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Acht Minuten lang ist ein Schüler im Sportunterricht bewusstlos – und danach schwer behindert. Er zieht bis vor den Bundesgerichtshof. Hätte die Lehrerin mehr tun müssen, als nur den Notarzt zu rufen? (Via)

Der Bundesgerichtshof sieht das so und hat das auch in einem Urteil am Donnerstag bekräftigt: Lehrer sind im Sportunterricht verpflichtet, Erste Hilfe zu leisten. Sportlehrer hätten die Amtspflicht, etwa erforderliche und zumutbare Erste-Hilfe-Maßnahmen rechtzeitig und in ordnungsgemäßer Weise durchzuführen, teilten die Richter in Karlsruhe mit.

Geklagt hatte ein Junge, der im Sportunterricht beim Aufwärmtraining bewusstlos zusammengesackt war. Die Lehrerin rief zwar sofort den Notarzt, leistet aber keine erste Hilfe bzw. Reanimation. Acht Minuten lang war der Schüler bewusstlos, bevor der Rettungswagen kam. Der Schüler erlitt irreversible Hirnschäden wegen mangelnder Sauerstoffversorgung. Er ist zu 100 Prozent schwerbehindert und muss rund um die Uhr betreut werden.

Ist natürlich eine schwierige Situation für einen Lehrer. Da ich schon in einer ähnlichen Situation war (glücklicherweise nicht sooo krass), kann ich das absolut nachempfinden: Man ist natürlich selbst total verzweifelt und hat mega Angst, etwas Falsches oder irgendwas „kaputt“zumachen. Fakt ist allerdings auch, dass man als (Sport)Lehrer regelmäßig an Erste-Hilfe-Kursen teilnehmen muss und genau für solche Situationen geschult wird.

Natürlich kostet es einen eine Menge Überwindung, allerdings finde ich es absolut angemessen, selbst Hand anzulegen, wenn ich merke, dass einer meiner Schüler nicht mehr atmet. Wie gesagt: Genau diese Situation üben wir regelmäßig in Erste-Hilfe-Kursen. Das muss man einfach können. Wir als (Sport)Lehrer haben nun mal die Verantwortung für unsere Schüler. Und es reicht in so einem Extremfall leider selten aus, einfach nur den Rettungswagen zu rufen. Bei uns in Lauenbrück hat dieser immer sehr viel mehr als acht Minuten gebraucht. In dem genannten Beispiel wäre der Schüler dann vermutlich verstorben. Bevor das passiert, versuche ich doch alles, was ich kann, dies irgendwie zu verhindern. Was kann ich denn Schlimmeres anrichten, als meinem Schüler beim Sterben zuzuschauen? Und wenn ich selbst nicht den Mumm habe, muss ich zumindest einen Kollegen rufen, der hier übernimmt.

Auch wenn es eine schwierige und auch ethische Frage ist, bin ich hier voll beim Gericht und dem Schüler: Gar nichts tun und nur den Rettungswagen rufen, kann und darf in so einem Extremfall nicht die Lösung sein. Meine Meinung!


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15 KOMMENTARE

  1. Vorallem als SPORTLEHRER, der REGELMÄSSIG geschult wird, ja.

    Als normaler Mensch? Eigentlich auch ein Unding einvach daneben zu stehen, oder?

  2. Wie Du vielleicht weißt, bin ich Mitglied einer Freiwilligen Feuerwehr. Wir machen freiwillige jedes Jahr einen Auffrischungs Erste Hilfe Kurs. Ich bin grundsätzlich dafür, dass Schüler in der Schule jedes Jahr einen Erste Hilfe Kurs machen. Ich bin auch dafür, dass der für den Führerschein obligatorische Erste Hilfe Kurs regelmäßig wiederholt werden muss. Die Überlebenschancen von verunglückten Personen stehen und fallen mit der Ersten Hilfe!

  3. In meinen Augen ist es da egal ob Lehrer, Fußballer oder Musiker.
    Jeder sollte wissen was in solch einem Fall zu tun ist.

  4. ähm… wenn die gute eine führwrschein hat, dann auch gleich abnehmen… lehrer hin oder her… so eine situation als erwachsener so zu handhaben geht gar nicht. im worst case den notruf ausfragen und anleiten lassen.
    er ist ja „nur“ zusammen gesackt… nicht in 2 teile zerissen worden.

    ja, hatte am berg und auf langläufigeren radwegen leider solche fälle schon versorgt und man wäre selber auch dankbar wenn einem einer zu hilfe kommen würde.

    • Nur mal so am Rande: wir reden hier über einen Staatshaftungsfall. Der Lehrer haftet nicht persönlich für die Folgen, sondern das Land, bei welchem er angestellt oder verbeamtet ist. Das steht alles in Artikel 34 GG.

      Der Lehrer steht nicht mal persönlich vor Gericht, allenfalls als Zeuge.

      • Kinki was mich interessiert wäre was wäre wenn der Lehrer geholfen hätte aber dabei irgendwas falsch gelaufen wäre, was dann zum Schaden geführt hätte.

        Würde dann der Lehre vor Gericht stehen oder auch der Staat?

  5. Das muss man sich mal vorstellen: Der Junge liegt da auf dem Boden, atmet nicht mehr, und alle stehen nur rum und warten dass der Arzt kommt?

