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Ich war in dieser Woche zum ersten Mal mit meinem elf Monate alten Sohn Leo im Alstertal-Einkaufszentrum in Hamburg. Meine Frau war beim Arzt um die Ecke und ich musste daher einige Stunden auf meinen Sohn „aufpassen“. Es war für mich ein unglaublich spannender Nachmittag. Klingt jetzt „auf den ersten Blick“ wahrscheinlich etwas langweilig für Euch, aber Ihr solltet unbedingt weiterlesen.

Plötzlich mag Dich Jeder und will mit Dir reden

Gerade wenn ich einkaufen gehe, bin ich eigentlich kein Typ, der Bock hat, lange Gespräche zu führen oder sich groß auf andere Menschen einzulassen. Wenn Du mit einem Kinderwagen unterwegs bist, verhältst Du Dich komplett anders, wirst aber auch von fremden Menschen anders wahrgenommen. Unglaublich spannend, was da passiert. Es gibt wohl keine bessere Möglichkeit, neue Menschen kennenzulernen oder mit Fremden ins Gespräch zu kommen. Wäre ich ein Alleinerziehender Vater, wäre dies wohl auch eine gute Möglichkeit, schnell neue Frauen kennenzulernen – denn jede Frau (jeden Alters), die an Dir vorbeigeht, lächelt Dich an.

Leo war den gesamten Einkaufsbummel über ein wahrer Engel und hat jeden im Vorbeigehen angelächelt. Unglaublich zu beobachten, wie ein kleines, süßes, lächelndes Baby jegliches Eis bricht. Ich habe den ganzen Tag über mit irgendwelchen fremden Menschen gequatscht: Ich habe Tipps von Müttern bekommen, ich habe Komplimente von hübschen Damen erhalten („So nen tollen und engagierten Vater wünscht sich doch jede Frau“) und eine Menge „Lebensgeschichten“ gehört. Als ich mich auf eine Bank setzte, um ein leckeres Fischbrötchen zu essen, saß eine ältere Frau neben mir, die mir (angetrieben von einem Leo-Lächeln) erzählte, dass sie selbst drei Kinder hätte und heilfroh war, dass wenigstens ihr drittes Kind ein Junge geworden sei – Mädchen seien nämlich immer Zicken.



Ähm, und wie komme ich jetzt da hoch?

„Wenn ich schon mal im Alstertal bin, schaue ich doch auch mal bei Hollister vorbei“, dachte ich mir. „Aber Moment mal, Hollister ist im zweiten Stock, wie komme ich denn jetzt da hoch?“ Eine Rolltreppe ist nun mal viel zu schmal für einen großen Kinderwagen. Denkt Ihr, ich hätte mich jemals gefragt, wo im Alstertal die Aufzüge sind? Also fragte ich direkt an der Information nach. Eine nette Dame sagte mir, dass der große gläserne Aufzug leider defekt sei und ich einfach mal schauen müsse. Es gäbe ja noch die Aufzüge für das Parkhaus. Nach ungefähr fünfzehn Minuten Fahrstuhl-Suche machte ich das Schlaueste, was man tun kann, wenn man ein „hilfloser“ Vater ist: Ich fragte einfach eine nette Mutter mit Kinderwagen. „Laufen Sie einfach hinter mir her“, lachte mir eine nette Frau entgegen. „Man muss sich halt nur zu helfen wissen“, dachte ich zufrieden vor mich hin und trabte gut gelaunt der Frau hinterher.

Aber mal ernsthaft: Es ist schon spannend, dass man sich als kinderloser, gesunder, junger Mann nie über sowas Gedanken macht. Wäre mir vor zwei Jahren jemand mit „Das Alstertal ist nicht barrierefrei und die Fahrstühle sind teilweise schwer zu finden“ gekommen, hätte ich genervt den Kopf geschüttelt. Wie muss es da erst Rollstuhlfahrern gehen?

