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Es gibt ein neues und wichtiges Urteil des Bundesgerichtshofs. Dieses Urteil wird direkte Auswirkungen z. B. auf Filesharing-Abmahnungen haben. Vor allem wird es Massenabmahnern überhaupt nicht gefallen. (Via)

Dazu schreibt uns Kinki in seiner Funktion als Jurist folgende interessante Einschätzung:

„Bislang wurde jede einzelne Abmahnung als separate Angelegenheit betrachtet und abgerechnet. Das führte dazu, dass jeder Abgemahnte mit relativ hohen Abmahnkosten konfrontiert war. Als Beispiel: Bei einem angenommenen Streitwert von 10.000 € für einen Kinofilm entstanden in jedem einzelnen Fall Abmahnkosten in Höhe von 745,40 €.

Der BGH hat jetzt gesagt, dass solche praktisch völlig identischen Abmahnungen eine gemeinsame Angelegenheit bilden. Wenn also eine Kanzlei für 10 verschiedene Filme jeweils 100 Abmahnungen verschickt, die sich nur durch Adressat und Name des Films unterscheiden, kann sie nicht mehr 1.000x die vollen Gebühren abrechnen. Vielmehr liegt dann eine einzelne Angelegenheit mit einem beeindruckenden Streitwert von 10 Millionen Euro vor. Allerdings teilen sich die Anwaltskosten dann eben auch auf 1.000 Einzelabmahnungen auf. Und damit kostet die einzelne Abmahnung plötzlich nur noch erträgliche 41,25 €.



Ich gehe davon aus, dass die Zahlen bei den großen Abmahnkanzleien weit höher sind. Ich gehe von Dutzenden Werken aus, für die jeweils tausende Abmahnungen ausgesprochen wurden. Ich habs nicht nachgerechnet, aber das könnte die Einzelabmahnung sogar in den einstelligen Bereich herunterdrücken.

Nach meinem Verständnis gilt das ganze übrigens auch für alte Abmahnungen. Es hat sich ja nicht das Gebührenrecht geändert, sondern der BGH hat nur klargestellt, wie es anzuwenden ist. Solche Forderungen verjähren erst nach 10 Jahren, und so gibt es noch haufenweise schwebende Altverfahren. Aber die Chancen, dass es richtig Geld kostet, sind mit diesem Urteil deutlich kleiner geworden.“


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20 KOMMENTARE

  1. Ich bin vor 7,5 Jahren abgemahnt worden, hab damals einen Teil gezahlt und dann war Ruhe. Bis heute. jetzt soll ich für den einen der damals 2 Fälle noch 500 Euro zahlen. Ich hab mit meinem damaligen Anwalt telefoniert. Der sagt, dass das BGH Urteil nur die Anwaltskosten betrifft und deshalb die Forderung an sich noch besteht und durch das Urteil die Chance verklagt zu werden erhöht wurde, da die Kanzlei ( in dem Fall Waldorf und Frommer) nun ja wieder Geld braucht…. Ich bin gerade voll durch den Wind, da ich dachte, dass die Scheisse längst verjährt und damit vom Tisch sei…

  2. Hat jemand die Fundstelle zum Urteil, oder wurde es noch nicht veröffentlicht? Bin weder bei Google noch bei juris oder beck fündig geworden.

  3. Man kann sich also seinen Lebensunterhalt nicht mehr dadurch finanzieren, per automatisiertem Abmahnwisch ohne jegliche Eigenleistung massenhaft Geld einzustreichen für das Werk und Schaffen anderer Leute? Das ja frech.

    • Man muss aber dazu sagen, dass der Gesetzgeber seit mindestens 10 Jahren versagt hat, diese Abmahnpraxis zu unterbinden, und die Gerichte, inklusive BGH, haben tatkräftig mitgeholfen.

      Was Deutschland weltweit speziell macht, ist die Ansicht, dass du mir mit einer Abmahnung etwas Gutes tust! Die Argumentation: Anstatt mich gleich zu verklagen, weist du mich zuerstmal mit der Abmahnung auf mein Fehlverhalten hin und gibst mir Gelegenheit zur Abhilfe. Damit handelst du in meinem Interesse, und deshalb muss ich dir die Kosten dafür erstatten! Ja, genau deshalb sind Abmahnkosten überhaupt nur vom Abgemahnten zu tragen!

      Und als der Gesetzgeber dann versucht hat, die Abmahnkosten in „einfachen Fällen“ auf 150 € zu begrenzen, kamen die Gerichte und haben das Filesharing einfach zum Verstoß in gewerblichem Ausmaß erklärt: Schon war der „einfache“ Fall vom Tisch.

      Vor zwei Jahren wurde dann wenigstens die Haftung des Betreibers eines offenen W-LAN herausgenommen. Das hat schonmal geholfen.

      Aber dieses Urteil jetzt könnte die Abmahnmafia wirklich schwer zu schlucken haben.

      • Im Sinne der heutigen inflationären Verwendung der Worte „Rassismus“, „Nazi“ usw. kann ich diese Aussagen nur noch als Bestätigung meiner Vernunft empfinden.

        Zum ersten deshalb: Danke!

        Zum zweiten empfinde ich aber eine wachsende Besorgnis darüber, dass man die Gräueltaten des Dritten Reichs deshalb mit Worten fast nicht mehr angemessen würdigen kann. Eben weil die o. g. Begriffe ihre ursprüngliche Bedeutung völlig verloren haben. Im Sinne eines „das darf es nie wieder geben“ ist das kontraproduktiv. Und zwar für die gesamte Gesellschaft, nicht nur für diejenigen, die ihr verzweifelt zu beleidigen versucht.

        • Den Nazi hast du jetzt aber ganz allein dazu gepackt. 😉
          Nilom unterstellt dir „nur“ Rassismus und Niveaulosigkeit. Da ist schon noch ein Stück bis zum 3. Reich.

          • Ja, der Nazi ist vorsorglich dabei; die Buzzwords der Linken sind da eh austauschbar. Ich muss aber präzisieren: Würde mich mein direktes Umfeld derart titulieren, würde ich wohl drüber nachdenken. Mal am Beispiel meines Vaters (40 Jahre Richter, zeitlebens FDP-Wähler): Der hat mich in der Diskussion schon mitunter zurückgepfiffen, wenn ich z. B. über Artikel 20 IV GG nachgedacht habe oder philosophiert habe, dass wir so langsam mal einen Lee Harvey Oswald bräuchten. Und in den Punkten hat er auch Recht gehabt, sowas schießt einfach übers Ziel hinaus. Aber sei es Euro, seien es offene Grenzen, sei es Klima, er stimmt mir im wesentlichen zu. Die Bestätigung ziehe ich dabei nicht so sehr aus der Verwandtschaft, sondern aus seinem Lebenslauf. Der hat eben die Welt wirklich kennengelernt, nicht nur aus der Perspektive eines Hör- oder Plenarsaals.

            Weitere Beispiele wären viele meiner Anwaltskollegen, aber das würde jetzt zu weit führen.

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