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In einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hatte der SPD-Politiker kürzlich bemängelt, dass Debatten über Rassismus, Postkolonialismus und Gender-Themen heftiger und aggressiver würden, weil immer häufiger nicht inhaltliche Argumente, sondern die Identität der Gegner den Ausschlag gebe. (Via)

Ich möchte aufstehen und klatschen. Toll, dass endlich mal ein Politiker (fernab von bescheuertem Rechtspopulismus und „immer dagegen“ sein) mal die Eier hat, die Sache klar und deutlich anzusprechen und auch kritisch zu sein. Was er sagt, deckt sich zu 100% mit meiner Meinung:

Mit Blick unter anderem auf die Debatte um die Umbenennung der Mohrenstraße in Berlin, deren Namen als rassistisch kritisiert wird, schrieb Thierse: „Die Reinigung und Liquidation von Geschichte war bisher Sache von Diktatoren, autoritären Regimen, religiös-weltanschaulichen Fanatikern.“

Der SJW-Twitter-Mob tobt natürlich – was für eine Überraschung. Das übliche Gelaber: „Verbitterter, alter, privilegierter, weißer Mann“ – immer dieselbe Schallplatte halt. Wer den Gender- und Rassismus-Kreuzzug nicht blind mitgeht, ist natürlich der Feind und direkt rechts. Toleranz und Respekt haben nur ausgesuchte Gruppen verdient.

Auch zum Gender-Wahn hat Thierse eine Meinung:

„Wenn Hochschullehrer sich zaghaft und unsicher erkundigen müssen, wie ihre Studierenden angeredet werden möchten, ob mit ‚Frau‘ oder ‚Herr‘ oder ‚Mensch‘, mit ‚er‘ oder ’sie‘ oder ‚es‘, dann ist das keine Harmlosigkeit mehr.“

Es geht Thierse hierbei nicht nur um die Inhalte, sondern auch um die „Radikalisierungen des Diskurses“, die „das Leben von Gemeinsamkeiten erschweren“. Und das kann ich als Blogbetreiber, der tagtäglich von Rechten und Linken in den Kommentaren beschimpft und beleidigt wird, genauso unterschreiben. Wenn man nicht bereit ist, den jeweiligen Kreuzzug uneingeschränkt mitzugehen, ist man direkt jeweils alt-right oder linksgrünversifft.

Nachdem Thierse für seine Aussagen nicht nur in sozialen Medien kritisiert wurde („Werft ihn aus der Partei“ (es gibt keine Cancel Culture!)) sondern auch von Saskia Esken (seiner eigenen Parteicheffin), hat er seinen Austritt aus der SPD angeboten. Tja, so läuft das mittlerweile in Deutschland…




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21 KOMMENTARE

  1. Ich schmettere gar nichts ab. Gründe wofür hat er denn geliefert? Sein Post besteht nur aus Schuldzuweisungen und nichtssagenden Totschlagargumenten („moralisch wäre es aber, selbst das letzte Hemd zu geben[…]“). Er drückt sich ja sehr gekonnt aus, nur ist hier 0 Bereitschaft zur Diskussion zu erkennen. Eben das, was man den anderen vorwirft. Darum geht es doch hier. Nicht, welche Seite radikaler ist oder mit Twitter besser umgehen kann, sondern um die Bereitschaft, zu diskutieren.

  2. Ja, die Mohrenstraße soll umbenannt werden. Punkt.
    Ansonsten stimme ich zu, das der Diskurs zu schnell zu emotional wird.
    Wir brauchen Veränderungen und Inklusion.

    Interessanterweise fragt niemand, warum in einer Zeit der sozialen Unsicherheit und seelenlosen Großkonzernen gerade so auf Moral gelocht wird

  3. Erst mal Respekt an den Wolfgang
    Und Steve sowas in der Öffentlichkeit zu unterstützen.

    Ich verfolge seit geraumer Zeit Bill Maher ’s Show in dem er die cancle culture thematisiert und zeigt was eigentlich für ein Wahnsinn dahinter steckt.

    Es schafft ein Klima sich dauernd für irgendwas schuldig fühlen zu müssen. Und seine Meinung zu verstecken zu müssen.

    Und diese öffentlichen medialen Hinrichtungen die wir Tag täglich erleben Und ich glaube, da kann sich auch jeder hier in diesem Blog an der eigenen Nase packen, (keine Angst, ich auch) zu oft den Kopf von jemanden zu fordern, weil er gerade nicht die eigene Meinung teilt.

