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Wie angekündigt, startet heute die Gastbeitragswoche auf meinem Blog. Den Anfang macht Community-Mitglied Sven, der früher als Gamemaster bei Blizzard gearbeitet hat. Ein wirklich interessante Geschichte. Lest unbedingt mal rein!

Meine Geschichte geht über 10 Jahre zurück. Es war die Hochzeit von dir, deiner Fansite und von World of Warcraft selbst. Ich habe damals als Gamemaster bei Blizzard gearbeitet und mit meiner damaligen Freundin in Dublin gelebt. Man muss vorab sagen wir beide kennen uns nicht, haben nie miteinander gesprochen, aber sind dennoch zweimal in Kontakt getreten.

Einmal habe ich dir meinen Diablo 3 Family and Friends Alpha-Account überlassen, damit du als einer der ersten eine coverage über das Spiel machen kannst (wo dich Blizzard allerdings kurz nach deinen Videos FRECHERWEISE aufgefordert hat diese doch zu löschen..tsssss). Und über das andere Mal handelt meine kleine Geschichte, an die du dich wahrscheinlich gar nicht mehr erinnern wirst.

Es war ein verregneter Tag im schönen Dublin und ich saß mit anderen Kollegen des deutschen Support-Teams zusammen und bearbeitete Tickets. Im Übrigen keine wirklich erquickende Arbeit. Die Vorschriften bzw. Regularien wie Tickets zu bearbeiten sind wurden mit der Zeit immer strikter. Konnte man anfangs zumindest noch etwas Individualität und persönliche Note in die Interaktionen einbringen, war es am Ende eigentlich nur noch ein „copy-pasten“ vorgefertigter Textbausteine. In Callcentern konnte man sich zu dieser Zeit vermutlich mehr verwirklichen. 😉

Plötzlich wurden sämtliche Mitarbeiter zusammengetrommelt und verkündet, dass ab jetzt jeder GM eine tägliche Mindestanzahl an Tickets zu bearbeiten habe und diese Daten auch gespeichert und den jeweiligen Teamleitern übermittelt werden. Ein SKANDAL! Ok…zugegeben…aus heutiger Sicht eher Normalität und keiner Rebellion würdig, aber für UNS damals Grund genug uns nach der Arbeit heimlich in irischen Pubs zu treffen und nach Möglichkeiten zu suchen den Aufstand zu proben. Bedauerlicherweise hat die Monotonie des Berufsalltags vermutlich sämtliche Kreativzentren unserer Gehirne verkümmern lassen, weswegen uns keine wirkliche Möglichkeit eingefallen ist unsere Situation zu verbessern. So vergingen Tage und Wochen, bis der Zufall mir in die Karten spielte.

Ich bearbeitete gerade ein Ticket. Hatte einen längeren Austausch mit einem unzufriedenen Spieler und wollte mich grade mit einem meiner höflichsten Textbausteine verabschieden, als eben jener Spieler einfach sein Ticket schloss. Mooooment Mal…ich habe gerade knapp 10 Minuten meiner kostbaren Gamemaster Zeit mit diesem Rüpel-Rudi verschwendet und jetzt schließt der einfach sein Ticket???

Zur Erklärung: Wenn ein Spieler damals ein Ticket im Spiel eröffnet hat, erschien am oberen rechten Rand des Bildschirms ein entsprechendes Symbol. Wenn man auf das Symbol klickte, konnte man sein Ticket auch wieder zurückziehen bzw. löschen. Kontaktierte dich dann ein GM blieb das Ticketsymbol aber zunächst bestehen und verschwand nicht sofort. Erst nach dem Gespräch, wenn der GM das Ticket als bearbeitet markiert hat, verschwand das Symbol auch beim Spieler selbst. Wenn jetzt aber der Spieler nach dem Gespräch das Ticket selbst löschte, war es so als hätte es nie ein Ticket oder ein Gespräch gegeben. Klingt komisch, ist aber so.

