Ey Leute, ich bin heute in der Schule ohne Witz zehn Jahre gealtert. Ich habe eine fünfte Klasse in Informatik und im Unterricht mit „Grundlagen am PC“ angefangen. Sie sollten heute folgendes tun (Arbeitsblatt mit Schritt für Schritt-Anleitung – haarklein erklärt): Einen neuen Ordner auf dem Desktop anlegen und diesen umbenennen. Anschließend in Word zwei kurze Sätze schreiben und diese formatieren (einen fett, einen kursiv). Zum Abschluss sollten sie das Word-File in dem zu Beginn angelegten Ordner speichern. So weit, so gut.
Eine Hand voll Schüler war damit nach spätestens zehn Minuten durch, der Rest der Klasse hat dafür fast die gesamten 60 Minuten (wir haben volle Stunden) gebraucht. Da wurden absolute Kleinigkeiten zu unüberwindbaren Hindernissen. Obwohl auf dem Arbeitsblatt wirklich detailliert beschrieben war, was man tun muss, um zum gewünschten Ergebnisse zu kommen, waren einige Schüler offensichtlich schon mit dem Lesen überfordert.
Ein Beispieldialog:
Schüler: „Herr Krömer, was muss ich jetzt mit dem Text machen?“
Krömer: „Steht auf dem Blatt: Du solltst einen Satz fett machen und einen kursiv – beide Schaltflächen dazu findest Du hier oben (mit dem Finger auf dem Monitor gezeigt).
Schüler: „Okay, danke!“
Ich gehe weiter und stehe eine Runde später wieder neben ihm.
Schüler: „Ist das richtig, Herr Krömer?“
Krömer: Wieso sind Deine beiden Sätze unterstrichen???“
Ein Mädchen fragt mich, wie sie den Vollbildmodus beenden kann, woraufhin ich ihr sage, dass sie dazu die ESC-Taste drücken müsse: „Die ist ganz oben links in der Ecke“. Nach einigen panischen Blicken auf die Tastatur, fängt sie an, auf die Enter-Taste rechts unten zu hämmern. Und so ging es gesamten sechzig Minuten.
Abgesehen davon, dass die Kinder immer sehr aufgeregt sind, wenn sie an die Rechner dürfen, fehlt es neben IT-Grundlagen auch an Dingen wie Lesen oder richtig Zuhören – aber das schiebe ich jetzt mal auf die Aufregung bzw. auf die Frustration, weil man irgendwie nicht weiterkommt, es aber trotzdem selbst schaffen will.
Die Kinder sind zwischen 10 und 11 Jahre alt. Jetzt mal die Frage an Euch: Ist es gut oder schlecht, dass ein Großteil der Klasse keinerlei Erfahrungen mit Computern hat? Man könnte jetzt argumentieren, dass es durchaus sinnvoll ist, dass die Kids ihre Kindheit genießen und sich nicht schon im jungen Alter mit PCs auseinandersetzen – weil sie das eh noch früh genug lernen. Das Gegenargument wäre die Tatsache, dass wir in einer extrem medialen Welt leben und dass es durchaus Sinn macht, sich mit seinem Kind hinzusetzen und ihm/ihr PC-Grundlagen beizubringen.
Es fällt mir sehr oft auf, dass Eltern, die sagen, dass ihr Kind auf keinen Fall an den Computer darf („das wäre noch viel zu früh!“), nicht davor zurückschrecken, ihrem Sprössling schon in der Grundschule ein Handy zu kaufen – woraufhin die Kids meiner Erfahrung nach viel Zeit in WhatsApp/Social Media (Mädchen) und Zocken (Jungs) stecken.
Man könnte also sagen, dass die junge Generation nicht IT-affin sondern eher Handy-affin ist. Was ist für die Kinder wohl besser: Sie dauerhaft ins Smartphone glotzen zu lassen oder ihnen Dinge am Rechner beizubringen, die sie später wirklich brauchen?
Wie seht Ihr die ganze Sache?
