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Er hat es schon wieder getan. CDU-Chef Friedrich Merz mutmaßt darüber, dass Flüchtlinge Deutschlands Wohlfahrtsstaat ausnutzen. Nach Ansicht von Merz zieht Deutschlands »sehr großes« soziales Netz Flüchtlinge und Migranten »aus vielen Ländern erst richtig an«. (Via)

Am 26. September 2022 brachte der CDU-Chef Friedrich Merz in einem Interview mit „Bild-TV“ das Wort „Sozialtourismus“ in den Umlauf. Seit diesen ersten Aussagen erwähnte der Politiker seine Meinung in diesem Fall noch bei einigen weiteren Gesprächen. Dazu gehört unter anderem ein vor einigen Tagen auf t-online veröffentlichtes Gespräch mit Merz zu diesem Thema.

Der Begriff „Sozialtourismus“ beschreibt dabei dann ein angeblich aktuell stattfindendes Phänomen rund um Flüchtlinge aus der Ukraine. Diese Menschen kommen laut Merz aktuell vermehrt nach Deutschland, um hier Sozialhilfe und andere Leistungen zu beziehen. Sobald dieser Vorgang abgeschlossen ist, geht es dann wieder zurück in die Ukraine, wo diese Menschen eigentlich wohnen und ihre Zeit verbringen. Für den Politiker gibt es dieses Problem und es wird wohl immer größer.

»Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge: nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine.«

Viele andere Politiker kritisierten den CDU-Chef für diese Aussagen. Merz selbst entschuldigte sich bereits für seine Wortwahl, weil er damit niemanden zu nahe treten wollte. Trotzdem hielt er an seinen grundlegenden Aussagen zu dieser seiner Meinung nach problematischen Situation fest. Die russischen Medien schlachten die Aussagen von Merz aktuell für ihre eigenen Zwecke aus. Dort wird berichtet, dass man sich in Deutschland über die Flüchtlinge aus der Ukraine empört, wie unzufrieden die Politiker hier über diese Menschen sind und das Politiker in Deutschland gezwungen werden, ihre Aussagen zu korrigieren. Das Ganze unterstützt natürlich die aktuell von Russland gefahrene Linie in den Medien sehr stark.

Warum der gute Herr Merz diese Meinung hat und woher seine Informationen zu dem „Sozialtourismus“ stammen ist aktuell nicht bekannt. Anfragen dazu erhielten wohl keine Antwort. Die Grundlage für diese Vermutungen könnte einem Bericht der Tagesschau zufolge der Nachrichtendienst Telegram bilden. Dort wurde nämlich am 10. September von einem anonymen Nutzer behauptet, dass ukrainische Flüchtlinge mit dem Busunternehmen Flixbus regelmäßig von Deutschland in ihre Heimat reisen. Diese Flüchtlinge beziehen angeblich Geld von Deutschland und sie pendeln danach dann per Bus wieder nach Hause. Die Busse sind deshalb wohl auch permanent ausgebucht.

Einer Untersuchung von Josef Holnburger, Geschäftsführer von CeMAS, zufolge zog diese Nachricht von dort aus dann immer größere Kreise. Der Bericht erreichte recht schnell einige Influencer, die auf der Seite von Russland stehen und das Ganze weiter verbreiteten. Dort etablierte sich dann im September der Begriff „Sozialleistungs-Tourismus“ durch eine Führungsfigur der rechtsextremen Szene. Diese Bezeichnung liegt erstaunlich nahe an dem von Merz häufiger verwendeten Sozialtourismus.

Was nun die Glaubwürdigkeit dieser von Merz unterstützten Theorie betrifft, so gibt es abgesehen von ausgebuchten Bussen keine wirklichen Belege dafür. Laut Flixbus sei die Nachfrage nach Reisen in die Ukraine aktuell zwar noch immer sehr hoch, aber es liegen der Firma keine Beweise für die von Herrn Merz geschilderten Probleme vor. Der Verkehr in die Ukraine hat wohl zugenommen, nachdem sich die russische Armee aus Teilen der Ukraine zurückgezogen hat. Da diese zuvor besetzt gewesenen Gebiete jetzt wieder frei sind, möchten die Menschen natürlich zurückkehren.

Ansonsten dürfen die Flüchtlinge aus der Ukraine seit dem 01. Juni in Deutschland eine Grundsicherung erhalten und Leistungen wie beispielsweise Hartz-IV beziehen. Dafür ist die Bundesagentur für Arbeit zuständig, die überwacht, welche Menschen ihre Leistungen erhalten. Diese Kontrolle findet dabei unter anderem über interne Datenabgleiche mit anderen Börden und natürlich gelegentliche Kontrollbesuche an den gemeldeten Adressen statt. Das Jobcenter ergreift regelmäßig zahlreiche Maßnahmen, um Missbrauch zu verhindern und Täter aufzudecken. Durch all diese Maßnahmen hat auch diese Agentur bisher keine Hinweise auf den sogenannten „Sozialtourismus“ gefunden.

