{"id":3412,"date":"2009-11-18T19:30:28","date_gmt":"2009-11-18T18:30:28","guid":{"rendered":"http:\/\/stevinho.justnetwork.eu\/?p=3412"},"modified":"2013-08-24T15:20:48","modified_gmt":"2013-08-24T13:20:48","slug":"mein-neuer-opa","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/stevinho.justnetwork.eu\/2009\/11\/18\/mein-neuer-opa\/","title":{"rendered":"Mein neuer Opa"},"content":{"rendered":"
Ich wei\u00df, dass viele von Euch sehns\u00fcchtig auf die Fortsetzung meiner Opa-Geschichte warten und sich davon eine hochpolitische Geschichte, m\u00f6glichst aus dem zweiten Weltkrieg, versprochen haben. Ich muss Euch leider entt\u00e4uschen, denn meine Geschichte ist weder politisch, noch handelt sie vom Krieg. Wenn Ihr Euch an den ersten Teil des Blogeintrags erinnert, ging es darum, dass ich einen Opa im Krieg verloren habe und mein anderer Opa vor f\u00fcnf Jahren verstorben ist. Ich bin sozusagen Opa-los, daher m\u00f6chte ich Euch von einem neuen Opa in meinem Leben erz\u00e4hlen:<\/p>\n
Ich wohne jetzt seit fast einem Jahr hier in Schee\u00dfel, genau zwischen Bremen und Hamburg. Auf dem Weg zur Arbeit fahre ich jeden Tag an einem Altersheim vorbei. Schon beim allerersten Mal, quasi zu meinem Vorstellungsgespr\u00e4ch, sah ich vor diesem Altersheim einen alten Mann stehen. Als ich ihn an meinem ersten Arbeitstag ebenfalls vor dem Altersheim stehen sah, fragte ich mich, was er denn dort wohl tun w\u00fcrde oder ob dies einfach nur ein Zufall war. Am zweiten Arbeitstag stand er wieder dort, diesmal wurde ich Zeuge, wie ein Auto mit \u00fcberh\u00f6hter Geschwindigkeit an dem Heim vorbeiraste und der Opa w\u00fctend seinen Zeigefinger hob, um dem Fahrer damit deutlich machte, dass es ziemlich „b\u00f6se“ sei, so schnell zu fahren.<\/p>\n
Ich wei\u00df, dass er der ein oder andere von Euch schon mal mit solchen „Aushilfsverkehrspolizisten“ konfrontiert wurde. Normalerweise sind das immer ziemliche Spinner, die einfach nichts Besseres zu tun haben und sich k\u00fcnstlich aufregen, weil man 2 km\/h zu schnell f\u00e4hrt. Die „Extremsportler“ unter diesen Leuten stellen sich an die Stra\u00dfe und schreiben sich sogar die Nummern auf. Ganz ehrlich: Ich hasse solche Typen – ich denke jeder hasst sie!<\/p>\n
Aber beim Opa am Altersheim ist irgendwas anders. Ich wei\u00df gar nicht, wie ich es beschreiben soll, aber bei ihm habe ich das Gef\u00fchl, dass er einfach eine Aufgabe braucht. Alte Menschen werden heutzutage von ihren Kindern in irgendwelchen Heimen weggesperrt und warten dort quasi nur noch auf ihren Tod. Im Grunde hat ihr Dasein absolut keine Bedeutung mehr.<\/p>\n
„Mein“ Opa ist keiner dieser Klugscheisser oder Wichtigtuer. Er steht an jedem Morgen ab 7 Uhr vor seinem Heim und achtet darauf, dass kein Autofahrer die H\u00f6chstgeschwindigkeit von 70 km\/h \u00fcberschreitet. Er steht dort unten bei jedem Wetter, sogar bei str\u00f6mendem Regen sieht man ihn in seiner Regenkleidung an der Stra\u00dfe stehen und „seinen Job machen“. Anfangs habe ich es noch bel\u00e4chelt und den Kopf gesch\u00fcttelt, wenn er einem weiteren „Geschwindigkeits-Rowdie“ den Zeigefinger „an den Kopf geworfen hat“, weil ich eben dachte, dass er nur ein weiterer Spinner sei, der irgendwie versucht, im Mittelpunkt zu stehen und sich wichtig zu machen. Aber irgendwann merkte ich, dass es hier anders ist. Ich fing an, \u00fcber die Sache nachzudenken: Was w\u00e4re denn, wenn „mein“ Opa Rolf (ich gab ihm irgendwann diesen Namen) sein ganzes Leben lang um 7 Uhr aufgestanden und seiner Arbeit nachgegangen ist? Irgendwann ging er dann in Rente und verlor seiner Frau. Jetzt wohnt der Mann in diesem Altersheim und verbringt seine Tage mit Karten- und „Mensch, \u00e4rger Dich nicht“-spielen…<\/p>\n
Irgendwann kam ich an einen Punkt, an dem ich nachvollziehen konnte, warum der Mann eine Aufgabe braucht. Alte Menschen haben keine Aufgaben mehr, die ihnen anvertraut werden. Wir reden hier nicht davon, dass Opa Rolf irgendwelchen Tr\u00e4umen nachjagt oder je nach Lust und Laune mal einen Tag Verkehrspolizist spielt. Der Mann ist jeden Tag, bei jedem Wetter unten vor der T\u00fcr und achtet auf den Verkehr.<\/p>\n
An irgend einem Tag, ich wei\u00df selbst nicht mehr wann genau, fing ich an, Respekt vor seiner unglaublichen Hartn\u00e4ckigkeit oder besser Zuverl\u00e4ssigkeit zu entwickeln. Jeden Morgen, wenn ich an ihm vorbeifuhr, zauberte es ein L\u00e4cheln auf mein Gesicht, Opa Rolf\u00a0 „bei der Arbeit“ zu sehen. Jedes Mal, wenn ich Zeuge wurde, wie er einen weiteren Raser mit dem Zeigefinger „abmahnte“, feierte ich in meinem Auto. Irgendwann fing ich an, ihm zu winken und respektvoll zuzunicken. Anfangs dachte er wohl, ich wolle mich \u00fcber ihn lustig machen, wie es sicher der ein oder andere Autofahrer tut. Aber da ich auch sehr beharrlich sein kann und damit nicht aufh\u00f6rte, erinnerte er sich wohl irgendwann an mein Gesicht und merkte, dass es mir ernst damit war – also nickte er zur\u00fcck. Mittlerweile winkt mir „mein“ Opa Rolf sogar jeden Morgen – und ich bin stolz drauf!<\/p>\n
Das Leben schreibt manchmal komische Geschichten. Ich habe noch nie mit dem Mann gesprochen und werde es wahrscheinlich auch niemals tun. Trotzdem habe ich das Gef\u00fchl, dass uns irgendwas verbindet. Ich bilde mir ein, dass es Opa Rolf genauso sieht. Vielleicht ist er auch ein kleines bisschen stolz darauf, dass jemand seine Dienste zu sch\u00e4tzen wei\u00df. Denn seien wir mal ehrlich, wer ist schon heutzutage noch bereit, alten Menschen irgendeine Form von Respekt f\u00fcr ihr Tun oder f\u00fcr etwas, das sie leisten, entgegenzubringen?<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
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