Start Bericht „Spiel 13“ in Essen

Bericht „Spiel 13“ in Essen

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Hat man eine Messe besucht, kennt man sie alle. An die perfekt designten Messestände locken laute Musik, große Werbeflächen und natürlich gutaussehende Hostessen. Schafft man es durch die Menschenmenge auf einen der Stände, kann man dann auch mit Glück mit einem gelangweilten Vertriebler über das angebotene Produkt reden, wobei das daraus resultierende Gespräch ungefähr den Informationsgehalt einer Cornflakes-Packung hat. Den Gedanke, das beworbene Produkt einmal anfassen zu dürfen (um es gründlich zu testen), sollte man sich gleich aus dem Kopf schlagen. Ohne mit Großkunden-Deals oder Presseausweisen zu winken, darf man nur gucken, aber nicht anfassen.
 
Bei „Spiel in Essen“ ist das alles etwas anders…
Der perfekt designte Stand besteht meist aus ein paar Tischen, auf denen Spielmaterialen ausgebreitet sind. Hat sich ein Austeller vollends verausgabt, gibt es sogar ein paar Plakate oder, für die die es richtig flashy wollen, ein Banner. Natürlich gibt es auch ein paar Ausnahmen, aber auch hier wird auf laute Musik und grelle Werbung verzichtet, sondern mit einer liebevoll thematischen Ausstattung des Standes (manchmal auch des Personals) der Kunde angelockt. Nicht ganz so überraschenderweise war dies eher bei Austellern von Kinderspielen und nur den wirklich großen Verlagen der Fall. Und Nein: Es gibt keine Hostessen.
 
Dafür kann man an jedem Stand hochmotivierte und begeisterte Spiele-Autoren und –Verleger finden, die sich mit Freude über ihr Spiel (oder manchmal auch die Spiele anderer) unterhalten und allein mit dieser Begeisterung den Besucher schon zu einem Kauf verführen. Der geneigte Besucher sollte sich aber nie mit nur einem Gespräch zufrieden geben, denn jeder Stand hat einen Bereich, der diese Messe so wunderbar macht: die Tische zum Testspielen. Hier kann man das Spiel in seiner Gänze ausprobieren und eine Session mit anderen Besuchern spielen, während hilfreiche Standhelfer zur Seite stehen um einem in die Spielregeln einzuführen und bei Fragen die Antwort parat zu haben. Einen besseren Weg, um ein neues Spiel kennenzulernen (und auch ein paar neue Mitspieler), gibt es einfach nicht.
 

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Nun mag sich das nach einer kleinen Familien-Messe anhören, doch weit gefehlt. Dieses Jahr haben über 150.00 Spieler die Spiel besucht und durften sich bei 828 Ausstellern das Neustes von Neusten im Bereich der Gesellschaftsspiele anschauen. Dabei verteilt sich die Spiel über 3 Hallen mit knapp 50.000 qm Fläche. Daher reicht ein Tag leider auch nicht um wirklich Alles (oder auch nur die Highlights) anzuschauen und zu testen. Wir haben es trotzdem versucht.
 
Digitales Neuland
 
Als erstes auf unser sehr langen Liste für diesen Tag standen Spiele, die versuchten die Barriere vom klassischen Brettspiel und digitalen Welt zu überwinden. Natürlich gibt es Unmengen von 1-zu-1 Umsetzungen von klassischen Brettspielen auf den Computer, aber dabei werden die Spiele nie durch die Digitalisierung verbessert. Alles was man bekommt, ist dasselbe Brettspiel, nur jetzt hinter der Monitorscheibe. Wir wollten endlich Spiele sehen, die die Vorteile von Computer und Brettspiel verbinden und dadurch ein neues Spielerlebnis schaffen. Naja, hoffen darf man ja. Tatsächlich fanden wir nur 2 Aussteller, die sich tatsächlich an diese Herausforderung herangetraut haben, wenn auch von 2 völlig verschiedenen Seiten.
 
Leaders wurde von Brettspiel-Enthusiasten entwickelt, die durch die Einbindung von Computern dem Spieler die Arbeit erleichtern wollen. Herausgekommen ist ein Risiko-Clone, bei dem die Einheiten- und Wirtschafts-Verwaltung auf ein Tablet ausgelagert wurde, während die Truppen wie gewohnt auf einer Weltkarte aufgestellt und gezogen werden. Das ist zwar auf den ersten Blick eine gute Idee, doch es wird nur 1 Tablet unterstützt. So muss wieder gewartet werden bis der aktive Spieler seine Einkäufe erledigt hat und seinen Zug beendet hat, bevor der nächste Spieler seinen Zug anfangen kann. Die Tablet-Einbindung bringt damit keinen wirklichen Zeitgewinn oder wesentliche Vorteile. Der einzige Zugewinn ist bei Spionen und die Aufnahme von Allianzen, aber auch hierfür fallen mir mehrere Lösungen ein, die mit einfacheren, nicht-digitalen Mittel umgesetzt werden können. Im Gespräch mit den Entwicklern stellte sich heraus, dass hier bei der Entwicklung erst das Spiel entworfen wurde und danach erst die digitale Komponente hinzugefügt wurde.
 