„Die Bundesagentur für Arbeit hat aktuell keine Anhaltspunkte über einen ‚Sozialtourismus‘ nach Deutschland.“

Eine Umfrage bei den Regierungen der 16 deutschen Bundesländer konnte die Aussagen von Merz ebenfalls nicht bestätigten. 13 Landesregierungen äußerten sich zu einer Frage nach Hinweisen auf den angeblichen „Sozialtourismus“. Alle Antworten auf diese Frage fielen ungefähr gleich aus. Niemand konnte ernste Hinweise darauf entdecken, dass es derzeit solch eine Problematik gibt oder größere Gruppen von Flüchtlingen auf diese Weise handeln.

Es sieht aktuell also ganz danach aus, als gäbe es keine Beweise für die Aussagen von Friedrich Merz oder den auf Telegram umgehenden Behauptungen zu dieser Sache. Der Politiker könnte zwar noch immer richtig liegen, aber dafür müsste er dann auch konkrete Daten vorlegen und seine Aussagen belegen. Bisher sprechen nur Dinge gegen den „Sozialtourismus“ und die angeblich damit verbundenen Probleme. Dadurch wird es schwer, die Aussagen zu diesem Thema wirklich ernst zu nehmen.


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17 KOMMENTARE

  1. Natürlich muss man Merz ernst nehmen,der Typ ist Größenwahnsinnig,machtgeil,ist eng verbunden mit blackrock,vertritt die guten alten Konservativen Werte wie Homophobie, Fremdenhass und in die eigene Tasche Wirtschaften.ein trump light,nur hat er noch weniger Ahnung…

  2. Ist halt die alte CDU , Asylanten raus wie in den 80er und 90er! Früher versucht der FAP,DVU,REPs Wähler abzunehmen , heute halt der AFD.

  3. Naja ist doch kein Geheimnis mehr. Problem sind aber nicht die Menschen, die das ausnutzen, sondern die Mechanik, die ein Ausnutzen überhaupt möglich macht. Ein Sozialstaat funktioniert nur, wenn Trittbrettfahrer ausgeschaltet werden aber das hat hier noch nie funktioniert. Sei es bei Flüchtlingen oder H4 Empfängern die keinen Bock haben Mehrwert zu liefern, obwohl sie es könnten. Soll aber nicht mein Problem sein. Irgendwann kommt der Zeitpunkt wo es hier nichts mehr zu holen gibt. Ich denke mal in der kommenden Rezession + Stagflation (oder ggf. Depression) die bis 2025 anhalten könnte, wird sich das Problem lösen. Viel mehr Abschöpfen kann man von den noch zahlenden Bürgern nicht mehr.

  4. Erinnert sich noch wer daran, als Merz sein Comeback angekündigt hatte und einige hier in den Comments gefeiert haben, dass Deutschland jetzt endlich mal einen Finanzexperten bekommt?
    Schnitt ins Jahr 2022 und alles was Merz bislang beigetragen hat ist kompletter Populismus und mangelndes Wirtschaftsverständnig (Stichwort trickle-down-Economy). Wie den Kerl überhaupt noch wer Ernst nehmen kann bleibt mir ein absolutes Rätsel, aber weil er natürlich den „YOLO CDU, wir haben immer Recht!!1“-Schleier hat, funktioniert es sogar.

  5. Im Zusammenhang mit Ukrainern finde ich die Aussage von Merz auch kritisch; den meisten Ukrainern glaube ich wirklich, dass sie vor dem Krieg oder auch vor der Möglichkeit, zum Militär eingezogen zu werden, fliehen. Insofern waren es die falschen Worte zur falschen Zeit.

    Allerdings haben wir selbstverständlich seit 2015 einen Sozialtourismus. Wer den leugnet, den kann ich beim besten Willen nicht mehr ernst nehmen. Und ich habe auch schon vor Wochen/Monaten gelesen, dass über die Ukraine Leute einreisen, die – ich sag mal – nicht unbedingt ethnisch ukrainisch aussehen. Da scheinen sich durchaus auch einige Tourismusrouten etabliert zu haben. Logisch, wenn ich als Schlepper höre, dass wir aktuell alles ins Land lassen, was aus Richtung Ukraine kommt, würde ich auch hellhörig werden, zumal wenn ich weiß, dass Tschechien aktuell seine Ostgrenze verstärkt.

