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Das Zeugnis ist vernichtend: Obwohl sich viele Teile der Gesellschaft über die Dringlichkeit scheinbar einig sind, spielt Informatik in deutschen Schulen immer noch kaum eine Rolle […] Absolute Schlusslichter in Sachen Informatikunterricht sind hier Bremen und Hessen. Hier gibt es für Schüler der Sekundarstufe I auch im Jahr 2021 keine Angebote. Neun weitere Bundesländer beschränken sich darauf, das Angebot als Wahlfach anzubieten. (Via)

Digitale Bildung in Deutschland ähnelt sehr stark der konservative Politik in unserem Land (was auch der Grund ist, warum immer noch so viele Leute CDU wählen): „Wir verändern möglichst nichts und alles muss so weiterlaufen wie bisher – Neuland wollen wir nicht!“

Wenn man mit Schulen und Bildung nichts zu tun hat und einem hier Erfahrungswerte fehlen, mag man es eigentlich gar nicht glauben, was man hier liest. Aber es stimmt: Ich selbst habe in drei verschiedenen Bundesländern als Lehrer gearbeitet und im Jahr 2021 gehört Informatik (oder das dringend benötigte Fach Medienkunde) noch nicht zum Regelunterricht. Statt dessen wird das Fach maximal als Wahlpflichtfach angeboten. An meiner jetzigen Schule gibt es Informatik gar ausschließlich im siebten Jahrgang, wo es laut Lehrplan nur darum geht, den Kindern Word, Powerpoint und ein bisschen Excel beizubringen.

Unsere Welt wird immer digitaler und in fast allen Bereichen und Berufen finden digitale Medien Einzug. Die Bildung(spolitik) in Deutschland ist aber nicht in der Lage, diese sich verändernden Anforderungen auch nur ansatzweise angemessen in den Unterricht einzubinden. Statt dessen bestellt man in seinem Bundesland ein Online-Lexikon für 2,6 Millionen Euro und klopft sich selbst auf die Schulter, die fortgeschritten doch die eigene Bildungspolitik sei.

Ich sag’s Euch: Als IT-affiner Lehrer verliert man den Glauben an die Menschheit bei dieser Bildungspolitik in unserem Land.




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17 KOMMENTARE

  1. Bin selbst Informatiker (It-Sicherheit, TU Darmstadt) und war während meines Studiums auch als Tutor in verschiedenen Vorlesungen tätig. Dabei ist mir erstmal aufgefallen, wie viele Studenten Probleme mit einfachster Mathematik haben und wir reden hier wirklich über Pillepalle ein bisschen über Leistungskursniveau.

    Meiner unfundierten Meinung nach, müsste das ganze Schulcurriculum entschlackt werden und viel mehr Wert auf die Kernfächer (Sprachen, Naturwissenschaften) gelegt werden um ein Fundament zu schaffen, mit dem man ohne Probleme ins Studium starten kann. Ich weiss nicht wieviel es bringt, immer neue Fächer einzuführen, wenn nicht mal die „wichtigen“ Fächer funktionieren. Gerne kann man „Nebenfächer“ anbieten, aber paar Jahre programmieren in der Schule macht dich nicht zu einem Programmierer, abgesehen davon, dass wenn man sich damit nur im Rahmen des Unterrichts beschäftigt sowieso nichts nennenswertes hängen bleibt.

    Und wenn ich diese Stammtischparolen wie „Die Schule soll mich aufs Leben vorbereiten, warum lerne ich nichts über Steuern“ höre, kriege ich das reinste kotzen. Ne 5 in Mathe, aber dann über das Schulwesen meckern..Das allgemeine Gymnasium soll auf das Studium vorbereiten und nichts anderes und das funktioniert meiner Meinung nach nur mit guten Grundlagen in den universal einsetzbaren Fächern und in alle anderen Bereiche kann man gerne einen Einblick geben, um den Schülern zu ermöglichen für sie interessante Bereiche zu entdecken.

    Ich weiss noch, dass ich einmal die Woche bis 15:30 Unterricht hatte, mittlerweile haben das die Schüler fast jeden Tag und werden trotzdem kontinuierlich schlechter z.B. in den Matheeignungstests an der Uni obwohl mittlerweile jeder Hampelmann im Abitur eine 1 vorm Komma hat. Irgendetwas stimmt doch da nicht.