Bei Dice+ sind die Entwickler genau andersherum vorgegangen: Hier wurde erst ein Computer-Device entwickelt und danach darüber nachgedacht welche Spiele man damit umsetzten könnte. Bei Dice+ handelt es sich um einen echten, sechsseitigen Würfel, der per Bluetooth an einen Computer oder Tablet angebunden werden kann und dann sein geworfenes Ergebnis übermittelt. Spieleentwicklern können ihre für Dice+, erstellten Spiele über einen speziellen App-Store vertreiben. Das hört sich auf alle Fälle spannend an, doch ich bin nicht sicher wie viele Menschen bereit sind 40€ für eine übergroßen Plastikwürfel hinzulegen, nur um in Computerspielen keinen Zufallszahlengenerator zu nutzten und „das echte Würfelerlebnis“(TM) zu haben. Aber immerhin kann der Würfel die Zahlen in verschiedenen Farben leuchten lassen, das sieht immerhin cool aus.
 

Würfel
 

Nun natürlich kann die digitale Barriere auch in die andere Richtung durchstoßen werden, also Computerspiele, die zu Brettspielen werden. Ein gutes Beispiel dafür ist das WoW Brettspiel, welches ich wirklich empfehlen kann (und nicht nur weil ich bei jedem Spiel gewonnen habe). Und welches Spiel aus den Millionen Computerspielen da draußen hat sich Ravensburger zur Umsetzung ausgesucht? Doodle Jump! Wer hätte das nicht gemacht? Tatsächlich müssen wir jetzt aber eingestehen, dass es ein gutes Familienspiel geworden ist und es eigentlich kein Grund gibt, weiter darüber herzuziehen. Schnell, einfach und mit genug Möglichkeiten um die Mitspieler zu ärgern. Probiert es mal aus.
 
Bei dem letzten Spiel aus unserer Kategorie Digitales Neuland dehnen wir den Begriff etwas, aber es hat einen echten Roboter als Hauptbestandteil. Es handelt sich um das beste Kinderspiel 2013: Kakerlakak. Das Spielprinzip ist so einfach das es in einem Satz erklärt werden kann, aber das ist hier ja nicht wichtig denn hier geht es um ROBOTER! Nun ja, ehrlich gesagt handelt es sich nur um ein kleines Stück Plastik, dass sich durch Vibrationen fortbewegt und evtl. bringt man das auch nur mit Robotern in Verbindung, wenn man weiß das HEXbugs als Nebenprodukt aus der Forschung zu Schwarm-Robotern entstanden sind. Wir könnten hier jetzt einen längeren Ausflug in die spannende Welt der Schwarm-Robotik einsteigen … oder uns einfach an dem Wissen freuen, das Millionen für die Forschung ausgeben werden, damit wir ein Kinderspiel mit einer Plastik-Kakerlake spielen können.
 
Zu diesem Zeitpunkt wurde uns langsam bewusst, dass wir eher wie die oben genannte Plastik-Kakerlake durch die Messe irrten und unsere wunderbare Liste mit Standnummern und Spielen uns nicht mehr helfen würde. Also taten wir das, was jeder tun würde, der 400 km gefahren ist um einen Tag auf einer Brettspielemesse zu sein und nur das Beste sehen möchte. Wir ließen Liste Liste sein und ließen uns einfach durch die Messe treiben.
 
Gemeinschaftsspiele
 
So kamen wir auch an einem der wenigen Coop-Spiele vorbei: Escape! – Curse of the Temple. Denk an Indiana Jones, wie er vor dem rollende Felsblock flüchtet, um aus dem zusammenstürzenden Temple in Jäger des Verlorenen Schatzes zu fliehen. Und jetzt stellt euch vor es gibt 4 Indys und sie müssen gemeinsam aus dem zusammenstürzenden Temple fliehen. Dazu adrenalintreibende Filmmusik, wildes Würfeln, Fluchen und um Hilfe schreien. Damit habt ihr eine genaue Vorstellung wie eine Partie Escape! ist. Viel besser kann man 20 Minuten kaum verbringen.
 