    • Es gibt ja keine Information über das Alter. Es kann sich um eine Grundschule handeln, zwar steht dort der Schüler klagt, jedoch kann dies ja ebenfalls von den Eltern ausgehen

      • Wenn der Junge jetzt einen Gehirnschaden hat, dann sind garantiert seine Eltern federführend. Selbst wenn er inzwischen erwachsen ist, werden im Zweifel seine Eltern seine Betreuer sein und damit u. a. die rechtlichen Dinge für ihn regeln.

  6. Ehrlich gesagt dachte ich, dass das schon immer der Fall ist.
    Ist man nicht sowieso grundsätzlich verpflichtet Erste Hilfe zu leisten? (Wo ist Kinki, wenn man ihn braucht)
    Und da man als Sportlehrer nunmal eine hervorgehobene Rolle spielt, sollte man auch der jenige sein, der Erste Hilfe leistet.

    • Bin ja schon da …! Grundsätzlich besteht für jedermann die Pflicht zur Leistung von Erster Hilfe, es sei denn, jemand qualifizierteres ist da, z. B. eben der Rettungsdienst. Für den normalen Ersthelfer gilt dabei die Haftungsprivilegierung des § 680 BGB, das bedeutet, dass der Ersthelfer nur dann in Haftung genommen werden kann, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig Scheiße gebaut hat. Und die grobe Fahrlässigkeit ist eine hohe Hürde. Für den Lehrer mit Erster-Hilfe-Ausbildung nahm man bei seiner Untätigkeit Fahrlässigkeit, jedoch keine grobe Fahrlässigkeit an.

      Auf der anderen Seite gibt es Berufsgruppen, deren Kernpflicht die Hilfeleistung ist, z. B. Rettungsschwimmer oder Mitarbeiter bei Hausnotrufen. Für die gilt der Schutzzweck des § 680 BGB nicht, weil sie in der konkreten Hilfesituation ja gerade nicht überfordert sein dürfen, es ist ihr verdammter Job zu helfen. Diese Berufsgruppen haften also auch bei einfacher Fahrlässigkeit.

      Die rechtliche Frage ist, ob der Lehrer dem Haftungsprivileg des § 680 BGB unterfällt. Ist er „Passant“ oder ist er „Rettungsschwimmer“? Mit einigen argumentativen Schlangenlinien hat sich der BGH für den Rettungsschwimmer entschieden. Und zwar mit dem letztlichen Argument, dass gerade Sportunterricht eine gewisse Allgemeingefahr für die Schüler darstellt und gerade deshalb der Sportlehrer auch eine Erste-Hilfe-Ausbildung hat.

      Meine praktische Frage an Steve wäre jetzt folgende: Haben nur Sportlehrer die Erste-Hilfe-Ausbildung oder jeder Lehrer? Wenn es nämlich nur Sportlehrer trifft, wäre z. B. der Chemielehrer raus aus der Nummer, wenn der Schüler zu tief am Reagenzglas geschnüffelt hat. Gleichfalls wäre der VERTRETUNGS-Sportlehrer, der sonst nur Deutsch und Geographie unterrichtet, ebenfalls aus der leicht fahrlässigen Haftung raus, wenn im Sportunterricht was passiert.

      • Soweit ich weiß (Halbwissen) ist es nicht zulässig, Sport zu vertreten als fachfremder Lehrer. Weil du einen Sportschein (oder wie das Ding heißt) brauchst, den die meisten nicht-Sportwissenschaftler ja nicht haben. Dasselbe gilt natürlich nochmal gesondert für Schwimmlehrer.

      • Als Betreuer von Chemie-Praktika musste man ebenfalls regelmäßig einen Ersthelfer-Kurs besuchen um hier Erste-Hilfe leisten zu können. Neben Verbrennungen und Glasschnitten eben auch die chemie-typischen Probleme (Verätzung, Vergiftung).
        Etwas schade fand ich, dass die Johanniter (waren das glaube ich) trotzdem nur ihr 0815-Autofahrer-ErsteHilfe-Programm gelehrt haben und sowas wie Motorrad-Helm ist halt fürs Labor nicht relevant – viele spezifische Labor-Fragen konnten dann leider auch nicht beantwortet werden ^^

  7. Kann ich nur zustimmen. Sporthallen oder gar Sportplätze sind nunmal meistens etwas abseits – vorallem abseits der ErsteHilfe-Möglichkeiten einer Schule (meine alte Schule hatte einen eigene ErsteHilfe-„AG“, weiß nicht wie Common sowas ist?). Als Schüler möchte ich mich dann doch eigentlich darauf verlassen, dass wenn mir etwas passiert, mein Lehrer a)wenigstens irgendwie helfen kann und b)auch die Eier hat, es zutun.
    Wenn dann was schiefläuft…well, heutzutage werden die Eltern wohl in 90% der Fälle klagen, aber ich persönlich hab in so einer Situation lieber jemand, der nur die Hälfte richtig macht, als jemand, der gar nichts tut.

  8. Seh ich genau so, selbst wenn man unter der Nervosität was falsch machen sollte, bei der ersten Hilfe, ist es selbst dann noch besser als nichts zu tun. Geht gar nicht, einfach nur den Notarzt zu rufen als Lehrer.

    Da fällt mir ein Beispiel aus der Schulzeit ein. Ein Mitschüler ist im Sportunterricht auf den Rücken gefallen und kriegte keine Luft mehr, ich bin darauf in Sekretariat, damit ein RTW gerufen werden kann. Als ich wieder in Sporthalle war, hab ich Anschiss von meiner Lehrerin bekommen. Ich war wohl zu schnell und voreilig, weil kaum dass ich weg war, ging es den Mitschüler langsam besser.

    Sowas geht 0

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