    • Ganz schwieriges Thema. Wirtschaftlich betrachtet natürlich korrekt und du sprichst der Wirtschaft auf der Seele. Mehr Kernfächer, mehr Fächer die später eher Anwendung finden. Und je mehr man sich dem hingibt, desto weniger Menschen wirds geben die Ihrer kreativen oder handwerklichen Seite nachgehen.

      Nur noch Mathe, BWL, Informatik, Sprachen – blos keine nervige Kunst, Musik und Geschichte muss auch nicht sein – das ist ein gefährlicher Weg. Ich denke der Weg ist, Talent frühzeitig zu erkennen und zu fördern.

      Warum hat jeder Hampelmann eine 1 vorm Komma im Abitur oder meint studieren zu müssen? Weil es Gesellschaftlich mittlerweile so ist, das Kreatives und Handwerk nichts mehr Wert ist. Jeder muss Studieren, immer höhere Zahlen. Das Handwerk sollte gestärkt werden. Soziale Berufe sollten gestärkt werden. Nicht jeder muss Fischlin und Buchmann überstehen 😉

      • Also erstmal das wichtigste: Fischlin <3

        Ich stimme dir ansonsten absolut zu, ich sehe absolut den Stellenwert von kreativen Fächern und auch Sport, da Kinder nie mehr so einfach wie in jungen Jahren ein Körperempfinden entwickeln. Bei uns war aber auch der Deutsch und Englisch-Unterricht in der Oberstufe eigentllich nur noch Kunst. Literatur und Kultur und ich will das auch gar nicht schlecht reden. Es wird ja immer angeprangert wie nutzlos z.B. Gedichtanalysen wären, aber das sehe ich definitiv nicht so.

        Was ich aber kritisch findesind diese ganzen "neuartigen" Nebenfächer. Warum muss ein Schüler der weder richtig Integrieren noch Differenzieren kann ein Fach wie BWL/VWL in der Schule haben. Warum sollte jemand lernen, wie eine HTML-Seite aufgebaut ist. Warum muss ein 15 Jähriger, der keine Ahnung von den theorethischen Grundlagen hat, von einem Lehrer der nur ein bisschen mehr Ahnung hat, Themen wie Turing-Maschine oder Betriebssysteme lernen. Wenn so etwas besprochen wird, dann ist es doch sowieso derart oberflächlich, dass da kein Mehrwert entsteht. Das sind alles Themen die sich jeder halbwegs Interessierte Mensch im Studium noch aneignen kann. Ich persönlich würde lieber einem Mathe-LKler mit 13 Punkten, der logisch denken kann, das Pumping-Lemma erklären, als einem Schüler der in der Schule ein bisschen in einem nach 3 Wochen veralteten JavaScript-Framework "Hello World" geschrieben hat. Deswegen fände ich es einfach besser solche Fächer zu kicken und stattdessen die Grundlagen richtig zu machen.

        Jedes Studium ist darauf ausgelegt, bei 0 anzufangen, weil jedes Bundesland und auch jede Schule die Schüler anders vorbereitet. Jeder hat die Chance, sich die spezifischen Inhalte des Studiums ohne Vorkenntnisse anzueignen. Was aber eben nicht mehr gemacht wird sind die Grundlagen aus den Kernfächern in der Schule zu wiederholen.

        Ich habe oft das Gefühl, dass in der Schule mittlerweile versucht wird die verpasste Erziehung der Eltern zu übernehmen. Daraus resultieren dann vollgestopfte Stundenpläne, 11 Jährige die im Prinzip 9-5 Jobs in der Schule haben und am Ende trotzdem nichts lernen.

        Fächer wie Ernährung, Medienkunde, politische Bildung sind eigentlich DInge von denen man erwarten müsste, dass Eltern sie ihren Kindern in der Erziehung vermitteln. Stattdessen geht der Trend immer mehr dahin, dass Eltern Kinder bekommen und dann erwarten dass diese von Lehrern zu vollwertigen Mitgliedern der Gesellschaft erzogen werden und das kann die Schule meiner Meinung nach nicht leisten.