Leider mussten wir feststellen, dass wir nicht die geborenen Schatzsucher sind. Wir haben zwar das Testspiel gewonnen, aber am Ende des Tages haben wir den Stand nicht wiedergefunden, obwohl wir gerne ein Spiel gekauft und mitgenommen hätten.
Ein Spiel was wir auf keinen Fall kaufen wollten, ist das 50 Shades of Grey Partygame. Anscheinend ist Jumbo das Spiel so peinlich, dass sie es noch nicht mal auf ihrer Website führen und auf der Spiel in einem der hinteren Regale versteckten. Trotzdem wollen wir euch den glorreichen Rückentext nicht vorenthalten:
 
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Partyspiel: Entdecke Deine innere Göttin!
Romantisch, prickelnd und total witzig – dies ist das Partyspiel, das nicht nur Unterhaltung, sondern auch allerlei Überraschungen für Euch bereit hält.
Es offenbart, wie Du Deine Freunde siehst und welches Bild Deine Freunde von Dir haben.
Alle Spieler lauschen der spannenden Frage, bevor sie geheim abstimmen, welche der zuvor festgelegten Freundinnen ihrer Meinung nach am besten zu dieser Frage passt.
Wenn alle fertig sind, werden die Antworten preisgegeben! Jeder Spieler, der dieselbe Freundin aufgeschrieben hat wie die Fragestellerin, gewinnt ein „Innere Göttin“ – Plättchen.
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Sci-Fi Spiele
 
Ohne „innere Göttin“, dafür mit langsam schwindenden Kräften wanderten wir weiter durch die Hallen, um nun auch ein paar Spiele zu finden, die mehr unserem Geschmack entsprachen. Als erstes stießen wir dabei auf Dig Mars, das die richtigen Zutaten hat: Ein fremder Planet, außerirdische Artefakte, Kolonien und Bergbau. Man muss auf einem 4×4 Felder großen Spielfeld den Mars umgraben und Artefakte abtransportieren, während man versucht seine Mitspieler vom Selbigen abzuhalten. Mit 30 Minuten auch wieder ein Spiel welches recht schnell um ist, aber trotzdem einiges an taktischen Möglichkeiten bietet. Auch wenn wir von einem Franzosen besiegt wurden, weil wir mehr damit beschäftigt waren uns gegenseitig fertigzumachen als Artefakte zu sammeln. War es doch einer der Spiele die wir gerne mitgenommen haben.
 
Ein weiteres Spiel welches wir gerne mitgenommen hätten und in diesem Fall auch haben ist: FireFly – The Game
Im Prinzip fliegt man mit seinem Raumschiff durchs All und versucht Geld zu verdienen. Dazu kann man Handeln, Schmuggeln und andere kriminelle Aktivitäten durchführen. Ehrlich gesagt ist das einer der Spiel die wir nicht spielen konnten, aber Mal ehrlich es ist FireFly. Natürlich mussten wir das Spiel (und die Sonderkarten) kaufen, irgendwas muss man ja von der Messe mitbringen.
 
Das letzte Spiel des Tages war Theseus: The Dark Orbit, ein interessantes Taktikspiel, bei dem man sich gegenseitig in einer Raumstation bekämpfte. Das Spannende an dem Spiel ist, dass man in diesem Fall nicht seine eigenen Soldaten aufrüstete und auf einander hetzte, sondern mit Karten das Spielfeld veränderte um den Gegner Schadenzuzufügen. Leider wurden meine armen Aliens (die wirklich nur spielen wollten) von den soziopathischen Marines durch eine Flammenhölle gejagt und ausgeräuchert. Ohne selbst auch nur einen einzigen Schadenspunkt bei diesen widerlichen Menschen anzurichten. Ein solch traumatischer Verlust war dann auch das Zeichen die Heimreise anzutreten.
 
Fazit:
 
Lohnt es sich für nur einen Tag auf die Spiel zugehen? Nein.
Das Schöne an der „Spiel“ ist die Möglichkeit, alle Spiele Mal auszuprobieren und sich auch Sachen anzuschauen, die man sonst nie spielen würde. Und dafür reicht ein Tag einfach nicht, was auch erklärt, warum uns jeder erstaunt anschaute, wenn wir erwähnten, dass wir abends schon wieder zurück fuhren. Ein weiteres wichtiges, persönliches Fazit für uns war: Wir brauchen neue Freunde. Wann immer wir ein Spiel fanden, was spannend war und welches wir mitnehmen wollten, stellten wir uns die Frage „werden wir es mehr als einmal spielen können?“. Die Antwort war enttäuschenderweise immer „Nein“. Wenn man erwachsen wird und plötzlich solche Dinge wie ein Sozialleben oder Jobs hat, kommt man einfach nicht mehr dazu, mehrere Abende in der Woche Brettspiele zu spielen. Nun immerhin konnten wir uns dadurch vor dem Bankrott retten, aber ein gewisser Neid auf Spiel-Veteranen, mit ihren Hackenporsches für ihre ganzen Einkäufe, war schon vorhanden. Was soll‘s, wir kommen nächstes Jahr wieder und spielen einfach auf der Spiel, dann bleiben wir auch die ganzen 4 Tage da.
 

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