Leuchtturm: Wrestling im Schlafzimmer

– So 23.10.11.: Heute ist Sonntag, aber nicht irgend ein Sonntag, nein, heute läuft endlich wieder ein Wrestling PPV, nämlich Vengeance. Auch wenn die letzten Großereignisse der WWE eine ziemliche Enttäuschung waren, freue ich mich schon seit Wochen darauf. Solche Event müssen live in der Nacht geschaut werden. Wenn man sich den Mitschnitt einen Tag später anguckt, ist die Atmosphäre einfach nicht dieselbe. Alles ist vorbereitet: 2 Kg Esspapier, zwei Flaschen Pepsi Max, 2 Tüten Tuc Classic leicht (mit 50% weniger Fett) und der kulinarische Höhepunkt der Abends, zwei Packungen Double-Dip.

Es könnte alles so schön sein, wenn mich meine Freundin nicht gerade darum gebeten hätte, das Event im Bett zu schauen, da sie ja im nächsten Tag früh raus müsse und sonst nicht schlafen könne. Es ist Wrestling, die Leute brüllen, grunzen und bluten. Es ist laut, fies und schmutzig, aber meine Freundin möchte, dass ich das Event neben ihr liegend im Bett schaue? Ja, will sie, WEIL SIE SONST NICHT SCHLAFEN KANN! Frauenlogik! Ein Mann würde seine Frau, die nachts live ein Kochduell, Strick-„Mania“ oder noch schlimmer GLEE (wie ich es hasse! Und ja, sie guckt es wirklich!), liebend gerne aus dem Schlafzimmer jagen – einfach, weil er gerne seine Ruhe hätte und vernünftig schlafen will. Bei (m)einer Freundin ist das anders: Sie kann nicht ohne ihren Mann einschlafen. Wenn ich also, laut der Logik meiner Freundin, unten im Wohnzimmer das Event gucken würde, könnte sie schlechter schlafen (weil ich nicht da bin), als wenn ich grunzend neben ihr im Bett liege und CM Punk anfeuere. Versteh einer die Frauen.

Es ist 2 Uhr in der Nacht und das Event beginnt. Während Evan Bourne im Opener durch den Ring fliegt, beiße ich genüsslich in mein Esspapier. Meine Freundin schafft es, durch ihr Atmen zum Ausdruck zu bringen, dass ihr das Geräusch auf die Nerven geht. Ich lege das Esspapier bedröppelt zur Seite. Meine Freundin bohrt zufrieden ihre kalten Füße unter meine Kniee. Verdammt, sind die kalt. Ich verdränge die Tatsache, dass ich meine Beine nicht mehr spüre, nehme einen kräftigen Schluck aus meiner Pepsi und rülpse wie ein Stier. Normalerweise mache ich sowas natürlich nicht, weil ich ja gut erzogen wurde, aber wenn ich Wrestling gucke, habe ich immer das Gefühl, dass die Urinstinkte aus mir herausbrechen. Meine Freundin zieht genervt ihre Beine zurück und dreht sich mit einem lauten Schnaufen auf die andere Seite.

Es ist 3 Uhr, die erste Stunde ist vorbei und der Kampf um den Damen-Titel läuft. LANGWEILIG! Ich nutze die Zeit und besuche die Toilette, um die angesammelte Pepsi der Welt zurückzugeben. Als ich wieder ins Schlafzimmer zurückkomme, richtet meine Freundin plötzlich ihren Oberkörper im Bett auf. Sie schaut mich an, als wäre ich ein Außerirdischer und faselt irgend ein Kauderwelsch vor sich hin. Dann lächelt sie mich an und lässt ihren Kopf auf’s Kissen fallen. Was war das denn jetzt? Das macht sie irgendwie in letzter Zeit öfters – das muss so eine Art Schlafwandeln für Mädchen sein. Irgendwann ist sie mal aufgewacht, hat mir eine Backpfeife gegeben und hat sich anschließend wieder hingelegt. Nicht, dass ich die Backpfeife nicht verdient hätte, aber irgendwie ist sie schon ein bisschen seltsam, meine Herzensdame.

Es ist 4 Uhr, und so langsam kommen die interessanten Kämpfe des Abends. Big Show und Mark Henry wuchten gerade ihre dicken Hintern durch den Ring, und ich persönlich führe meinen eigenen harten Kampf gegen das schwere Gewicht meiner Augenlider. Es ist schon ziemlich spät, und ich kämpfe gegen das Einschlafen. Ich versuche, mich mit einer Tüte Double-Dip wach zu halten. Aber im Dunkeln tunkt es sich nicht so leicht. Beim Versuch mir die volle Orangenbrause-Dröhnung reinzuziehen, verschütte ich die Hälfte auf den Hinterkopf meiner schlafenden Freundin. Ich nehme mir vor, sie am nächsten Tag wegen ihrer widerlichen Schuppen aufzuziehen und lege leise in mich hinein pfeifend die Packung zur Seite.

Es ist 4:30 Uhr, und der Hauptkampf des Abends beginnt. Obwohl ich meine Augen kaum noch aufhalten kann, buhe ich laut beim Auftritt von John Cena. Ups! Meine Freundin röchelt im Schlaf leise vor sich hin und dreht sich wieder um. Die beiden Orcas im letzten Kampf haben den Ring kaputtgemacht, also hauen sich Cena und Del Rio einfach durch die Halle. Ich bin zu müde, und Cena ist so langweilig, aber trotzdem kämpfe ich gegen die Müdigkeit an. Ich habe 15 Euro für den Mist bezahlt, also will ich auch noch sehen, wie Cena den Arsch versohlt bekommt.

Es ist 5 Uhr, und der PPV ist vorbei. Das Ende habe ich nur noch im Halbschlaf mitbekommen: Cena hat verloren, haha! Ich stehe kurz auf und stelle den Wecker meiner Freundin eine Stunde, auf 6 Uhr vor, schalte den Fernseher aus und schlafe mit einem breiten Lächeln ein. Wrestling ist irgendwie auch nicht mehr das, was es früher mal war. Die Frage ist nur, ob das am Wrestling liegt oder an der Tatsache, wie ich Wrestling in letzter Zeit schauen muss?

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