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Es gibt keine Cancel Culture, das wird innerhalb der SJW-Bubble stets mantraartig betont. Dafür, dass sich Jan Josef Liefers und seine Kollegen nach der (bescheuerten) #AllesDichtmachen-Kampagne jetzt mit dem Social Media-Mob, einem gewaltigen Shitstorm, Morddrohungen und geforderten Berufsverboten auseinandersetzen müssen, gibt es sicher eine andere Erklärung. Mit Cancel Culture hat das sicher nichts zu tun…

Wie konnte es eigentlich dazu kommen, dass unsere Demokratie keine anderen Meinungen mehr aushält? Warum meinen manche Menschen in den sozialen Netzwerken, sie hätten das Recht, Personen mit einer anderen (politischen) Meinung beruflich und privat schaden zu dürfen. Wie kann man für Diversität und Toleranz einstehen, aber gleichzeitig Andersdenkende mit faschistischen Methoden zum Schweigen bringen, indem man versucht, sie ihrer Existenz zu berauben?

Ich habe dazu heute eine tolle Kolumne von Marie von den Benken genau zu diesem Thema gelesen. Sie kritisiert darin völlig zu recht Jan Josef Liefers und seine Schauspieler-Kollegen für die #AllesDichtmachen-Kampagne. Sie schreibt aber auch…

Meinungsfreiheit ist keine Einbahnstraße. Liefers und Co. dürfen sagen, was sie denken. Solange sie dabei keine Gesetze brechen. Das haben sie getan. Gesetze wurden nicht gebrochen. Ihre Meinung wurde gehört. Wir leben nicht in einem Merkel-Regime oder einer Diktatur. Entsprechend ergießt sich massenhaft Kritik über Liefers und die #allesdichtmachen-Robin Hoods […] Auch das ist erlaubt und muss ausgehalten werden […] Nicht ausgehalten werden dagegen müssen Drohungen und Beleidigungen. Es ist eine Schande für das ehemalige Land der Dichter und Denker, dass ein Diskurs mittlerweile stets in einen Moloch der Ad-Hominem-Argumentation verkommt und nur noch die größtmögliche Grenzüberschreitung gesucht wird […] Es werden Berufsverbote gefordert – und im widerlichsten Fall sogar Morddrohungen. Ich hoffe sehr, dass diese zur Anzeige gebracht und auch geahndet werden.

Dem ist nicht hinzuzufügen. Man kann die #AllesDichtmachen-Kampagne kritisieren, keine Frage. Aber warum diese Sache mal wieder so eskaliert ist, dass es Morddrohungen gibt und Berufsverbote gefordert werden, erschließt sich mir einfach nicht. Findet Ihr nicht auch, dass die Relation zwischen „Tatbestand“ und Eskalation besonders in den sozialen Netzwerken besorgniserregende Formen angenommen hat?




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36 KOMMENTARE

  1. Grundsätzliche Zustimmung, allerdings finde ich es in diesem Fall etwas schwieriger, weil es eigentlich ein bisschen an dieem Cancel Culture Begriff vorbeigeht.

    Liefers & Co schießen hier quasi gegen ihren eigenen Arbeitgeber, indem sie das Narrativ der rechten Schwurbler aufgreifen und unsere öffentlich-rechtlichen Medien irgendwie versuchen in die Fakenews-Ecke zu schieben. Das ganze dann noch garniert mit einem schönen dicken Mittelfinger Richtung aller Menschen, die unser Gesundheitssystem am Laufen halten und Richtung derer, die bereits Angehörige an den Corona-Mist verloren haben.

    In einem solchen Fall finde es durchaus legitim zu sagen, dass man zumindest nicht mehr möchte, dass solche Leute, die so leichtfertig mit dem Feuer spielen, mit solchen Aktionen einen Keil in die Gesellschaft treiben und zudem noch nicht mal die Eier haben sich zu entschuldigen… ja da habe ich volles Verständnis, wenn viele Leute sagen, dass sie nicht mehr möchten, dass solche Leute von einer Institution beschäftigt und bezahlt werden, welche von der Allgemeinheit finanziert wird.