  4. 100% meine Meinung.
    Ist ein riesiges Problem und wird gefühlt immer schlimmer.
    Es gibt bei keinem Thema mehr ein Dazwischen nurnoch schwarz und weiß. Entweder du
    bist dafür oder dagegen. Und das wirklich schlimme ist, dass dies mittlerweile sogar auf
    höchster Ebene so stattfindet und die Normalität darstellt…

    Ich muss immer öfter an Star Wars denken wenn ich irgendwelche vermeintlichen „Debatten“ höre… `Nur ein Sith kennt nichts als Extreme`

  5. Ich find es schwierig die Umbenennung eines umstrittenen Straßennamens (insert random Aufschrei der letzten Monate) mit Bücherverbrennung, der Zerstörung Palmýras oder „entarteter Kunst“ gleichzusetzen.

    Thierse hat es sicher nicht zynisch gemeint. Im Prinzip hat er, meiner Meinung nach, auch recht. Der Diskurs hat sich radikalisiert. Der Diskurs findet bekannterweise schließlich nicht persönlich, sondern anonym statt. Das ist nichts neues im Internet.

    Dass ein Verlag Kinderbücher mit rassistischen Bildchen nicht mehr neu auflegt – danach hätte vor ein paar Jahren noch kein Hahn gekräht und man hätte gedanklich einen Haken daran gemacht, dass halt ein oder zwei weitere rassistische Werke nicht mehr in Kinderhände geraten. Heute wird sich über diese Entscheidung empört als ob die Zukunft der freien Welt davon abhängen würde. Auch auf diesem Blog.

    In die andere Richtung funktioniert das natürlich auch. Beide Seiten sind einfach nurnoch hysterisch. Die eine Seite schreit „cancel culture“, und die andere Seite „Nazis“. Dabei wird vergessen zu differenzieren und objektiv zu bleiben. Am Ende freut sich der Besserwisser, dass er unverholen die Freigabe seines „Jud Süß“ fordern kann. Affenbilder finden die meisten schließlich völlig zeitgemäß…

    … und Jud Süß ist ja auch Geschichte, weisste?

    • Das sehe ich ganz genau so. Alle beschweren sich, über die radikalen Ansichten der jeweils anderen. Keiner geht aufeinander zu. Weder die „SJW“ (wie sie hier so gern genannt und somit alle Meinungen in einen Topf geworfen werden) noch die, die ja gar nicht verstehen, wie man sich über diese Sachen empören können (und sich dabei jeweils auch immer empören). Die einen meinen, man müsste jetzt alles radikal umsetzen, die anderen sind der Meinung sie würden das viel objektiver sehen und hätten natürlich recht. Und zu guter Letzt werfen sich alle gegenseitig vor, dass man auf seiner Meinung beharren würde (was das einzige ist, womit beide Parteien Recht haben).

    • Von keiner der beiden Seiten. Ist doch hier auch nicht anders. Kaum wird angemerkt, dass sich manch Menschen von gewissen Begriffen angegriffen fühlen, schon wird auf diese Menschen eingeschlagen.
      Warum muss ich mich umstellen? Ist doch nicht so schlimm. War schon immer so. Das sind eben die typischen Aussagen.
      Die Frage ist doch, wo ist der Mittelweg? So lassen geht nicht, ebenso wenig einfach alles ändern. Wir müssen uns der Zeit anpassen, nur darf dabei nicht einfach alles über Board geworfen werden. Allerdings dürfen wir uns auch nicht an veralteten Sitten und Traditionen festklammern, nur weil es schon immer so war.

      • Das ist für mich eine rein sachliche Entscheidung.
        Beispiele:
        – Die Umbenennung von Studentenwerk in Studierendenwerk hat ne Menge Geld gekostet, dass woanders benötigt worden wäre –> Sehe ich als Schwachsinn an.
        – Aus dem Negerkönig einen Südseekönig zu machen in Pippi ist letztlich ein simples Suchen und Ersetzen, stört keine Sau –> Schwachsinn es nicht zu machen
        – Zigeunerschnitzel umbenennen –> Who cares, wenns jemanden beleidigt, einfach machen, mir wurscht, wie das heißt, solange es nicht als Gericht sondern nur als Name verschwindet.
        usw usf

        Bei der Genderdebatte ist das für mich in der Tat schwierig, aber letztlich vom Studierenden anzugeben, oder man geht einfach zurück zur preußischen Form.
        Da hieß es auch nicht Herr Pfeiffer sondern Pfeiffer und Sie.
        Muss man es denn definieren? Ich hab lange genug in Hamburg gearbeitet, da hieß es auch „Martin, können Sie…“ war 2 Tage gewöhnungsbedürftig, danach hats einfach Sinn gemacht. Respekt und Nähe.