    Also in Bezug auf ukrainische Staatsbürger: nein, Herr Merz. Diese Menschen haben zur Zeit weit größere Sorgen, als dass ihre Priorität wäre, im deutschen Sozialsystem zu schmarotzen. Zählt man jedoch alles, was so aus der Ukraine kommt, sieht es etwas anders aus.

    • > den meisten Ukrainern glaube ich wirklich, dass sie vor dem Krieg oder auch vor der Möglichkeit, zum Militär eingezogen zu werden, fliehen

      Den Leuten aus Syrien demnach also auch, denn da ist ebenfalls Krieg und Militärdienst (zumal es ja teilweise dieselben Leute sind, die da bombardieren). Nur hoffentlich machen die, die aus Syrien kommen, keinen Zwischenhalt in der Ukraine, denn das würde sie dann ja dein Mitgefühl kosten.

      • Wer durch ein halbes Dutzend sicherer Länder durchrennt, um nach Germoney zu kommen, nein, dem glaube ich nicht, wenn er behauptet, nicht von unserem Sozialsystem angezogen zu sein. Mit anderen Worten: Es gibt in Deutschland keinen einzigen Flüchtling aus Syrien im Wortsinne.

        Die Ukraine ist zwar auch kein direkter Nachbarstaat, aber da isses noch irgendwie nachvollziehbar, dass die nicht alle in Polen bleiben können.

        • Warum ist es nicht nachvollziehbar, dass die nicht alle in Polen bleiben können, wenn es gleichzeitig für dich völlig nachvollziehbar ist, dass die alle in den mitunter noch wesentlich ärmeren arabischen Ländern bleiben? Zumal Polen selbst der Meinung war, dass die Syrer doch bitte allein Griechenland bleiben sollen.

          Sag doch einfach, wie es ist: Die einen Flüchtlinge sind dir lieber als die anderen. Das kann man sicher noch damit rechtfertigen, dass uns Ukrainer nunmal kulturell näher sind als Syrer oder das du den Islam ohnehin für die zweite Wurzel allen Übels hälst – aber versuch dich doch nicht an so einer Hirnakrobratik.
          Bist doch sonst so direkt, dass hast nicht nötig.

          • Polen hat halb so viele Einwohner wie Deutschland, ca. 7,5 Millionen Ukrainer sind aktuell als Flüchtlinge in Europa registriert. Mal eben 20% der eigenen Bevölkerung zusätzlich aufzunehmen und durchzufüttern, würde wohl nichtmal der deutsche Schlafmichel mitmachen; Polen – wirtschaftlich deutlich schwächer aufgestellt – würde absolut implodieren.

            Generell bedeutet Flüchtling zu sein eine Notlage auf Zeit. Man flüchtet aus dem eigenen Land, bis ein Krieg vorbei ist, bis eine politische Verfolgung endet. Danach geht es zurück in die Heimat. Da liegt es doch deutlich näher, heimatnah zu bleiben. Deshalb endet der Flüchtlingsstatus im ersten Land, in dem der Fluchtgrund nicht mehr besteht. Zuletzt, als ich auf die Weltkarte geschaut habe, gab es diverse Länder, die näher an Syrien liegen als Deutschland, in denen kein Krieg herrscht. Die Nähe zum Heimatland hat übrigens auch den Vorteil, dass tendentiell weniger verschiedene Kulturen aufeinande knallen. Deutschland als Fluchtziel hat mit Flucht nichts zu tun, sondern nur mit unserem Sozialsystem. Flüchtling zu sein, ist allerdings kein Wunschkonzert, sondern wie gesagt Unterschlupf auf Zeit. Und von den ganzen Schwarzafrikanern seit 2015 will ich gar nicht erst anfangen, da gabs nichtmal valide Fluchtgründe.

            Den Islam brauche ich da gar nicht zu bemühen, weil es bereits zig andere handfeste Gründe dafür gibt, dass unsere südländischen Gäste keine Flüchtlinge sind. Ich werfe auch niemanden seinen Glauben vor, sondern ich werfe unserer (damaligen) Regierung vor, dass sie sehenden Auges massive Einwanderung aus dem gewalttätigsten, archaischsten Teil der Welt zugelassen hat.

        • Die politische Haltung die Verantwortung für Flüchtende und nicht zuletzt die finanzielle Belastung, die damit einhergeht ausschließlich auf die südeuropäischen Staaten abzuwälzen, ist eine absolute Unverschämtheit!

          • Niemand redet von südeuropäischen Staaten. Keiner von denen müsste übers Mittelmeer schippern. Saudi Arabien zum Beispiel liegt viel näher, hätte zugleich den Vorteil, dass die „Flüchtlinge“ sich nichtmal kulturell anpassen müssten. Und ich behaupte mal, dass die Saudis noch leichter Geld ausscheißen können als wir. Und das schon seit 2015, nicht erst jetzt ab der grünen Deindustrialisierung.

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