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Ich finde es immer wieder erstaunlich, mit welch großer Doppelmoral wir Menschen durchs Leben gehen und wie wenig Empathie wir alle im Grunde haben. Was habe ich mich für viele Jahre über (Helikopter)Eltern aufgeregt, und wie sehr kann ich sie jetzt verstehen. Beispiel gefällig? Die Hebamme, die uns jetzt nach der Geburt begleitet, hat eine kleine Tochter, die ein wenig “drüber” ist. Gestern hat sie einfach meinen Sohn ungefragt auf den Mund geküsst. Ich sah sofort am Blick meiner Freundin, dass es ihr genauso wenig geschmeckt hat wie mir. “Muss das jetzt sein? Und warum greift die Mutter hier nicht ein?” Später haben meine Freundin und ich darüber gesprochen und kamen zu dem Entschluss, dass wir es a) beide total daneben fanden und b) beide evtl. in diesen Sachen etwas entspannter sein sollten, da wir eben keine “Drama-Eltern” sein wollen.

Ihr werdet in diesem Moment vielleicht denken: “Krömer, bist Du irgendwie gereizt, oder warum regst Du Dich über eine Lappalie so sehr auf?” Gute Frage. Groß aufgeregt habe ich mich jetzt nicht über die Sache, aber ich erwische mich dabei, wie ich über mich über Dinge empöre, denen ich normalerweise äußerst gelassen gegenüberstehe. Beispiel gefällig? Ich kaufe aktuell quasi jeden Tag ein, um jederzeit alles im Haus zu haben, womit ich meine Freundin verwöhnen kann. Wir haben beispielsweise immer frische Brötchen im Haus, da diese schnell geschmiert und lecker sind. Ich gehe also bei REWE zum Bäcker und suche (mit viel Liebe) fünf besonders leckere Brötchen aus. Die Bäcker-Tussi wollte dafür 3,50 Euro haben: FÜR FÜNF BRÖTCHEN?!? Ich habe in meiner Jugend für ein Brötchen 20 Pfennig bezahlt. Heute kostet ein Brötchen 70 Cent – also umgerechnet 1,40 Mark? Ich war richtig wütend. Ich esse seit hundert Jahren Brötchen, und ich hätte mich bis Sonntag niemals dafür interessiert, wie teuer oder billig die Brötchen geworden sind. Komisch!

Kommen wir zurück zu meiner Arbeit als Baby/Mutter-“Beifahrer”. In meinem letzten Tagebuch-Eintrag habe ich so meine Rolle so definiert. Erinnert Ihr Euch noch? Meine Freundin fährt ein Rennen auf der Tour de France, und ich fahre mit nem Auto nebenher und reiche Ihr das Wasser (und andere Dinge). Mittlerweile sehe ich das ein wenig anders. Auch wenn sich an meiner “Nebendarsteller”-Rolle nichts verändert hat, fühle ich mich/uns aktuell ein wenig wie in einem Rollenspiel: Man bekommt ständig irgendwelche Quests, die man erfolgreich abschließen muss. Angefangen bei Quest 1 (“Bekomme den Milcheinschuss!”) bis zu Quest 4 (“Hilfe, er hat jetzt einen Tag nicht in die Windel geschissen und verliert Gewicht. Ändere das!”). Man muss sich das mal vorstellen, meine Freundin und ich haben gefeiert wie kleine Kinder zu Weihnachten, weil mein Sohn nach einem Tag ohne Stuhlgang gestern ordentlich seine Windel vollgekackt hat. Ja, Ihr hört richtig: Wir haben uns über eine vollgeschissene Windel gefreut wie Könige!

Was mir am meisten ausmacht, ist nicht die Tatsache, dass in diesem Rollenspiel nur ein Nebencharakter bin. Mir macht es am meisten zu schaffen, dass meine Freundin fast alle Schlachten alleine schlagen muss, und ich nur hilflos daneben stehen kann. Das macht mich wahnsinnig. Ich möchte hier jetzt nicht ins Detail gehen, weil ich sicher bin, dass dies meiner Freundin nicht recht wäre. Aber ich finde, dass sie genug Schmerzen ausgehalten hat. So langsam könnte damit mal Schluss sein. Ihr Mamis da draußen wisst sicher, was ich damit meine.