        Das geht schon im Kindergarten los. Meine Mutter ist Erzieherin und klagt immer wieder darüber, dass es immer mehr 4 Jährige gibt, die noch WIndeln tragen, nicht allein auf die Toilette gehen oder sich die Schuhe anziehen können. Sie sagt so etwas hätte es vor 20 Jahren nicht gegeben und wenn dann wäre das die absolute Ausnahme gewesen und um diese Kinder hätte man sich dann auch gezielt kümmern können. Heute ist das so verbreitet, dass es eben nicht mehr möglich ist, das bei allen nachzuholen.

  2. Ich glaube, die einzige Partei, die in Sachen digitaler Kompetenz so etwas wie ein Lichtblick wäre, ist – da es die Piraten nicht mehr gibt – die FDP.

    Und das im Ausschlussprinzip: CDU/SPD können es erwiesenermaßen nicht, die AfD hat ganz andere Schwerpunkte, und von den Grünen ist auch nichts zu erwarten. Letzteres kann ich aus eigener Erfahrung sagen, denn schließlich komme ich aus dem Land mit dem einzigen grünen Ministerpräsidenten, und wir haben uns in den letzten 10 Jahren auch nicht in Sachen digitaler Bildung hervorgetan. Vielleicht hat BaWü einen gewissen Vorsprung, was schnelles Internet auch auf dem Land angeht, aber das resultiert wohl eher aus der hier angesiedelten Industrie, nicht aus politischer Kompetenz.

    Ich will auch hier gar nicht darüber herziehen, mit welchen Schwerpunkten uns ein Bundeskanzler Habeck beglücken würde (Stromrationierung, grenzenlose Verbuntung usw.), aber digitale Schulpolitik stünde da genauso weit unten auf der Agenda.

    Das Problem der FDP ist halt, dass sie abgesehen davon für Beliebigkeit steht. Und deshalb ist es genauso vergeblich, hier für die FDP zu trommeln.

    Fazit: dieses Land ist auf Jahrzehnte am Arsch!

  3. Unsere Rahmenrichtlinie für das Fach Informationsverarbeitung wird jetzt von 2001 endlich mal erneuert. Ich habe damals noch zur dieser Rahmenrichtlinie mein Abi gemacht und unterrichte nun dasselbe 😛

  4. Und auch hier: Wir nehmen es doch schon Jahrelang so hin und wählen alle 4 Jahre wieder die gleichen welche in dieser Richtung 0,0 bewegen.

  5. Sachsen ist das Paradies in Deutschland! Ich selbst bin Informatik-Lehrer an einer Oberschule. In den Klassenstufen 5 und 6 wird die Fächerkombination Technik/Computer unterrichtet, dort werden die Grundlagen geschaffen. Ab Klassenstufe 7 ist dann Informatik ein normales Unterrichtsfach wie jedes andere auch und wird bis Klassenstufe 10 als 1-Stundenfach in allen Stufen unterrichtet.
    Auf den Gymnasien das Gleiche in der 5. und 6., dann Informatik ab der 7. bis in die Oberstufe! Und in den Grundschulen werden die Kinder in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht auch schon an den PC herangeführt, indem sie für das jeweilige Fach Übungen am Computer machen.

  6. In meiner Schulzeit hieß es schon das ist die Zukunft aber die Lehrer waren zum größtenteils abgeneigt, solche Sätze wie „Das ist Teufelszeug das Fass ich nicht an.“ oder „Ich bin schon so alt das brauch ich nicht lernen.“ Habe ich damals oft gehört vielleicht ist das der Grund? Wie kann es so etwas sein das ist doch der verkackte Job und sich zu weigern ohne Konsequenzen.

  7. Da gebe ich dir vollkommen recht.
    Ich frage mich allerdings wer das unterrichten soll?
    Wenn ich mich an meine schulzeit zurück erinnere waren doch 90% der lehrer schon mit der bedienung des videowagens überfordert.
    Viele dinge die man im Leben definitiv später braucht oder brauchen könnte stehen leider nicht auf dem lehrplan.
    Und wenn werden sie oft nur kurz angerissen.