Interessant ist auch, dass Hollister aus Stylegründen einfach mal zwei Treppenstufen vor ihren Laden gebaut hat – voll cool so im Asia-Look. Wenn man erstmal drin ist, gehen die zwei Stufen auch direkt wieder runter. Hätte man sich im Grunde also sparen können. Als Kinderwagen- oder Rollstuhlfahrer fühlt man sich dadurch schon ein wenig unwillkommen. War mir natürlich egal. Es war zum Glück eh ziemlich leer, weshalb ich den Kinderwagen einfach hoch- bzw. runtergezogen habe. Leo war cool damit und hat meine anzuprobieren Pullis voller Stolz „festgehalten“.

Ey Krömer, würdest Du es wieder machen?

Ja, würde ich. Es war ein toller Nachmittag und eine spannende Erfahrung. Man lernt ja auch eine Menge und hat beim nächsten Mal mehr Routine. Positiv fand ich nämlich zum Beispiel, dass es neben den Toiletten teilweise geräumige Wickelräume für Babys gibt. Für die Mütter unter Euch ist das wahrscheinlich selbstverständlich – für mich als mehr oder weniger frischgebackenen Vater war das pure Innovation. Ich habe Leo darin gewickelt, gefüttert und seinen Winter-Overall an- und ausgezogen (wäre sonst zu warm im Einkaufszentrum für ihn gewesen).

Man muss aber auch sagen, dass Leo wirklich gute Laune hatte. Dadurch konnte ich den Nachmittag richtig genießen. Mit einem schreienden, schlecht gelaunten Baby sieht die ganze Sache wahrscheinlich schon wieder anders aus. Ich habe dadurch nicht nur viele nette Gespräche geführt, sondern konnte sogar ein bisschen bummeln und einkaufen – eine schöne Erfahrung also für den alten Krömer.




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8 KOMMENTARE

  1. Doch, es gibt mindestens eine ähnlich gute Möglichkeit, Menschen kennenzulernen: Ein Hund. Am besten mindestens größer als ein Dackel.
    Bekommst zwar ein paar „K*ck-Kommentare“ i.S. „kackendes Mistvieh“ (obwohl ich immer alles einsammel) aber solche Volldeppen kennst du ja sicher auch (schreiender Vollidiot – so hat mal jemand meinen Neffen genannt, als wir unterwegs waren. Warum man so über ein damals 10 Monate altes Kind spricht, man weiß es nicht)

    Davon ab bekommt man – gerade von Damen – oft ein „ui wie süß“…Mein Fazit daher: Labrador-Welpe = Baby. Baby > älterer Hund. Beides aber top um Gespräche zu starten.

    Das mit den „wie komme ich hoch“ kenne ich aber vom Hund her. Rolltreppen mag er nicht, also mag ich Alternativen. Gibt es aber oft nicht. Daher – auch wenn es eventuell doof aussieht – trage ich ihn oft irgendwo hoch. Kann das also nachvollziehen. War mir vor dem Hund auch nicht sooo bewusst.

  2. Hey Steve, toller Bericht. Man sieht die Welt ganz anders und manchmal wieder durch die Augen des Kindes. Genieße die Zeit! Meine große Tochter ist jetzt 5 Jahre alt und ich will keine Tag missen. Und weil es einfach toll ist, ist meine kleine Tochter ist jetzt 9 Monate alt. Vielleicht trifft man sich mal!

  3. Also so einen Aufriss wegen dem Fahrstuhl würde ich nicht machen.
    Wenn der Keiner in der Nähe ist, tut es auch die Rolltreppe.
    Die müssten eigentlich breit genug sein, bisher war es zumindest mit unserem Zwillingskinderwagen auch nie ein Problem.

  4. Hallo Steve,
    Ich habe mit meinem zweijährigen Sohn ähnliche Erfahrungen gemacht wie du. Einerseits schmeichelt es einem schon etwas, wenn man von fremden Menschen ein Kompliment bekommt, dass man ein toller Vater ist. Andererseits liegt scheinbar die Messlatte bei einigen Menschen sehr niedrig, wenn es um Väter geht. Kaum ist man mit dem Kind alleine Einkaufen ist man plötzlich ein sehr rücksichtsvoller und engagierter Vater.
    Bei Müttern werden diese Dinge teilweise als selbstverständlich angesehen.
    Ich finde es schade, dass Väter, die sich um ihr Kind kümmern, anscheinend immer noch als Einhorn angesehen werden.
    Liebe Grüße Fabian

  5. Wirklich schön, solche Kolumnen lese ich von dir gerne, wenn du so die „Sonnenseiten“ des Vaterdaseins beschreibst.

    Kinder sind einfach, ganz unbewusst, so ein Aushängeschild auf dem quasi steht „Irgendwer fand den Typen so toll, dass die nun ein Kind haben“, das macht ganz automatisch attraktiv auf gewisse Weise.