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Wenn Fünftklässler an „IT-Problemen“ scheitern, die selbst mein 70jähriger Stiefvater noch hinkriegen würde, der ansonsten wirklich ständig überfordert ist mit Computern, mach ich mir wirklich Sorgen. Kombiniert mit der um sich schlagenden (und von vielen Erwachsenen aktiv vorgelebten) Lesefaulheit der Menschen züchtet man sich da halt eine Generation an, die im wichtigsten Zukunftsfeld nichtmal die Grundlagen hinbekommt.
Dazu gibt es aber auch eine schöne Geschichte von Thor/PirateSoftware:
Er erzählt davon, dass er auf einer Art Minecraft-Convention war und sie da einige PCs aufgebaut haben zum ausprobieren. Nach dem ersten Tag haben sie schon Maus und Tastatur an dem PC abgebaut, weil kein Kind mehr damit umgehen konnte. Und am zweiten Tag ist ihnen dann aufgefallen, dass ca. 50% aller Kinder sich vor den PC setzen, den Controller vor sich beiseite schieben und anfangen, auf dem Bildschirm herumzupatschen, weil sie Gaming nicht anders kennen als über ein Touchpad.
Natürlich geht es da „nur um Gaming“. Aber aus eigener Erfahrung: Ich bin PC-affin geworden, weil ich am PC gezockt habe. Lange bevor ich lesen konnte hab ich am PC meiner Eltern gesessen und Die Siedler 2 gezockt. Warum wollte ich später einen eigenen PC haben und warum habe ich soviel Zeit daran verbracht? Natürlich weil ich zocken wollte. Der ganze Rest kam praktisch von alleine und nebenbei.
Heute fragen die Kids halt, ob sie am elterlichen Handy zocken können bzw. haben selbst ein Handy. Ist auch nicht gesünder für das Kind, aber es fehlt eben die Affinität mit dem PC. Und auch, wenn ich nicht die größte Testmenge habe: Ich hab nicht das Gefühl, dass die 18-22jährigen wirklich verstehen, was sie da den ganzen Tag in Händen halten. Klar, bedienen können die ihr Telefon alle im Schlaf, aber sobald das kleinste Problem auftritt sind 9 von 10 Nutzern aufgeschmissen.
Ich arbeite in der IT, daher sehe ich sehr viele Leute, die aus diversen Gründen keine Ahnung haben.
Man denkt, dass das meist ältere Kollegen sind, aber das zieht sich durch alle Altersgruppen durch.
Finde das an sich ja auch gut, mein Job bleibt somit sicher wie das Amen in der Kirche.
Das Problem in meinen Augen ist am ehesten, dass auch generell Medienkompetenz fehlt. Sowohl im Bereich des „was darf man klicken / öffnen“, was aber auch Hand in Hand in EDV generell geht. Ordner anlegen zum Beispiel ist von dir ein super Beispiel, evtl beim nächsten Mal noch mit mehr Fokus auf Dateien verschieben / ordnen. Also zum Beispiel diverse Dateitypen und entsprechende Zielordner ala „Katzenbild und Katzenvideo markieren und per Drag and Drop in den Katzenordner“. Oder Step 2 mit Zwischenablage
Wir mussten das damals alles lernen, um irgendwie online zu kommen und Dinge zu tun. Heutzutage wird einem viel abgenommen, man versteht dadurch aber die Hintergründe halt nicht.
Ich habe im Handelsblatt letzte Woche einen Artikel gelesen, in dem dein Eindruck durch eine Studie bestätigt wurde. Ist leider hinter einer Paywall (https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/icils-studie-zeigt-alarmierende-digitalkompetenz-von-deutschen-schuelern/100085842.html).
Ein Ausschnitt daraus:
Besonders besorgniserregend sei, dass 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler (der achten Klasse) lediglich die ersten beiden Kompetenzstufen von insgesamt fünf erreichten. Das bedeutet, wie die deutsche Studienleiterin Birgit Eickelmann von der Uni Paderborn erklärt: „Die können im Prinzip nur klicken und wischen.“
Viele Kinder sind heutzutage viel auf TikTok etc. unterwegs – dadurch lernt man aber noch lange keine Medienkompetenz. Im schlimmsten Fall glaubt man dann noch alles was man dort sieht und landet in fragwürdigen Echo-Chambers…
Ich glaube gerade hier erfüllt Schule eine unfassbar wichtige Funktion! Einfach nur zu glauben, die Kinder würden sich heutzutage sowieso mit digitalen Medien auskennen, halte ich für eine katastrophale Fehleinschätzung.
