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Die ersten drei Folgen der zweiten Staffel von The Rings of Power legen viel Wert darauf, den Zuschauern zu vermitteln (Spoilerwarnung), dass die Orcs in dieser Welt etwas vielschichtiger sind, als in anderen Medien vermittelt wurde. Bisher galten die Orcs von LotR einfach nur als absolut böse Wesen, die Sauron dienen und alle guten Völker niedermachen wollen. Adar und seine Untergebenen wollen in Rings of Power aber nichts mit Sauron zu tun haben. Sie sind zwar noch immer keine netten Personen, aber ihr Ziel ist eher die Gründung einer eigenen Heimat und die Unabhängigkeit.

Durch diese Szenen und die oft überraschend böse präsentierten Taten der „Guten“ (Anlegen der 3 Ringe) wirkt die gesamte Geschichte deutlich grauer. Die Orcs sind nicht mehr ganz so böse, die Elben, Zwerge und Menschen machen einen deutlich negativeren Eindruck und alles versinkt in einer moralischen Unklarheit. Während „graue“ Figuren und Geschichten normalerweise eine gute Sache und ein interessanter Faktor sind, so würde ich das Ganze in LotR aber als eine eindeutige Fehlentscheidung und ein Problem einstufen.

Die von Tolkien erschaffene Welt ist vermutlich das beste Beispiel für eine Geschichte, die eindeutig Schwarz und Weiß ist. Das Ganze ist eine grundlegende Story rund um den Kampf zwischen Gut und Böse und die Grenzen sind mit einigen wenigen Ausnahmen sehr eindeutig gezogen. Es ist effektiv in der Lore etabliert, warum die Orcs ein rein böses Volk sind und wer dafür verantwortlich ist. Gleichzeitig sind die Elben im Grunde ein gutes Volk. Daran zu schrauben und die Orcs als moralisch graue Gegner von Sauron zu präsentieren spuckt nicht nur auf die Lore, sondern es wirft dieses Volk auch in den Einheitsbrei an modernen Fantasy-Wesen.

Staffel 1 von LotR hat mit Sauron bereits mehr graue Ebenen eingebaut und Staffel 2 macht die Situation noch schlimmer. LotR ist die Grundlage für beinahe alle modernen Geschichten im Fantasy-Genre und die Welt ist bereits interessant genug. Es braucht keine moralischen Grautöne oder eine Vermenschlichung der vorhandenen Bösewichte, um eine wirklich beeindruckende Geschichte zu erzählen. Es gibt bereits genug Geschichten mit unzähligen Grautönen (GoT, Shogun, TWD) und LotR muss diesem mittlerweile etwas lästigen Hollywood-Trend nicht auch noch folgen. Dieses Element ist ein klares Anzeichen dafür, dass die Showrunner weiterhin keine Ahnung haben und lieber ihre eigene Geschichte erzählen wollen!


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8 KOMMENTARE

  1. naja es kommt halt auf die perspektive an. alles im leben ist relativ. wenn man den blickwinkel des vermeintlich „bösen“ einnimmt dann schärft das nicht nur den intellekt sondern bewahrt einen auch vor fatalen fehlurteilen in dem man andere aburteilt. war zum beispiel der schulhofschläger einfach nur böse? wenn man dann aber den blick darauf lenkt das er von seinen eltern verprügelt wird dann sieht die sache ganz anders aus.
    oder handelt es sich wirklich um einen räuber? vielleicht lebt er auch in bitterer armut und wenn er dann den reichen etwas wegnimmt dann ist das denke ich mehr als gerechtfertigt und sollte auch nicht verurteilt werden. das könnte man ewig so weiter gehen.
    wichtig ist nur das alles relativ ist und wenn man genau hinschaut findet man viel unter der oberfläche was alles erklären kann.
    die „grauen“ orcs sind dafür das perfekte beispiel denn in unserem leben ist es nicht schwarz/weiss sondern viele viele grau töne.

    • Das mag im Alltag so sein, aber nicht im Herrn der Ringe und in Tolkiens Welt. Es gibt auch verschiedene Beispiele in Büchern und Filmen, in denen die Grenze zwischen Gut und Böse verschwimmt. Darth Vader zum Beispiel hat eine tragische Vergangenheit und wurde vom Bösen verführt. Magneto aus X-Men ist nicht das Böse an sich, sondern hält seine Handlungen für notwendig, um das Leben der Mutanten zu schützen. Auch im Herrn der Ringe gibt es Figuren, die sich in der Grauzone befinden (z.B. Grima Schlangenzunge).

