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Um die NSU-Akten des hessischen Verfassungsschutzes herrscht seit Jahren Streit. Die Familien der Opfer fordern eine sofortige Veröffentlichung, doch die Landesregierung sträubt sich. Stattdessen stellt Satiriker Jan Böhmermann die Dokumente kurzerhand ins Netz. (via)

Mittlerweile gibt es bereits seit Jahren Streit um NSU-Akten des hessischen Verfassungsschutzes. Die Regierung hatte diese Akten ursprünglich einmal für 120 Jahre als geheim eingestuft und diese Zahl später auf „nur“ 30 Jahre reduziert. Kurz darauf haben zehntausende Personen eine Petition unterzeichnet, die die Freigabe dieser Dokumente fordert. Die Ersteller dieser Aktion und die Familien der Opfer erhoffen sich von diesen Akten neue Erkenntnisse über die Morde der rechtsextremen Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrunds (NSU) und mögliche Verbindungen zum Mord an Kassels Regierungspräsidenten Walter Lübcke.

Im Jahr 2021 verteidigte Hessens Innenminister Peter Beuth die Geheimhaltung dieser Dokumente mit einer umfangreichen Erklärung. Laut den Politikern ist es wichtig für die Arbeit der deutschen Sicherheitsbehörden, dass bestimmte Dokumente über Arbeitsweisen und Abläufe eine Zeit lang vor der Öffentlichkeit verborgen sein müssen. Ansonsten könnten Verfassungsfeinde diese Informationen dafür nutzen, um ihre Angriffe zu verbessern und mehr Menschen zu gefährden. Gleichzeitig verwies der Politiker auf das Parlamentarische Kontrollgremium, welches alle diese Dokumente einsehen und notwendige Informationen herausfiltern könnte.

Da eine Freigabe der Informationen durch die Landesregierung somit sehr unwahrscheinlich war, haben in der vergangenen Woche einige unabhängige Parteien einfach selbst angelegt. Die Plattform Frag den Staat und das ZDF Magazin Royale von Jan Böhmermann haben nach eigenen Angaben im Verlauf des gestrigen Freitags einfach einige dieser als geheim eingestuften Akten veröffentlicht. Laut der damit verbundenen Ankündigung sind die Plattformen der Meinung, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat zu erfahren, was für Informationen in diesen Dokumenten stecken. Dafür wurde gestern speziell eine eigene Webseite eingerichtet.

Um die natürlich anonym gebliebenen Quellen dieser Leaker zu schützen, wurden die veröffentlichten Daten in eine komplett neue Form gebracht. Die Akten wurden noch einmal neu abgetippt und in einem neuen Dokument gespeichert, um keine digitalen Spuren zu erzeugen. Bei dem seit gestern im Netz verfügbaren Dokument handelt es sich wohl um einen Abschlussbericht zur Aktenprüfung im Landesamt für Verfassungsschutz Hessen im Jahr 2012. Der Bericht dafür ist auf den 20. November 2014 datiert.

Laut Frag den Staat zeigt dieser Bericht wohl ein recht zweifelhaftes Bild von der Arbeit des hessischen Verfassungsschutzes. Der Dienst sammelte während der 1990er zwar viele Daten und Informationen, aber dabei hatte der Dienst keinerlei Überblick über alle vorhandenen Angaben. Gleichzeitig folgten auf die gesammelten Informationen nicht immer die notwendigen Schritte und Konsequenzen. Insgesamt sind dem Bericht zufolge wohl mehr als 500 Akten aus dem Bereich Rechtsextremismus einfach komplett verschwunden und nicht mehr einsehbar. Was damit passiert ist, lässt sich nicht sagen.

Des Weiteren lasse sich in 30 Belegen wohl ein möglicher Bezug zu dem NSU ableiten. Dabei handelt es sich um bereits bekannte Hinweise mit einer Verbindung zu möglichen Kontaktpersonen oder Namens- bzw. Lichtbildähnlichkeiten zu Personen aus dem NSU-Komplex oder im Zusammenhang mit Interneteintragungen. Trotzdem lässt sich laut dem Verfasser des Berichts aber keine abschließende Sicherheit darüber gewinnen, dass die aufgeführten Punkte in irgendeiner Weise wichtig für den Fall sind. Dafür benötigte man wohl die fehlenden Aktenstücke.

