch egal, was davon sinnvoll ist oder stimmt, hauptsache es sieht so aus, als würd die Union jetzt mal was erledigen (was dan nachher eh wegen den doofen linksregierten Ländern nicht geht).

  12. Ich würde mir in der Politik mehr Ahnung statt reine Meinung wünschen.

    Auf den ersten Blick klingt das super den Schulranzen abzuschaffen. Kann mich noch sehr gut daran erinnern wie viele Kilo ich täglich zur Schule schleppen musste. Aber wenn offensichtlich die Grundlagen fehlen ist das mal wieder alles heiße Luft.

    Dieses Interview von Harald Lesch ergänzt die Sache eigentlich ganz gut: https://www.youtube.com/watch?v=Wj-KTcxjLqs

    Da fragt man sich von wem die Bildungsminister beraten werden?

    • Wenn du dir mehr Ahnung wünschst und du denkst, du hast mehr Ahnung.. dann engagier dich doch?
      Gerade die älteren Politiker nehmen junge kompetente Leute mit Kusshand und überlassen dir den Posten. Denkst du, ein 67 Jähriger Politiker reißt sich um diese Themen?
      Aber wie das in der Deutschen Menatilität so ist: meckern, meckern, meckern und weiter RTL schauen.

      • Wo habe ich geschrieben das ich mehr Ahnung habe?

        Zwischen wünschen das andere Ahnung haben von einem Thema haben in dem sie eine Führungsposition übernommen haben und selber engagieren liegen Welten.

        Ich engagiere mich eben nicht politisch, da ich zum Beispiel vom Thema Bildung keine Ahnung habe. Sondern ich habe erstmal nur eine Meinung.

        Daher ist meine Meinung, dass Politiker Themen bezogen in Ämter oder Positionen gesetzt werden von der sie Ahnung haben bzw. sich mit Leuten umgeben die davon Ahnung haben und sich entsprechend beraten lassen.

  13. Selbst mit einer guten Internetleitung fehlt es vor allem an qualifizierten lehrern. Zu meiner Schulzeit wurden gerade Whiteboards eingeführt. Da mussten dann bewanderte Schüler dafür sorgen, dass es hochfährt etc. Bei uns lief alles über einen Server und die pcs waren nur clients. Da hat ein Schüler ein Programm geschrieben, das eine Textdatei erstellt und dies immer wiederholt. Hat den Arbeitsspeicher überfüllt alles abgeschmiert. Der Systemadministrator der Stadt konnte dies nicht beenden. So musste man den Schüler bitten, dies zu tun

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