    • Genau meine Meinung. Es wird auch kein Berufsverbot gefordert, sondern dass sie nicht mehr für die öffentlichen Sender, denen sie vorwerfen, falsch über corona und die Pandemie zu berichten. Die Organisatoren der Aktion sind eindeutig aus der schwurblerszene…

    • Ich verstehe so Leute wie dich nicht. Mehr entschuldigen und zu Kreuze kriechen als die meisten die an dieser Aktion teilgenommen haben kann man einfach nicht mehr. Wie man sich da immer noch anonym hinstellen kann und einfach behaupten „Die haben noch nicht einmal die Eier sich zu entschuldigen“ ist einfach traurig und zeugt davon wie das Internet heute ist. Einfach eklig! Das immer noch geglaubt wird man hätte für ein paar Mark fünfzig Rundfunkgebühren ein Mitspracherecht für irgendwas ist auch einfach nur drollig. Nicht mehr drollig ist der Glaube man könne direkt über die Aussagen oder Meinungen anderer Menschen urteilen und auch gleich die Konsequenzen mitbestimmen. Solche Menschen hätten im Iran oder Sudan vielleicht mehr Spaß. Da gibt es noch die gute alte Steinigung. Da kann man Rechtsprechung noch live miterleben. Bäh echt bäh!

      Die eigene Freiheit ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden und ich muss kotzen wenn sich dumme Menschen die Dummes tun über ihren Shitstorm beschweren, aber andersherum muss es doch auch eine Grenze für die Kritik geben. Man kann doch nicht jedem der einem nicht passt an die Existenz gehen, völlig egal ab physisch oder psychisch. Besitzen die Menschen den heute gar keine Empathie mehr? Es ist so zum Schämen echt!

  2. Morddrohungen für bekannte Personen gabs auch schon vor 20 Jahren. Damals halt dann noch in Brief Form. Heute durch das Internet ist die Hemmschwelle sicherlich gesunken. Ich glaube allerdings nicht das wir heute eine größere „Cancel Culture“ haben als in der Vergangenheit. Nur ist es halt heute leichter sowas rauszulassen.

    Du kannst in Deutschland Problemlos sagen was du denkst. Du musst halt nur mit dem Echo auch klar kommen. Das hat nichts mit Canceln zu tun. Morddrohungen sind immer ein No Go aber das ist ein Allgemeines Problem und hat ebenfalls für mich nichts mit „Cancel Culture“ zu tun.

    Für mich wird der Begriff „Cancel Culture“ ohnehin viel zu häufig genutzt.

    • Damals gab es ein deutlich breiteres Spektrum an geduldeter Meinung.
      Damals musstest du schon echt kontrovers sein um Morddrohungen etc zu kriegen.
      Schau dir die CDU der 90iger an, du glaubst doch nicht das die heute noch so etwas wie Toleranz erfahren würden.

      Gefühlt schrumpft die geduldete Meinung mit jedem Jahr weiter zusammen.
      Die Gesellschaft spaltet sich immer mehr und wird gefühlt als ganzes immer intoleranter und immer mehr voller Hass auf Menschen die anders sind als man selbst. Hier sind alle politischen Richtungen von betroffen.

      Aus dem Land der Dichter und Denker ist das Land der Arschlöcher und Besserwisser geworden.

      Toleranz Nächstenliebe Vielfalt und Meinungsfreiheit ist doch nur noch ne Fassade. Dahinter brodelt es schon lange

      Beispiel:
      Thema Corona und viele andere Themen
      Wagst du es auch nur ein wenig an dieser Politik zu kritisieren,
      weil dir vielleicht die Methoden nicht gefallen oder du einfach Probleme siehst die geschaffen werden oder die Lösungen nur halbgar sind. Du halt einfach den Meinungsaustausch suchst.

      Wirst du sofort in den äußersten radikalsten Bereich gedrückt, damit man dich anschließend verbal so dermaßen durch den Dreck ziehen kann und seine vorgefertigten Parolen abschießen kann. Es gibt nur noch Schwarz/Weiß
      Ein gesunder Meinungsaustausch findet heute doch meist gar nicht mehr statt.

      Cancel Culture ist auch die falsche Wortwahl.
      Irgendjemand hat hier Lynchmob geschrieben.
      Das wäre freilich die bessere Bezeichnung für dieses Verhalten.
      Gefühlt wollen die Leute einfach hassen und brauchen dafür irgendein Bauernopfer.

      Die Methoden dieses Lynchmobs gleichen am Ende den Methoden der “radikalen“ Antifa.
      Morddrohungen, soziale Ausgrenzung, Druck auf Arbeitgeber und Umfeld etc.

