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Ich möchte Euch heute die Geschichte meiner Tante Gisela erzählen. Sie war eigentlich nicht meine Tante, sondern nur die beste Freundin meiner Mutter. Aber da ich ein Scheidungskind bin und meine Mutter alleinerziehend war, nahm sie in meiner Jugend den Platz und Stellenwert einer Tante ein. Sie hat oft auf mich aufgepasst und ich habe sehr viele schöne Erinnerungen an sie.

Tante Gisela war eine herzensgute Frau. Leider war sie ihr ganzes Leben lang nicht in der Lage, ihr eigenes Glück zu ertragen. Sie lief ihm stets hinterher und immer wenn sie es fast eingeholt hatte, stolperte sie über sich selbst und musste es am Ende wieder aufgeben. Ihr größtes Problem war ihr geringes Selbstwertgefühl. Ich glaube bis heute, dass in ihrem Unterbewusstsein die Selbsterkenntnis, dass sie Glück im Leben nicht verdienen würde, fest verankert war.

Ich kann mich gut an ihre diverse Partner erinnern und an die vielen gescheiterten Beziehungen. Immer wenn meine Mutter und ich das Gefühl hatten, Gisela hätte endlich den richtigen Mann gefunden, schaffte sie es immer wieder, durch ihre fast schon krankhafte Eifersucht, den jeweiligen Partner zu vergraulen. Sie konnte einfach nicht glauben, dass ein Mann sie wirklich liebte, daher ging sie immer (auch aufgrund schlechter Erfahrungen) davon aus, dass er sie früher oder später betrügen würde.

Da Gisela kein eigenes Auto besaß, kann ich mich an diverse Fahrten mit meiner Mutter erinnern, in denen wir Gisela zu einem ihrer Männer fahren mussten, um zu überprüfen, ob er ihr auch treu war. Ich kann mich im Zuge dessen auch an so manche Szene und peinliche Eifersuchtsdramen erinnern. Es war stets dasselbe Muster mit immer demselben Ende.

Meine Mutter war gestern in Tangstedt und hat Leo und mich besucht. Irgendwie kamen wir dabei auf Tante Gisela zu sprechen. Meine Mutter erzählte mir, dass Gisela vor einigen Jahren einen Schlaganfall hatte. Anschließend verbrachte sie ihre letzten Jahre in einem Pflegeheim und ist dann vor zwei Jahren dort verstorben. Mich hat das sehr traurig gemacht. Nicht nur, weil Gisela verstorben ist, sondern weil ich glaube, dass sie unglücklich gestorben ist. Sie war so viel mehr wert, als sie es selbst von sich glaubte. Aber so oft meine Mutter und ich auch versucht haben, ihr das klarzumachen, hat sie es bis zu ihrem Lebensende nicht geglaubt.

So fies das jetzt klingt, aber sie war für mich ein perfektes Beispiel dafür, was man damit anrichten kann, wenn man sich selbst nicht liebt und nicht an das eigene Glück glaubt. Das hat mich in jungen Jahren sehr geprägt. Ich kenne viele Menschen in meinem Umfeld, die auch dazu neigen, ihr eigenes Glück immer wieder selbst zu zerstören, weil sie glauben, sie hätten es nicht verdient. Und genau deshalb erzähle ich Euch heute diese Geschichte.

Ich kann Euch jetzt hundert Mal sagen, dass Ihr es verdient habt, glücklich zu sein. Ich kann Euch jetzt über diesen Leuchtturm die Botschaft vermitteln, dass Ihr es wert seid. Das Problem an der Sache ist aber, dass dies wahrscheinlich schon viele andere Menschen (Freunde, Eltern, Therapeuten?) in Eurem Umfeld getan haben. Am Ende des Tages müsst Ihr es auch selbst glauben. Denn nur wenn Ihr Euch selbst liebt und an Euch und Euer Glück glaubt, werdet Ihr es am Ende auch finden.