Meine Kollegin 50+ benimmt sich nicht anders. Am Alter und Bildungsgrad kann es also nicht liegen 😉
Kopf Hoch.
Viele haben nur noch einen Laptop zu Hause um lästigen Bürokram zu erledigen der am Smartphone/Tablett zu umständlich ist. Also Freizeit findet dort kaum vor dem PC statt so wie früher. Gezockt wird am Smartphone oder Konsole. Entsprechend kommen die Kinder kaum noch mit klassischen PCs in Kontakt. Das Ergebnis hast du dann im Unterricht sitzen. Schade aber wohl der Lauf der Dinge.
Hier kommt wohl eine ganze Generation an die Penne, die nicht mit dem klassischen Computer groß geworden ist, sondern nur noch Tablet und Smartphone. Da gibt es eben keine ESC Taste.
Ich wünsche dir noch viele Nerven. 🙂
Ich glaube einen Windows PC zuhause zu haben, ist ein total Nerd Thema, eine völlige Nische. Das war mir lange selbst nicht bewusst bis ich festgestellt habe dass gerade meine jüngeren Arbeitskollegen das World Wide Web fast nur noch durch das Smartphone oder SmartTV wahrnehmen. Alleine die einfache Bedienung stellt für die eine große Hürde dar. Schein als hätte Computerkompetenz mit den Jahrgängen bis 2000 seinen Peak gehabt.
Dies ist auch so. Uns wurde vor ein paar Jahren in unseren ersten Schulpraktikum gesagt, dass die Computerkenntnisse immer schlechter werden, einige Familien haben nichtmal mehr einen PC zuhause, es läuft alles nur noch über das Tablet/Smartphone.
Bei uns bekommen die Kids ab der 2. Klasse Schultablets, da läuft das auch immer super. Die meisten kennen das auch schon von zuhause, sind auch super einfach zu bedienen. Bei PC-Grundkenntnissen versagen dann aber quasi alle.
Dies ist aber nicht nur seit Jahren bei Schüler und Schülerinnen zu beobachten, auch bei mir an der Uni wird das immer schlimmer.
Unser VPN für die UNI (benötigt für den Fernzugriff auf viele Bib-Bücher z.B.) hat schöne bebilderte Anleitungen, für jedes Betriebssystem/Smartphone/Tablet, aber wieviele damit Probleme haben den einzurichten, ist schon erschreckend. Klar prozentual ist es jetzt natürlich keine Vollkatastrophe, aber das es dort bei Studierenden Probleme gibt, zeigt doch schon gewisse Problematiken auf.
Sind alles reine Anwender, was Steve beschreibt ist für die komplettes Neuland. Mit Ordner und co kommst du i.d.r auf Tablets/Smartphones nicht in Kontakt.
Grundkenntnisse sind echt nötig, bei meiner Tochter auf dem gym gab es ab der 7ten Klasse arbeiten mit dem Laptop im Unterricht. Verstehe nur nicht warum trotzdem noch nen Block in der Woche auf Papier geschrieben wird… Und natürlich machen die Kinder an den Laptops alles Andere als damit arbeiten 😅🙈
Bei uns an der Schule bekommen alle Schüler ab der 7. Klasse ein Schul-iPad, mit dem dann im Unterricht fast ausschließlich digital gearbeitet wird.
Ja, aber eben nur ein Pad mit Apps oder?
Wir sind halt die „Lost-Generation“ die noch IT mit einem PC kennen gelernt hat. Heute übernimmt das eine App. Guck dir doch mal die Smartphones der Leute an. Ein totales Datenmüll Chaos was sich da bei Bildern und Co abspielt. Keiner sortiert mehr… alles in der App und fertig. Die AI wirds schon ordnen 😉