Ich finde es immer wieder interessant, wenn solche Journalisten oder Gruppen es auf sich nehmen, diese Art von Informationen zu veröffentlichen. Je nach Dokument und Land kann das Ganze für die jeweiligen Leaker schließlich ernste Konsequenzen haben. In dieser Sache scheint das Ganze aber wohl nur einige Probleme bei dem Verfassungsschutz in Hessen aufzudecken und die bisherigen Forderungen nach der Freigabe der Akten als unnötig aufzuzeigen.


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8 KOMMENTARE

    • Gut das es selten Individuen sind die Geheimdokumente teilen.

      Das Dokument ging erst durch die Hände von einem oder mehrerer leaker an irgendeine Person im Umfeld des Neo Magazin Royals, danach wahrscheinlich durch viele Hände im Neo Magazin Royal und deren Juristischer Vertretung und danach durch noch mehr Hände bei Frag den Staat und deren Juristischer Vertretung.

      Und das Dokument wurde ja auch nicht einfach so geteilt, sondern neu abgetippt und alle digitalen Spuren beseitigt. Außerdem wurden Personenbezogene Daten nach Protokoll unkenntlich gemacht.

      Dokumente die der Geheimhaltung unterliegen zu leaken ist immer ein schwieriges Unterfangen aber teilweise bitter nötig. Und wenn man zum Entschluss kommt das es in einem Fall nötig ist, kann man das kaum besser machen als in diesem Fall.

  1. Für einen internen Bericht, in dem sich die Behörde SELBST (LOL!) prüft, zu so einem Ergebnis zu kommen, ist schon abenteuerlich und höchst peinlich.

    Da wird dokumentiert, dass sich Nazis bewaffnen und diese werden auch noch gewarnt wenn die Polizei gegen diese ermittelt. Und der Verbleib von über 500 Dokumenten ist selbst für die Behörde unbekannt. Kein Wunder das sie den Bericht zunächst 120 Jahre wegsperren wollten. Konsequenzen gibt es keine.

    De Maizière meinte 2015 wohl mit seiner Aussage: „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern“ genau diesen Bericht.

  2. Ich finde Böhmermann mittlerweile größtenteils nur noch anstrengend mit seinem moralapostolischem Verhalten und den teilweise stark linken Tendenzen. Sowas aufzudecken ist natürlich gut und wichtig, was aber leider wieder damit zerstört wird den Verfassungsschutz insgesamt in Frage zu stellen und dessen Auflösung zu fordern.

    • Mhm, da stellt sich doch die Frage, welcher Wahlzettel bei dir in der Wahlurne landet? Ich als Linksgrünversüfter-Gutmensch finde die Aktionen gegen Rechts von Böhmermann großartig.

      • Tut mir leid aber ich finde diesen Kommentar echt übel und symptomatisch zugleich.
        Erstens ist die erste „Frage“ eine passiv aggressive Unterstellung, denn die Antwort lauter deiner Meinung wohl „AFD“ und zweitens ist es ein Paradebeispiel dafür, was für geringe Triggerreize scheinbar schon reichen damit da eine Person mit Schaum vorm Mund in die Tastatur kloppt. „Ich als Linksgrünversüfter-Gutmensch“ ist dazu noch die Antwort auf eine Frage die niemand gestellt hat.

    • Tja soweit ist es gekommen das der Kampf gegen Neo-Nazis als moralapostolischem Verhalten bezeichnet wird. Etwas was eigentlich demokratischer Konsens sein sollte.
      Und das im VS die hälfte der Mitarbeiter mit gestreckten rechten Arm durch die Ostdeutsche Provinz rennt ist nicht erst seitdem NPD Verbotsverfahren bekannt.

      Aber ja Böhmi ist anstrengend geworden seit dem die da mit Netzpolitk.org, Übermedien usw zusammen das alles aufbereiten.
      Würde mit wieder mehr „Kopf-Tisch“ Humor wünschen wo Opa Eberhard einen Herzkasper bekommt und rumjammert das das doch kein Humor ist .
      Aber na gut ist ja NSU da rennen jetzt halt wieder die braun zugeschissenen AFDler im Kreis, kann man als Linksgrünversiffter Gutmensch mit leben.

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