      Auf Twitter was zu posten ist doch mittlerweile wie Topfschlagen im Minenfeld. Machst du nur einen kleinen Fehler kannst dir ja fast schon nen Strick nehmen.

      Es ist alles in allem eine beschissene Zeit in der wir leben.

  3. Meinungsfreiheit wird heute doch nur noch denen gewährt die auf der eigenen aka „richtigen“ Seite stehen. Da sind aber alle größeren politischen Gruppierungen aktuell gleich, die linken betreiben cancel Culture, die rechten träumen von unabhängigen Medien wie in Russland und für die Dummdenker ist alles Suspekt was auch nur ansatzweise was mit logischem Denken und wissenschaftlichen Erkenntnissen zu hat. Dafür das jeder sagen darf was man will und das man sich wenigstens mal kurz überlegen sollte ob der andere nicht auch in einigen Punkten recht hat setzt sich heute kaum noch jemand ein. Eine Demokratie lebt von Diskursen und Kompromissen, dinge die heute als „Verkauf der eigenen Werte“ oder mangelndes Durchsetzungvermögen verunglimpft werden.

    • Man darf Meinungsfreiheit nicht mit Meinungstoleranz verwechseln. Meiningsfreiheit gilt für jeden. Auch würde ich die mutmaßliche „Cancel Culture“ nicht einem politschen Spektrum zuordnen. Ich habe genauso Rücktrittsforderungen gegenüber Merkel in Zusammenhang mit ihrer Einwanderungs- bzw Flüchtlingspolitik von „Rechts“ gehört und der Mord an Lübcke ist wohl „Cancel Culture“ im wahrsten Sinne des Wortes.
      Die Diskussionen und Meinungen sind über die Jahre radikaler und der Meinungskorridor ist enger geworden und damit hat die Meinungstoleranz abgenommen. Befeuert durch die sozialen Medien und „Like“-Kultur, wo nur noch Zustimmung zählt(Dislikes werden ja bald auch überall ausgeblendet sein), wird der Diskurs zwischen unterschiedlichen Meinungen als „Dislike“ wahrgenommen. So entfernen sich immer mehr von einander und es findet immer mehr Rückzug in die eigene Meinung statt und radikalisiert sich ggfs noch. Der Meinungsaustausch folgt der Eskalationsspirale, wo gar nicht mehr genau zugehört wird und es nur noch zum Austausch von Punch-Phrasen oder Kampfbegriffen kommt, wo einzelne aufgeladene Begriffe ausreichen, um jmd in eine Ecke zu stecken und das mündet teilweise bis hin zur verbalen Androhung von Gewalt und mehr… Die digitalle 140-Zeichen-beschränkte-Kommunikation tut ihr übriges…
      Da liegt meiner Meinung nach das eigentliche Problem und nicht darin, dass man gewisse Dinge nicht sagen dürfe. Man darf! Aber sollte diese auch diskutieren können und selbst auch offen bzw diskusionsbereit für andere Meinungen sein und sich selbst reflektieren, ob man nichts selbst schon einer Radikaliserung zum Opfer gefallen ist. Wer mit Nazivergleichen um sich wirft oder wenn alle plötzlich „alt und weiß“ sind oder „links-grün versifft“, hat sicherlich eine Radikalisierung mitgemacht.

  4. Das ist jetzt eine ernstgemeinte Frage, sowohl (vor allem) an Steve als auch an die Runde:
    Was wäre aus eurer Sicht eine allgemeingültige Definition von „Cancel Culture“? Wenn ihr Schüler wärt und die Aufgabe bekämt, den Begriff „Cancel Culture“ möglichst genau und korrekt zu definieren, was würdet ihr schreiben?

    • Ich versuche es mal. Cancel Culture würde ich beschreiben als den Versuch, prominente Personen oder Firmen durch verschiedenste Maßnahmen aus der öffentlichen Wahrnehmung zu entfernen, meist als Reaktion auf eine Meinungsäußerung des Betroffenen. Die Maßnahmen reichen daher von der Schließung von Social Media-Accounts über persönlichen und sozialen Druck bis hin zur Einschüchterung durch Drohungen, Boykottaufrufe, Abriss von Statuen o. ä.

      Das ganze ist also ein sehr weites Feld. Die Gemeinsamkeit liegt darin, dass Ausgangspunkt typischerweise eine Meinung oder Handlung ist, die als anstößig empfunden wird; der Umgang damit erfolgt jedoch nicht in der Sache sondern „ad hominem“.