      Dies gilt jedoch nicht für die Orks und Sauron. Der Herr der Ringe basiert auf dem einfachen Grundkonzept von Gut und Böse. Sauron hat keine andere Motivation, als ganz Mittelerde zu zerstören und zu beherrschen. Dazu bedient er sich seiner Geschöpfe. Deren größte Stärke ist, dass sie blind, ohne zu zögern und ohne Gefühl Befehle befolgen und in die Schlacht ziehen. Deshalb sagt auch Theoden: „So viel Tod, was kann der Mensch tun gegen solch hemmungslosen Hass?“ Man muss nicht in jedem Medium das Gute suchen, sonst verblasst das Heldische in diesen Geschichten. Niemand käme auf die Idee, „Alien“ aus den Filmen von Ridley Scott zu vermenschlichen oder anderen Monstern aus Horrorfilmen menschliche Gefühle zu geben.

  2. Ist es echt ein neuer Hollywoodtrend, dass die Antagonisten nicht einfach nur böse sind und der Held auch makel hat? Das zieht sich doch quasi durch die ganze Filmgeschichte und macht für mich meist erst einen guten Film aus, wenn die Figuren mehrschichtiger sind.

  3. Damit die Orcs vielschichtiger zu machen habe ich kein grundsätzliches Probelm. Die Babyszene finde ich trotzdem unpassend. Ich habe die Tolkien-Orcs bisher immer als Schwarm-Armee, Masse statt Klasse, ohne Rücksicht auf Verluste, Last-Orc-Standing wahrgenommen. Das kann nur funktionieren, wenn Verluste schnell ausgeglichen werden. Hohe Reproduktion gepaart mit schnellem Wachstum, fehlende Reife und wenig Empathie. Da passt die gezeigte Szene „repräsentatives Liebespaar mit Einzelkind“ für mich einfach nicht in’s Bild. Das klassische „desillusionierter Veteran versucht den draufgängerischen Jungspunden Vernunft einzutrichtern“ Klischee hätte meiner Ansicht nach besser gepasst.

  4. Also zunächst einmal war von Minut 1 an klar das hier „eine eigene Geschichte“ erzählt werden soll. Amazon hat *nicht* die Rechte am Silmarillion, sie mussten also so oder so etwas eigenes machen.

    Weiterhin ist der Split zwischen Gut und Böse bei Tolkien zwar einerseits sehr klar, auf der anderen Seite aber auch sehr verwaschen. Als „Böse“ ist normalerweise definiert, was auf Morgoths Seite steht. Das hat durchaus naheliegende Gründe, da Morgoth die Misstöne im Lied der Ainur darstellt und viele der bösartigen Kreaturen auf ihn zurückgehen, wie etwa die Orks, die Balrogs oder auch die Drachen. Aber eben nicht alle – bestes Beispiel dafür wäre Ungoliant, die ein natürliches Übel darstellt (vermutlich…definitiv aber kein Morgoth-Übel).

    Die Menschen sind seit jeher eine Grauzone in Tolkiens Werk, was auch wichtig ist. Denn nur wo Grau ist, wo Wahl ist, kann man sich für das gute Entscheiden. Und es kämpfen ja auch Menschen auf beiden Seiten, sowohl unter den „normalen“ Menschen als auch unter den Erben Numenors.
    Jetzt könnte man natürlich die Elben als das klar „Gute“ darstellen, aber….eh. Auch unter den Elfen gab es Bürgerkriege, insbesondere rund um die ganze Silmarill-Geschichte. Und selbst die Maiar können offensichtlich beeinflusst werden, siehe Sauron, die Balrogs, Saruman und unter Umständen auch die Blauen Zauberer.

    Last but not least wurde es, soweit ich weiß, schon häufiger angeschnitten, das die Orks Sauron hassen, wie sie auch sich selbst hassen. Orks sind grausame, deformierte Lebewesen, natürlich verachten sie sowohl ihre eigene Existenz als auch den Dunklen Lord, der sie befehligt. Sauron selbst hat schließlich auch keine Zuneigung für die Orks. Sie waren zwar seine Armee, aber wirklich herrschen wollte er über die Menschen und Elfen.

    Long story short: Man kann Rings of Power ja auch weiterhin scheiße finden, aber vielleicht sollte man seine Kritik nicht zu sehr generalisieren. Das Legendarium ist mittlerweile viel zu umfangreich, viele Dinge, die in Lord of the Rings etabliert wurden, halten nur noch bedingt stand oder wurden massiv ausgebaut.

  5. anzumerken ist das Tolkien oft danach gefragt wurde und in späteren Briefen, besonders letter 153 klargestellt hat das Orcs eben nicht 100% Böse sind sondern (vereinfacht dargestellt) ins Böse manipuliert wurden.

    Und zu der meist diskutierten Szene mit der Orc Familie, auch das ist etablierter Canon, da Orcs sich normal fortpflanzen können, was auch die Orc/Human oder Orc/Elves Hybriden erklärt. Hier muss man fairerweise sagen das die Peter Jackson Filme mit Ihrer Darstellung der „Geburt“ der Uruks einen Lorebruch begangen haben und alle dies als Fakt ansehen, was halt schlicht falsch ist, sondern die Uruks von Saruman das Ergebnis von Breeding zwischen Orcs und Dunlaindern ist.

    Also ist dein letzter Satz das die Showrunner keine Ahnung haben auch falsch…

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