        Viel schlimmer finde ich, dass sich hier immer nur auf die Minderheit konzentriert wird.
        Es gibt MINT-Kurse für Mädchen, und so weiter. Wo sind die Haushalts und Erziehungskurse für die Jungs? Warum wird die Schiene immer nur einseitig befahren.
        Wir wollen Gleichheit in den Köpfen? Ja nicht solange wir die Jungs weiter in eine einzige Richtung erziehen und die Mädels nun in die selbe Richtung pressen.
        Aber hey, jetzt gibt es wieder eine Offenlegungsoffensive um das Paygap zu reduzieren.
        Als ob jemals irgendwer schon mal ne Gehaltserhöhung bekommen hat mit der Begründung: Aber mein Kollege bekommt so viel.
        Wenn man dies hingegen öffentlich machen würde, für Bewerber, dann könnte die nächste Frau sich gleich entsprechend bewerben.

        • Das Problem an deiner Argumentation ist, dass die Ungleichheit von Männern und Frauen kein Produkt der Erziehung, sondern biologische Veranlagung ist.

          Und was deinen Vorschlag zum Paygap angeht: Warum benötigen Frauen eine Hilfestellung, um das „richtige“ Gehalt zu fordern, während Männer das offenbar ohne fremde Hilfe schaffen? Sind Frauen schlechtere Verhandler?

          • Nein, sie werden von Dinosauriern wie dir von Kindheitstagen an daraufhin konditioniert, sich minderwertig zu fühlen. Von Leuten wie dir, die irgendwelchen Blödsinn von „mathematisch denkendem Hirn“ bei Männern labern. Solange es noch Leute von deiner Sorte gibt, solange werden Mädchen in dem Glauben erzogen, weniger leisten zu können als Männer. Und ich rede hier nicht von physischer Leistungsfähigkeit.

      • Selbstverständlich. Ich gehe ja auch mit der Zeit, sonst würde ich nicht hier tippen, sondern wahlweise einen Brief schreiben oder Rauchzeichen geben! Wo das Progressive einen Fortschritt, eine Verbesserung darstellt, wirst du kaum einen unter 70 finden, der sich dagegen wehrt.

        Ich glaube aber – und diese These stelle ich gerne zur Diskussion -, dass die Progressiven das Progressive selbst als seine Begründung für ausreichend erachten. Alle Wände des gesellschaftlichen Gebäudes einreißen, ist aber keine gute Idee, wenn man nicht vorher geprüft hat, ob es sich um tragende Wände handelt.

        Und egal, welches größere und kleinere Thema unserer Zeit du hernimmst, sei es Sprachwandel, das EU-Projekt, Klimawandel, Zuwanderung, Energiewende, Coronalockdown, Homoehe usw., so ist mein Eindruck, dass die Begründung der Progressiven immer sehr eindimensional ist und an der Oberfläche steckenbleibt. Stellt man dann eine kritische Frage, ist man sofort Alt-Right, damit die Frage nicht beantwortet werden muss. Und damit meine ich nicht unbedingt mich selber, sondern es gibt inzwischen genügend Beispiele aus Politik und Gesellschaft. „Der ist rechts/Nazi/Reichsbürger/xyz-Leugner, mit dem reden wir nicht, dem hören wir nicht zu“, passiert doch fast im Wochentakt. Im Gegensatz dazu habe ich „der ist links/Kommunist/Stalinist …, mit dem reden wir nicht“ seit der RAF-Zeit eigentlich nicht mehr gehört.

        Das ganze paart sich mit einem Hypermoralismus, der die eigene Position so tief als „gut“ in den Boden rammt, dass dieses „Gute“ unumstößlich feststeht, koste es (uns), was es wolle. Wobei Moral ja nicht schlecht ist. Moralisch wäre es aber, selber das letzte Hemd zu geben, anstatt alle anderen (die Reichen etc.) zu zwingen, dies zu tun. Und Moral ohne Verstand ist selbstzerstörerisch.

        Fazit: Ja, natürlich richtet sich jede Aufforderung zu Debatte und Fairness an beide Seiten. Aber die Schlagseite ist (momentan) ganz eindeutig in Richtung der Progressiven.

        • Und da liegt der Hund begraben. Seitenlang argumentieren, fachsimpeln und philosophieren und dann doch mit „ABER DIE ANDEREN SIND SCHULD“ abschließen. Kann man so eloquent verpacken wie man will, die Aussage bleibt die gleiche.

          • @Magnetrind

            Er hat mehr als genug Gründe aufgeführt die du sofort abschmetterst.
            Bist du besser als er ?

    • Ach wie schön man doch immer wieder die Opferrolle einnehmen kann 🙂 Dann muss man sich nicht mit sich selbst auseinandersetzen. Sind ja immer die andren schlimm und extrem xD

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