Macht bitte nicht denselben Fehler wie meine Tante Gisela und verschwendet Eure Lebenszeit damit, an Euch selbst zu zweifeln, „nur“ weil Ihr mal eine schlechte Erfahrung gemacht habt und/oder Euch irgendein Arschloch etwas Anderes erzählt hat. Ich weiß, dass dies leicht gesagt ist. Ich weiß auch, wie unfassbar schwer es ist, aus solch einem „Tal“ herauszukommen. Aber wenn Ihr es nicht versucht, werdet Ihr (so hart das klingt) niemals richtig glücklich werden…


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5 KOMMENTARE

  1. Ich finde es sehr schade das es Menschen wir Gisela gibt. Ich selbst hatte alles was ich im Leben erreichen wollte, eine tolle Frau, einen Sohn und eine gesicherte Zukunft. Dann hat Sie sich von mir getrennt und ich dachte sehr lange Zeit das ich nicht mehr Glücklich werde. Irgendwann aber von heute auf Morgen hat in mir was „klick“ gemacht und ich habe realisiert das mein Leben immer noch Glücklich ist. Ich habe ein tolles Verhältnis zu meiner Ex Frau, meinen Sohn sehe ich sooft es geht und mein Job macht mir spaß. Einzig das Thema Geld aber damit bin ich ja aktuell kein Einzelfall.

    Einfach weitermachen und wieder aufstehen, es wird irgendwann besser.

  2. Wenn ich deine „Checkliste“ vor Augen hätte, würde ich eventuell auch schlechte Laune bekommen 🙂

    Ich bin mal mit dem rechten Fuß in einen Hundehaufen getreten und beim Versuch, mich zu vergewissern, ob es wirklich Hundekot ist, habe ich den linken Fuß umgesetzt und bin dabei mit dem in einen weiteren Hundehaufen getreten. Das kann man als alltägliches „down“ verstehen oder darüber lachen und seine Schuhe putzen.

    Durch die entsprechende Einstellung gibt es kaum „downs“ im Leben. Wichtig ist das Vertrauen in die eigene Person. Gute Freunde sind toll, aber auch ohne fällt man nicht tot um; gleiches gilt für eine Liebesbeziehung.

    Ich musste meinen Job aufgeben, mein rechter Arm wurde schwer beschädigt und stand mehrfach vor dem Nichts und es ging trotzdem immer weiter 🙂

  3. Meine Mutter macht das leider auch schon ihr Leben lang und das geht so oft über ungesunde Beziehungen (krankhafte Obsessionen, totale Verzweiflung wenn sie nicht gleich schreiben, etc.). Man selbst kann oft nur hilflos zusehen, weil alles gute Zureden schon 2 Tage später wieder gelöscht ist.
    In den letzten Jahren hat sie sich zum Glück endlich etwas gefangen und Abstand von diesem Muster genommen, aber es ist wirklich frustrierend und schwer solchen Menschen dabei zuzuschauen, wie sie sich immer wieder selbst zerstören, weil sie alles gute in ihrem Leben zum implodieren bringen.

  4. Danke für diesen sehr nachdenklichen Post. Ich befinde mich gerade selbst auf der Suche nach „mehr“ Glück für mein Leben: Job an meinem Wunschort, bessere und ehrlichere Freundschaften und Beziehungen, besseres Aussehen und mehr Freizeit für meine Hobbies. Dabei lasse ich mich leider im Alltagsstress immer wieder von einer Abwärtsspirale fangen und werde tage- und wochenlang, von schlechter Stimmung mitgerissen.
    Es hilft mir sehr, wenn ich es dann wieder schaffe den Fokus zu finden und Glück in den kleinen und großen Dingen im Leben zu finden: Sich mal wieder länger von einem (neuen oder alten) Spiel mitreißen lassen, eine neue Serie für sich entdecken, aktiv Sport betreiben, jemanden von sich aus anschreiben und sich verabreden oder die schönen Momente im Job wertschätzen und auskosten.

    Und mein Fazit: Im Leben gibt es Ups und Downs, die man nicht selbst beeinflussen kann. Aber jene oft alltäglichen Dinge, die man beeinflussen kann und seien sie noch so klein, sie sind unser „Powerpool“. Sie dürfen nicht vergessen, sondern sollen wertgeschätzt und genutzt werden.

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