      (Was im übrigen allgemein das Problem heutiger Debattenkultur ist; kontroverse Meinungen werden faktisch „kriminalisiert“. Das Ziel ist nicht mehr der Meinungsaustausch und/oder die Überzeugung, sondern die (soziale, berufliche, …) Vernichtung des anderen.)

      • „Cancel Culture würde ich beschreiben als den Versuch, prominente Personen oder Firmen durch verschiedenste Maßnahmen aus der öffentlichen Wahrnehmung zu entfernen, meist als Reaktion auf eine Meinungsäußerung des Betroffenen.“
        Wäre Frank Magnitz auch ein Opfer von Cancel Culture für dich?

        • Ich kenne Magnitz als denjenigen, der fast von Antifanten totgeschlagen worden wäre. Das wäre mehr als Cancel Culture, das war schlicht ein Mordversuch.

          Ich vermute jedoch, du meinst einen anderen Zusammenhang, da müsstest du mich erstmal erleuchten.

      • Verstehe, mit der Definition könnte ich mich prinzipiell auch anfreunden. Bin mir allerdings nicht sicher, wie hilfreich ich diesen Begriff dann finde, denn, wie du schon sagst, er ist dann sehr weit gefasst. Wenn ich dich richtig verstehe, wäre in diesem konkreten Beispiel „Die Schauspieler liegen aus meiner Sicht daneben“ kein Beispiel für Cancel Culture, „Alle diese Schauspieler gehören gefeuert!“ oder „Boykottiert den Tatort!“ aber schon. Das finde ich nachvollziehbar. Nach dieser Definition wären allerdings auch z.B. Jasmina Kuhnke und Natascha Strobl massiv von Cancel Culture betroffen, ebenso der WDR-„Umweltsau“-Kinderchor. Wenn es nur um den Versuch geht, und nicht um den Erfolg, wäre Prof. Christian Drosten als Lieblingsziel der Bild-Zeitung in diesem Falle auch ein Ziel von Cancel Culture. In diesem Falle wäre zumindest das Statement „Es gibt keine Cancel Culture“ unhaltbar. Meine Probleme sind dann allerdings:
        1.) Wie neu ist das Ganze in diesem Falle wirklich? Wendet man diese Definition an, wären ja schon Dinge wie z.B. der Boykott eines Neonazi-Konzertes Cancel Culture, da ja in diesem Falle immer das explizite Ziel ist, diesen Bands ihre Plattform zu nehmen. Das gab es allerdings schon lange vor dem Netz.
        2.) Wie kann man sinnvoll ein Problem diskutieren, dass von so vielen völlig verschiedenen und verschieden gesinnten Personengruppen ausgeht? Auch wenn sie in diesem Blog seltener Thema ist, ist die Cancel Culture von Rechts ja dann ebenfalls diskussionswürdig, funktioniert in der Praxis aber oft recht anders.

        • Alles in allem denke ich, dass diese Schlagworte immer ein Stückweit unscharf sind, letztlich sind es Kampfbegriffe. Mit dem SJW, den ich so gerne verwende, sieht es nicht viel anders aus. Darunter fällt der „Canceler“ im Zweifel ebenso wie der Gendergagaist oder der „Seenotretter“ im Mittelmeer. Der gemeinsame Nenner ist da relativ klein, alles irgendwie linker Zeitgeist, als „Normaldenkender“ (was auch immer das ist) schüttelt man den Kopf darüber, aber viel genauer kann man es schon nicht mehr definieren.

          Die „Culture“ deutet im konkreten Fall darauf hin, dass man dahinter gewisse (neue) Muster erkennt, dass es zur (Un-) Kultur wird – wohl in Abgrenzung zum Einzelfall.

          Ich denke, der beste Vergleich ist die Antifa. Sie rennen zu Tausenden auf Demos rum, aber wenn Scheiße läuft, dann gibt es „die Antifa“ ja gar nicht! Cancel Culture findet bald täglich statt, nachzulesen hier auf dem Blog, und trotzdem bestreiten einige ihre Existenz!