  8. Ich empfand unser Bildungssystem schon immer als ziemlich altbacken allerdings bin ich aktuell nicht mehr auf dem neusten Stand. Vielleicht kann mich wer mal aufklären.

    Wir haben damals viel Zeit verschwenden um Wissen zu lernen, was wir später nie wirklich mehr gebrauchen konnten (hängt halt von der Schulform ab) grade im Bereich der Mathematik auch mussten wir viele Themen bis zum Erbrechen wiederholen grade das Thema 2 Weltkrieg hat mich jedes Jahr aufs neue verfolgt.
    Es wurde einfach viel Zeit verschwendet die man für wichtigere Themen hätte nutzen können.
    Es erschien mir einfach nicht effizient.

    Die Lehrkräfte waren damals alle kurz vor der Rente und dementsprechend sehr oft krank und ziemlich unmotiviert und ausgebrannt da wir auch einen Lehrkräftemangel hatten.
    Immerhin scheint sich im Bereich Lehrkräfte ne Menge getan zu haben.

    Damals hat das Geld bei uns an allen Ecken gefehlt.
    Meine damalige Schule musste alle Musikinstrumente verkaufen, weil das Geld gefehlt hat.
    Es haben Klassenräume gefehlt und so wurde der Musikraum und nen Abstellraum im Keller zum
    Klassenzimmer. Teilweise hatten die Klassen Größen von bis zu 30 Schülern.

    Die Bildung kommt in Deutschland halt wirklich viel zu kurz in allen belangen

  9. Damals auf der Realschule (2002-2006) wurde bei uns auch Informatik als Wahlpflichtfach angeboten. Allerdings habe ich freiwillig in der 7. Klasse mit Französisch angefangen und durfte dann kein anderes Fach wählen. Außerdem waren die Plätze immer sehr knapp bemessen, also die Chance da auch reinzukommen, war immer sehr gering, da die Nachfrage immer sehr hoch war (Warum auch immer, damals war so „nerd“ Kram eigentlich nicht gerade Mainstream).
    Da ich auch beruflich in die IT wollte und privat damals schon gerne alles selbst zusammen gebastelt und viel mit meinem Rechner gemacht habe, war ich dementsprechend ziemlich traurig.
    Aber als ich dann gehört habe, was da unterrichtet wurde, war die Traurigkeit ziemlich schnell verflogen 😀

  10. Ist ja nicht das einzige digitale Problem was in Deutschland vorhanden ist.
    Man darf sich halt nicht auf Erfolg ausruhen. Ich glaub einigen ist nicht so ganz klar, das man Digitalisierung nur schwer aufholen kann und auch eine große Möglichkeit besteht in einen Abwärtsstrudel zu gelangen, während andere Länder vorbeiziehen (oder schon sind). Am Ende leidet halt der Wohlstand. Wie auch damals schon gesagt. Der Wohlstand ist nicht gesichert und vielleicht muss es erst 10 Jahre abwärts gehen bis was passiert. Und was ist, wenn wir immer weniger exportieren können, da dank 3D Druck immer mehr Länder selbst produzieren? Wer weiß wie es in 10 Jahren aussieht. Irgendwelche revolutionären Dinge hat die Politik die letzten 10 Jahre nicht hervorgebracht, zumindest fällt mir nichts ein.

  11. Lustig, in Sachsen ists glaub regelfach, ich hatte es das erste mal 2002 in der 7. und dann bis zur 12. hoch, konnte man auch nicht abwählen im Abi.
    Kann sein, dass es mittlerweile eher kommt.

    • Hmm, ich hatte es 1993 als P4 im Abi.
      Wir hatten es 3 Jahre als Epochalfach (Also immer nur ein Halbjahr)
      und das waren immer Themenblöcke.
      1x Hardware und Technische Grundlagen
      1x Software und logische Grundlagen
      1x Programmierung (Damals noch in Turbo Pascal)
      War schön damals.
      Zumal die Nerds immer Zeit hatten sich was auszudenken, da es leider an alle angepasstes Lerntempo war und damals schon einige nicht technikaffin.

      • Bei uns war das ab der 7. doppelstunde, glaub alle 2 wochen, wegen pc mangel. also eine wochenstunde immer, wir haben auch das gemacht, was du schreibst, programmieren glaub in basic.

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