Das Beste an der aktuellen Situation ist, dass ich seit gestern Weihnachtsferien habe und meiner Freundin quasi nonstop zur Seite stehen kann. Es ist sehr schön, nachts nicht darüber nachdenken zu müssen, dass man am nächsten Tag um 6:30 Uhr aufstehen muss und evtl. ein bisschen Schlaf braucht. Also schlage ich mir die Nächte zusammen mit ihr um die Ohren und habe genug Kuschelzeit mit meinem wunderschönen Sohn.

Mehr dazu evtl. morgen im Podcast. Wir lesen uns!


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8 KOMMENTARE

  1. Echt schöner Leuchtturm, ehh ,,nachgedacht.“ Bei deinen Sohnemann-Stories + Frau geht einem richtig das Herz auf.

    Bezüglich ,,überteuerte Brötchen“:

    Bei einem richtigen Bäcker zahlst du noch mehr, weil das ein Handwerk ist. Das, was die Ketten in ihren Backshops und Filialen in Supermärkten verkaufen, sind Rohlinge voller Chemie. Stoffe, die nicht deklarationspflichtig und oder nach dem Backen messbar sind. Wirbt eine vergleichsweise günstige Kette also mit den Worten ,,ohne Zusatzstoffe“ o.ä., dann heißt das nicht, dass da keine Drin sind, sondern die juristisch nicht als solche definiert werden.
    Diese Chemikalien werden von der Industrie gebraucht, damit die Teiglinge überhaupt maschinengängig werden, und nicht reißen oder Rohre verstopfen.
    Bei Brot ist das noch schlimmer, weil man keine Zeit hat einen Teig gehen zu lassen. Der muss schon nach der Hälfte bis ein Drittel der Zeit gebacken werden.
    Manche Menschen sollen davon Verdauungsbeschwerden bekommen, weil so Verbindungen übrig bleiben, die die Bakterien bei voller Gehzeit gefressen hätten.

    Es gibt diverse Dokus dazu auf youtube.
    Und wer mal Brötchen selbst gemacht hat, weiß, dass das Arbeit ist.

    Am Ende muss man sich also selbst fragen:
    Gehe ich diesen Preiskampf mit, oder lege ich Wert auf Qualität? Faire Löhne? Soll der Bäckermeister, der seinen Beruf liebt, mein Nachbar bleiben, oder reicht mir auch ein Discounter, der alle Jahre den Verpächter wechselt? Muss es große Auswahl sein, die weggeschmissen wird? Oder reichen mir wechselnde Waren je nach Wochentag und oder Saison?

    Natürlich darf jeder selbst entscheiden und auf sein Geld achten, aber für die meisten wäre das ein Unterschied von 0,20€ pro Brötchen. Wer die nicht hat, hat so wenig Geld, dass er wohl viel größere Sorgen hat.

    Lieben Gruß

  2. Unser Rekord liegt bei 12 Tagen „nicht kacken“ . Danach dann entsprechende Explosion in die Windel… Im baumarkt… Bis in den Nacken hoch… (waren natürlich beim Arzt, Praxis Rekord lag bei 15 Tagen)

  3. Ich bin 32 und meine Tochter ist 1,5 Jahre alt.
    Am Anfang bzw die ersten Monate war ich auch bei jeder Situation regelrecht angespannt.
    Kein stuhlgang … mit Thermometer nachhelfen.
    Erste Zähne…. Globolies.

    Man wird mit der Zeit defintiv entspannter. Da man auch erst mit der Zeit dazu lernt. Ich denke auch das ihr bei der Hebamme viel Nachfragen werdet, so wie meine Frau.

    Alles wird besser. Irgendwann… in 18 Jahren 😀

    Frohe Weihnachten und eine tolle Zeit euch dreien.

    Danke für deine Posts. Da fühlt man richtig mit da man die gleichen Sachen schon hinter sich hat.

  4. Das mit dem Kuss geht garnicht.
    Was auch nicht geht ist wenn Kind zb im Kinderwagen liegt und jemand meint er muss ungefragt das Kind anfassen.

  5. Hey Steve,

    meine Tochter wird in 4 tagen 4 Monate alt und ich kann dazu nur eins sagen:
    I feel you!
    Ich kann jedes Wort von dir so unterschrieben und muss dir leider sagen, dass wird auch die nächsten Monate nur teilweise besser.

    Durchhalten. Es lohnt sich!

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