    Was die Barrierefreiheit angeht, da gabs ein cooles Video von FollowMeReports ( https://www.youtube.com/watch?v=AcgfdCyd20Q ). Es ist schon erschreckend, an wie viele Orte man als Rollstuhlfahrer nicht kommen kann und wie krass man seinen ganzen Tagesablauf und jede Reise im Vorfeld recherchieren muss, weil einfach jede „3cm-Kante“ sonst das Ende der Reise bedeuten kann. Das ist auch so eines der vielen Themen, für die man sich eigentlich einsetzen sollte, solange man selbst nicht davon betroffen ist – denn danach ist das meistens schwieriger.

  6. „Plötzlich mag Dich Jeder und will mit Dir reden“

    100% agree. Genau die selben Erfahrungen habe ich auch gemacht. Irgendwas muss so ein Kind an sich haben, dass man als Elternteil auch anders gesehen wird 😀
    Ging auch soweit, dass man für das Kind auch überall etwas umsonst bekam. Beim Bäcker nen Brötchen, An der Fleischtheke nen Stück Wurst etc.

  7. Hallo Steve,
    ich hab mich schon lang gefragt wann mal wieder ein Vaterblog eintrag von dir kommt. Ich freu mich immer total drauf weil es meist sehr ähnliche Erfahrungen sind wie ich sie selbst gerade mache.

    Ich selbst war vor ein paar Wochen auf einem Kinderbasar. Eher zufällig, da auch ich auf meinen Sohn (Leonhard auch ein Leo 😉 14 Monate) aufpassen musste und mir dachte ach spazieren klingt gut ist das Kind immer so herrlich entspannt. Und etliche Mütter auf diesem Basar haben mich direkt angesprochen gefragt ob sie mir helfen können, was ich den für den kleinen Engel brauch und und und. Bei den Müttern, bei denen ich dann einige Sachen sogar gekauft habe habe ich sogar immer noch was geschenkt bekommen hier noch ein Spielzeugauto da noch ein Strumpfhose.

    Aber auch so kann ich deine Erfahrung total teilen überall kommt man mit Menschen ins Gespräch und wenn man mal unbekümmert vor einer nach Innen öffnenden Tür steht (was ja manchmal mit Kinderwagen echt frustrierend sein kann) oder vor einem kleinen Treppenabsatz steht ist häufig je man so nett eben kurz anzupacken oder eben einem die Tür aufzuhalten.

    Aber dir fallen auch Probleme auf wie z.B. das Wickeltische in etlichen Restaurants und Läden gerne mal fehlen oder in der Damentoilette zu finden sind. Ich weiß ja nicht wie es dir geht aber getriggert durch die metoo Debatte und das sich dauernd jemand belästigt oder sonst was fühlt/fühlen kann sträube ich mich regelmäßig davor zum Wickeln diese Toiletten aufzusuchen. In denen Fällen in denen ich es doch getan habe hatte ich nie Probleme aber immer ein sehr ungutes Gefühl in der Magengegend so das ich immer noch eher versuche eine andere alternative zu finden als im Damenklo zu wickeln. Kennst du das auch?

    So far ich freue mich schon auf weitere Papa Krömer Beiträg und wünsche dir und deiner ganzen Familie sehr viel Gesundheit und Kraft für die Winterzeit, weil alles andere kommt von selbst und wenn die kleinen Zwerge erstmal alt genug sind sich die ersten Krankheiten einzufangen geht eh wieder alles drunter und drüber ^_^

    Grüße Sintharion aka Micha

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