          • Dass es Kampfbegriffe sind, sehe ich auch so, aber das wirft für mich doch die Frage auf, ob es wirklich der Meinungsfreiheit dient, wenn man Debatten auf der Grundlage von Kampfbegriffen führt. Ich kann aus meiner persönlichen Erfahrung nur berichten: Es ist ziemlich unangenehm, sich an einer Debatte zu beteiligen, bei der man sich von vornherein auf einer Seite positionieren muss, die einem vielleicht im Einzelfall gar nicht zusagt. Ich fand z.B. die Rassismusvorwürfe gegen den Otto-Film ziemlich albern. Bei „Vom Winde verweht“ hingegen bin ich der Meinung, dass dieser Film ein hochproblematisches, romantisiertes Weltbild einer zutiefst rassistischen, sklavenhaltenden Gesellschaft zeichnen. Wird die Debatte aber von vornherein unter einem Kampfbegriff geführt, ist es ziemlich unmöglich, sich dahingehend differenziert zu äußern, ohne mit Absurditäten gleichgesetzt zu werden („Vom Winde verweht soll weg, soso, als nächstes sollen wir noch DEN PATEN CANCELN, DU LINKSFASCHIST!!!!!“). Das führt allerdings auch dazu, dass man immer weniger Lust hat, so Debatten auf diesem Niveau zu führen, so dass sich letzten Endes die „Cancel Culture greift um sich!“-Rufer bestätigt fühlen und Andere nur noch die Augen rollen, selbst dann, wenn man die Kritik im Einzelnen unter anderen Umständen sogar nachvollziehen könnte.

            Ebenso halte ich: „Die Künstler von Allesdichtmachen sollte man boykottieren“ für eine prinzipiell legitime Äußerung, die jetzt die Meinungsfreiheit aus meiner Sicht nicht bedroht. Ich habe den Eindruck, auf diese Weise lenkt man die Debatten (teils bewusst, teils unbewusst) weg vom Inhaltlichen und hin zur reinen Polarisierung, und das stört mich.

          • Hand aufs Herz: Misst du hier nicht mit zweierlei Maß? Hast du dich jemals auf eine inhaltliche Debatte eingelassen, wenn es z. B. um rechte politische Positionen ging? Oder war es dir dort nicht ganz recht, dass das alles Nazis waren, mit denen man eh nicht zu reden braucht?

            Ich finde dein Statement absolut in Ordnung und würde das sofort unterschreiben. Wenn es denn auch – und da richte ich mich an alle, nicht speziell an dich – allgemeingültig wäre.

    • „Cancel Culture“ ist das, was im Netz seit ~15 Jahren praktiziert wird, nur mit dem Unterschied, dass jetzt eine signifikante wirtschaftliche und auch politische Wirkung dahintersteckt. Gut, und es ist allgemein politischer geworden. Vllt. erinnere ich mich auch nur falsch, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass das Netz zwischen 2005 und ’10 sonderlich politisch war.

      • „Vllt. erinnere ich mich auch nur falsch, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass das Netz zwischen 2005 und ’10 sonderlich politisch war.“

        Das internet in der Zeit war halt auch noch extrem Nerd lastig und noch nicht im ganz breiten Mainstream angekommen wie heute. Da hat man sich lieber darüber gestritten welche Konsole denn nun den Konsolen „Krieg“ gewinnt.

    • Dies. „Cancel Culture“ ist halt einfach nur weiterhin der raue Umgangston des Internets aufgrund der Anonymität:
      Der Nazi will den links-grün versifften Demokraten von der Wehrmacht erschießen lassen, der linke Putin-Soviet-Kommunist will den AFD-Politiker hängen sehen.#
      Und dazwischen prügelt sich der eher dumme Haufen, angestachelt von den Extremen, und reibt wiederum zwischen sich die Mitte auf.
      War schon bei Sparta und Athen so.
      Und heute haben wir mit den sozialen Medien auch endlich wieder die öffentlichen Plätze für die Demagogen, die mit immer weiteren literarischen Entgleisungen die Mitte schrumpfen lassen.

    • Was mich ja interessieren würde: wenn linke Abgeordnete oder Anwälte von NSU-Opfern Morddrohungen von Polizisten, bewaffneten Rechtsextremen und Soldaten, also Menschen die diese Drohungen auch in die Tat umsetzen können, bekommen, ist das dann auch Cancel Culture?

      • Grundsätzlich kann jeder Mensch seine Drohungen auch umsetzen.
        Als Offizier der Bundeswehr zum Beispiel wüsste ich nicht wie ich das leichter könnte als irgendjemand anders, da ich im Privatleben unbewaffnet bin.
        Zudem erhalte ich als Soldat vermutlich mehr Ausbildung zu Recht und Gesetz sowie politischer Bildung als der Großteil der restlichen Gesellschaft, sodass es mir durch meine berufliche Sozialisation schon schwerer fällt, solche Gedanken überhaupt zu bilden.
        Zumal ein Soldat unter Eid aussagt, dass er der Bundesrepublik Deutschland treu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer verteidigen wird.