Wütend stapfte ich zu meinem Teamleiter, erklärte ihm die Situation und BEHARRTE darauf, dass mir diese 10 Minuten herausragender Supportleistung angerechnet werden und er meinen Ticketcount bitte um +1 ergänzen soll!

Zurück an meinem Platz kam mir dann allerdings eine Idee. Was wäre eigentlich, wenn einfach JEDER Spieler sein Ticket selbstständig schließen würde? Würde dann nicht dieses ganze turbokapitalistische Kartenhaus in sich zusammenfallen? Aber wie kriege ich jetzt jeden Spieler dazu meinen genialen Plan in die Tat umzusetzen? Schließlich ist nicht jeder so voller Hass wie Rüpel-Rudi.

Die Lösung: Leake diese Info einfach anonym an den lieben Stevinho und ergänze noch den Hinweis: „Mal wieder mit dem blöden GM unzufrieden? Lösch einfach vorher das Ticket und würg ihm so richtig einen rein…“.

Lange Rede kurzer Sinn. Steve veröffentlichte meine Geschichte auf wow-szene und die Tage danach brach ein Sturm los. Man kann ja über den ollen Steve sagen was man will, aber wie groß seine Reichweite damals war wurde mir da ziemlich eindrucksvoll vor Augen geführt.

In den darauffolgenden Tagen erreichte kein GM seine Mindestanzahl mehr. Als die Geschichte sich auch unter uns rumgesprochen hat, arbeitete jeder GM in etwa mit der Geschwindigkeit 1 Ticket pro Stunde. Es wurden Dutzende Meetings abgehalten wie man das Problem lösen könnte, bis dann ganz am Ende das komplette Ticketsystem umprogrammiert werden musste.

Vielleicht war es kein Systemumsturz den Steve und ich erreicht haben…letzten Endes nur eine kleine Geschichte, die man unter Freunden zum Besten geben kann….aber mir hat es trotzdem viel Freude bereitet 🙂

Falls Ihr auch einen Beitrag zur Gastbeitragswoche liefern wollt, dann habt Ihr damit noch bis Mittwoch Zeit —> stevinho@justnetwork.eu


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10 KOMMENTARE

  1. Eine schöne Geschichte an die ich mich sogar noch erinnern kann. Das unsere Reaktion damals einen so großen Einfluss auf die Arbeitsweise bedeutete hätte ich jedoch nicht vermutet.
    Schön zu sehen das ein Mann etwas verändern kann.

  2. Großartige Geschichte! Ich konnte mich nur noch Schemenhaft an die damalige Geschichte erinnern, deshalb habe ich im Internet nach dem Bericht gesucht. Scheinbar ist der Artikel leider nicht direkt über archige.org aufrufbar, den Text konnte ich allerdings finden.
    Für Interessierte Copy & Paste ich diesen einfach mal hier in die Kommentarspalte:

    ——————-

    Noch niemals, und ich meine wirklich noch nie, habe ich nach einer News ein so großes Feedback bekommen, wie nach der Gamemaster/Blizzard-Support News. Hunderte Spieler schickten mir ihre Fälle und ihren persönlichen GM-Frust. Es scheint so, als wäre die tatsächliche Situation noch weitaus schlimmer, als von mir angenommen.

    Besonders interessant war hierbei eine Mail, die sehr viel Insiderwissen zum Thema „europäische Blizzard Gamemaster“ enthielt. Ich möchte Euch diese Mail nicht vorenthalten:

    „Blizzard hatte bis vor kurzem einen Großteil ihres GM Supports outgesourced an eine Firma namens Client Logic in Dublin/Irland. Viele denken, dass die GM-Arbeit von Paris aus läuft, was absoluter Schwachsinn ist. Alle GM`s die im letzten Jahr eingestellt wurden sind direkt nach Irland gekommen und haben mit Paris oder sogar Blizzard nichts zu tun gehabt. Client Logic hat nicht nur den support für die Deutsche-Community gemanaged, sondern ebenfalls für komplett Europa. Die neuen „GM`s“ wurden ca. 2 Wochen eingearbeitet und mit Beispieltickets oder Rollenspielen (wirst du von deinem Unterricht kennenJ ) konfrontiert. Ein wirkliches intensives Training ala „Wie hat man mit einem Kunden umzugehen?“ oder dergleichen hat es nie gegeben und wird es auch nicht geben. Das Ticketsystem und die Blizzard-Eigene-Software wird erklärt und die meißten neuen GM`s zum Spielen verdonnert. Zum Spielen verdonnert? Japp…denn ein beachtlicher Anteil, der neuen GM`s hat WoW lediglich vom Namen gehört und keinen direkten Bezug zum Spiel. Nach ca. 2 Wochen werden die GM`s in Teams aufgeteilt und direkt auf den Kunden „losgelassen“. Es ähnelt tatsächlich einem Call-Center, denn jedes Team hat einen Teamcoach und einen PS (Product-Specialist), der für Fragen zuständig ist, die vom GM nicht beantwortet oder gelöst werden können (meisstens ist es allerdings so, dass der Teamcoach Videos im Internet schaut und der PS ihm entweder dabei zusieht, oder selbst mit Bildzeitung lesen beschäftigt ist). Ein normaler GM muss pro Tag eine Ticketanzahl von 300-400 schaffen. Das ist Vorgabe und wer diese nicht schafft hat über kurz oder lang ein Problem. Makros können sich die GM`s mit der Blizzardsoftware selbst zusammenstellen und dienen lediglich der schnellen Abwicklung von Tickets.

    Ach da fällt mir ein…wenn du einen GM wirklich ärgern willst kannst du folgendes machen: Hast du ein neues GM-Ticket geschrieben, erscheint an deiner oberen hälfte des Monitors das Icon „Offenes Ticket“ (wirst du bestimmt schon gesehen haben). Antwortet dir ein GM auf eines deiner Tickets bleibt das Symbol solange da, bis der GM das Gespräch mit dir abgeschlossen hat. Sollte sich mal wieder die Inkompetenz eines GM`s im Gesprächsverlauf herauskristallisiert haben, klicke einfach auf das Symbol oben und schließe das Ticket. Das ist für den GM ziemlich ärgerlich, da er nun das Ticket nicht angerechnet bekommt und das Gespräch mit dir vollkommen umsonst war.

    Aber weiter im Text: Seit ca. 2 Monaten hat Client Logic den Support abgegeben, und Blizzard hat ein neues Office in Cork/Irland eröffnet, wo auch der Großteil von Paris mit hingezogen ist. In Paris sitzt ein kümmerlicher Rest und Cork ist mittlerweile die eigentliche Schaltzentrale. Ca. 90% der Client Logic GM`s sind allerdings übernommen worden und von Dublin nach Cork gezogen. An der Situation hat sich absolut nicht geändert. Die Abläufe sind die Selben, nur die letzten Monate waren etwas chaotisch, da der Umzug ziemlich viele Ressourcen in Anspruch genommen hat. Du glaubst wirklich an kompetente, gut ausgebildete Fachkräfte, für die Kundensupport wichtig ist und die sich auch nur im Entferntesten für die Kunden interessieren ? Bei Blizzard nicht. Im Gegenteil Morgens ist es so eine Art „Ritual“ ins Kundendienst-Forum zu gehen, mit seinem privat Account einzuloggen und sich über Spieler lustig zu machen, die auch nur im Entferntesten Kritik an Blizzard, dem Spiel oder dem Support äußern. So wird die „Scheinwelt“ aufrechterhalten, dass es ja auch dutzende zufriedener Kunden gibt und man sich selbst gefälligst mal zusammenreißen soll, denn Blizzard bietet den ‚Besten MMO-Support der Welt‘.“

    An dieser Stelle ein großes Dankeschön an den Einsender dieser Informationen!

  3. klasse geschichte! ich glaube daran, haha auch kleine dinge können veränderungen bewirken und super toll, dass du nicht einfach alles hinnimmst!

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