        Polizisten und Soldaten diesbezüglich mit einem bewaffneten Rechtsextremen in einem Satz mit gleichem Inhalt zu nennen, halte ich für ungünstig.

        • Wenn man bedenkt, wie viel Munition der Bundeswehr (besonders dem KSK) so abhanden gekommen ist, muss man das vllt. nochmal überdenken, ob derjenige wirklich die exakt gleichen Möglichkeiten hat wie ein Ottonormalbürger.

        • „Polizisten und Soldaten diesbezüglich mit einem bewaffneten Rechtsextremen in einem Satz mit gleichem Inhalt zu nennen, halte ich für ungünstig.“
          Ich nenne auch nicht Polizisten und Soldaten allgemein in einem Satz mit Rechtsextremen, sondern Polizisten und Soldaten, die Drohschreiben und Morddrohungen an politische Gegnern verschicken.

          • Du kannst dir sicher sein, dass dieser Personenkreis in einem solchen Fall sehr schnell die längste Zeit Soldat oder Polizist gewesen ist.
            Soldaten haben darüber hinaus auch in dem Fall keine Knarre zu Hause liegen.

            Und an Balnazza:
            Es ist nicht wirklich so viel. Das KSK hat diesbezüglich sicher eine Art Eigenleben entwickelt und aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die Munitionsausgabeverfahren bei der Bundeswehr sehr gut funktionieren und da nicht mal so eben was wegkommt. Wird nach der KSK Aktion in allgemein in der Presse aber nicht betrachtet, weil es uninteressant ist, wenn Dinge in der Bundeswehr funktionieren.

  5. Ich denke das große Thema bzw. mMn Missverständnis ist die Cancel Culture dem SJW Spektrum zuzuschieben.
    Diese Cancel Culture gibt es schon recht lange mit verschiedenen Ausrichtungen.
    Das passiert immer wenn eine bestimme Menge an Menschen gegen etwas bestimmtes sind.

    Was sich geändert hat ist die Geschwindigkeit der Informationsverbreitung und wer darauf wie Einfluss nimmt.
    Durch die Anonymität des Internet und die Verbreitungsart der sozialen Medien nehmen solche Themen schnell fahrt auf.
    Außerdem kommentieren in den meisten Fällen vor allem Leute die etwas dagegen haben. Wer dafür ist lässt nur ein Like da oder ähnliches.w

    • Prinzipiell gehe ich auch davon aus, dass CC von jeder Richtung ausgehen kann. Allerdings würde mir jetzt nichts spontan einfallen, wo mal ein SJW selber „gecancelt“ worden wäre. Hast du vielleicht Beispiele dafür? Eine breitere Datengrundlage würde die Analyse vereinfachen.

      • Dafür müsste man nun erstmal wieder definieren, was genau ein „SJW“ ist. Klar, jeder hat da so eine ungefähre Vorstellung, aber selbst du wirst wohl kaum abstreiten, dass der Begriff mittlerweile sehr inflationär benutzt wird.

        Ein Beispiel: Ist Ghostbusters (2016) ein SJW-Film? Wenn ja, wurde er vllt. nicht erfolgreich gecanceled, aber definitiv erfolgreich so sehr in Grund und Boden gehated, dass du praktisch sozial erschossen bist, wenn du sagst, ihn gemocht zu haben.
        Anderes Beispiel: Ist Karl Lauterbach ein SJW? Zumindest ist er mal ein Linker, der dennoch eine hübsche Summe an Morddrohungen gesammelt haben dürfte aufgrund seiner Rolle in der Pandemie. Und das, obwohl er zum „Mainstream“ gehört.

      • Balnazza hat das schon ganz gut zusammengefasst.

        Beispieler wären zum Beispiel solche Sachen:
        Colin Kaepernick (wurde wegen seinem Protest quasi seine Karriere verweigert)
        Nike, etc. (diverse Sportmarken werden immer wieder „gecancelt“ wenn sie die falsche Sache unterstützen)
        French Fries aka Freedom Fries, nachdem Frankreich nicht die US Kriege unterstützen wollte.
        Dungeons and Dragons, Metal etc. (Von religiösen Kreisen immer wieder verschrien, auch eine Form von Cancel Cultur)
        Ego-Shooter (siehe drüber).

        Es ist immer die Frage was gerade gecancelt wird

      • Aus dem Linken Spektrum fallen mir spontan Lindsey Ellis (ehemalige youtuberin und Romanautorin) sowie diverse Personen in der Gamergate-Geschichte ein, die allgemein von Leuten von Rechtsaußen genutzt wurde um einen diversen Journalisten und später vor allem Frauen in der Nerdszene auf den Pelz zu rücken.
        Im allgemeinen kann man Gamergate als sexistische Hasskampagne einiger rechter Akteure auffassen u.A. Bannon und Breitbart haben das ja ganz ordentlich instrumentalisiert.
        Laura Kate Dale (Transfrau, Autistin, sowie Romanautorin und Journalistin) und Jim Sterling (YouTuber, Videospieljournalist, Genderfluid) sind auch Beispiele von deutlich linksgerichteten Menschen die immer wieder das Ziel von Hasskampagnen wurden, wenn man das so auffassen möchte. Ebenso die Eigentümerin des YouTube-Channels „Feminist Frequency“ deren Name mir aber gerade nicht einfällt.

        Politisch Neutral aber zu Unrecht Opfer einer solchen Kampagne ist auch Jared Knabenbauer a.k.a. ProJared (YouTuber) ein, dem von zwei psychisch Kranken Pädophilie u.A. vorgeworfen wurde, was sich jedoch als haltlose Behauptung herausstellte (jedoch nicht gerade bei seiner gerade laufenden Scheidung zu seinen Gunsten verlief und erst Jahre später ans Licht kam).

        Symptoamik und verlauf solcher digitalen Lynchmobs sind im Grunde immer gleich.
        Ding passiert, Empörungswelle, Konsequenzen. Ich hab das Gefühl das die meisten Menschen hier auf dem eigenen politischen Spektrum zu Blindheit neigen und in dem Fall eher von Cancel Culture reden, bei den „Feinden“, aber gerne das rechtfertigen.
        Deswegen gehört der Begriff für mich abgeschafft. Er lädt zum vereinfachen ein und dazu irgendjemanden dafür Verantwortlich zu machen, was ich auf gefährliche Weise vereinfachend finde. Digitaler Lynchmob wäre angebrachter.
        Bis auf das Kommunikationsmedium (Internet) gibt es da aber auch wenig Unterschied zu fällen der prä-Internet Ära. Siehe „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ bzw. der Fall auf dem dieses Buch basiert.
        Das Problem ist eher die Frequenz und wie oft man dem Ausgesetzt ist und die direktheit.
        Ich kann mir gut Vorstellen zu einem Brief von einem unbekannten eine andere Art von Distanz aufzubauen als zu einer Welle von Chat-Nachrichten.

  6. Der Mob ist sich seiner Macht bewusst.

    Leider das Internet/social media heutzutage: Das fängt an beim übertriebenen Einsatz von Superlativen, das ständige „auf die Kacke“ hauen, möglichst kontrovers zu sein und immer noch einen oben drauf setzen zu wollen! Könnte sicherlich auch eine allgemeine Medienkritik sein, aber das Netz hat finde ich eine noch üblere Dynamik, da wird es schnell übergriffig…

  7. Komplette Zustimmung. Es ist erschreckend, dass es tatsächlich eine solche Menge an totalen Spinnern gibt. Es reicht doch vollkommen zu sagen, dass mein die Aussagen schlecht/unüberlegt oder gar dumm findet. Alles was darüber hinausgeht ist einfach inakzeptabel und definitiv dumm.

    • Mit der Einstellung solltest du das Internet allerdings am besten gar nicht mehr aufmachen. Der Umgangston im Internet war schon immer sehr Rau und das wird sich auch nicht ändern.

  8. In den sozialen Medien gibt es immer irgendwelche Leute die extreme Positionen einnehmen und sich nicht benehmen können oder anders zu helfen wissen. Twitter etc. sind einfach eine Echokammer, es sind wenige Idioten aber die schreien am lautesten. Es wird deutlich mehr normale Kritik geäußert als Drohungen ausgesprochen. Die sozialen Medien haben aber definitiv ein Problem mit extremen, deswegen nutze ich sie auch kaum noch. Die meisten Diskussionen sind nur verschwendete Lebenszeit

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