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Hallo Stevinho,

du erwähnst in deinem Podcast ja immer wieder dass du mal ein Buch über Leute die ganz verschiedene Leben haben schreiben möchtest. Wir kennen uns ja schon, du hast vor zwei Jahren freundlicherweise mein Buch auf deinem Blog gefeatured und vor gut einem Jahrzehnt war ich auch mal Gast in der WoW Nacht.

Ich persönlich finde ganz verschiedene Lebensperspektiven (von der Prostituierten bis zum Millionär) auch sehr interessant und kann dazu glaube ich auch meinen Teil beitragen:

Ich habe letztes Jahr für 6 Monate in einem abgelegenen Dorf in China gewohnt. Von dort aus habe ich jede Woche deinen Podcast gehört. Der war fast mein einziger Kontakt zur deutschen Lebensrealität und hat mir sehr dabei geholfen nicht “out of touch” mit Deutschland zu geraten. Das Dorf war kein normales Dorf – alle Einwohner waren Kinder von chinesischen Gefängnisinsassen die jetzt quasi Waisenkinder waren. Das waren übrigens keine politischen Gefangenen, sondern meines Wissens alles normale Verbrecher. Das Problem ist nur, dass der chinesische Staat sich nicht ausreichend um deren Kinder kümmert. Deshalb gibt es die private Einrichtung bei der ich war.

Ich habe dort im Management gearbeitet und meine Abschlussarbeit im Marketing / Fundraising geschrieben. Gewohnt habe ich aber Tür an Tür mit den Kindern direkt im Dorf. Das war kein Leben in der Großstadt wie man es sonst vielleicht von China-Expats kennt, sondern wirklich eine sehr ländliche, traditionelle Gegend. Englisch sprach dort niemand, d.h. ich konnte bereits im Vorfeld schon ganz gut Chinesisch.

Vielleicht beschreibe ich einfach mal den üblichen Alltag:

Alle Kinder wohnen in kleinen Häusern mit Mehrbett-Zimmern. Kann man sich ungefähr wie im Hostel vorstellen. Jedes Haus hat ein Bad und ein Wohnzimmer. Die Häuser sind nach Geschlechtern aufgeteilt. Das Alter der Bewohner wird bewusst vermischt, sodass in jedem Haus Kinder von ca. 6 – 18 Jahren wohnen. Je nach Alter gibt es verschiedene Verantwortungsbereiche. Die jüngeren Kinder sind zuständig für Wäsche & Putzen, die Älteren überwachen z.B. die Terminpläne der Bewohner und überprüfen die Gesundheit in dem sie jeden Morgen die Körpertemperatur aller Bewohner messen. Eine Aufsichtsperson gibt es in den Häusern nicht.

6:00 Uhr: Aufstehen & anziehen, denn 15 Minuten später beginnt das Frühstück. Jeder kann sich etwas in der Kantine abholen. Alle Kinder haben eine eigene Schüssel + Essstäbchen die sie selbst verwalten & abspülen.

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7:00 Uhr: Die Kinder laufen in die naheliegende Grundschule oder werden mit dem Bus zur “High School” abgeholt

8:00 Uhr: Mein persönlicher Arbeitstag beginnt. Ich laufe ca. 2 Minuten in das Managementgebäude wo ich bis zur Mittagspause arbeite. Ich versuche bspw. Partnerschaften mit chinesischen Hochschulen zu arrangieren. Diese haben ein gewisses “Non-Profit” Budget und senden mehrmals jährlich Studenten um z.B. Gebäude zu renovieren oder Gemüsefelder zu bepflanzen. Als fast der einzige der Englisch kann bemühe ich mich auch internationale Großspender für das Waisenhaus zu begeistern.

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12:00 Uhr: Mittagspause. Kinder kommen von der Schule nach Hause. Nach dem Essen eine halbe Stunde Freizeit im Hof. Lieblingsbeschäftigung: Tisch-Tennis & Basketball.

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13:00 Uhr – 19:00 Uhr: In China haben Kinder jeden Tag Schule bis abends. Um ca 18:00 Uhr ist Feierabend und dann geht es an die Hausaufgaben. Im Waisenhaus gibt es einen speziellen “study room” in dem Hausaufgaben gelöst werden. Wie es sich für leicht kommunistisch angehauchte Studenten gehört stehen Sozialaktivitäten an den Unis in China groß auf dem Programm. Mehrmals die Woche kommen Studenten von den Unis ins Waisenhaus und helfen den Kindern mit den Hausaufgaben.

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Am Abend gibt es dann nochmal essen. Anschließend dürfen die Kinder eine Stunde Fernsehen schauen. Ca. 1x die Woche müssen sie am Abend oder Wochenende auch 1-2 Stunden auf einem Gemüsefeld Obst anbauen, das zur Refinanzierung der Anstalt weiterverkauft wird. Alternativ wird wieder Tischtennis oder Basketball gespielt. Obwohl ich übrigens nicht ganz schlecht spiele, hatte ich im Tischtennis selbst gegen 9 Jährige selten eine Chance.

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Ich glaube das war lang genug – ich hoffe es war interessant und hat dir wieder eine neue Perspektive eröffnet: Das Leben in einem ländlichen Waisenhaus am Ende der Welt in China. Selbst bis in diese Ecken hat dein Podcast gereicht 😉

Falls du noch Fragen hast sag Bescheid! Die Homepage ist übrigens www.sunvillage.com.cn/en

Viele Grüße
Florian


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13 KOMMENTARE

  1. Ich war selbst lange in China und finde es einfach nur unheimlich bemerkenswert, was du da für die Kinder machst.

    Wenn euch andere interessiert, wie eine chinesische Uni aussieht, dann kann ich euch gerne ein Video empfehlen, dass ich auf dem Weg zum Vorlesungsraum gemacht habe: http://www.youtube.com/watch?v=MBMkU6xSLJE

    @Steve, du solltest unbedingt auf die Spendenmöglichkeit hinweisen.

  2. Ich bin geflashed. Steve, kannst du den nicht mal in deinen Podcast einladen und Interviewen? Ich finde das höchst-interessant und bewundernswert. Ich finde solche Berichte wirklich fesselnd.
    Dank an Florian!

  3. Ich persönlich finde solche Geschichten ja immer super hinter rasant, wär das nicht mal eine Idee Flo mal für einen Live Talk oder so in die Sendung zu holen?

    • Allen voran: Großen Respekt!
      Ich finde die Idee, ihn mal in die Sendung zu holen auch sehr interessant. Generell mal eine kleine Rubrik für eben solche Geschichten aus der Community.

  4. Respekt vor Florian. Das ist mit Sicherheit keine einfache Sache.
    Habe das gleiche mal für ein halbes Jahr in einem mexikanischen Ghetto von Los Angeles gemacht, daher weiß ich, wie hart sowas ist. Die Kinder waren zwar nicht ganz so arm wie diese und auch ihr Tag war nicht so sehr durchgeplant, aber auch sie hatten Verbrecher als Eltern.
    Das sind Erfahrungen, die man jedem nur ans Herz legen kann. Man wächst daran unglaublich.
    Weiter so Florian, du tust wirklich was Gutes und die Kinder danken es auf ihre ganz persönliche Weise!

  5. Ich finde es super, würde auch gerne mal ein halbes Jahr oder so im Ausland arbeiten, einfach mal raus aus dem deutschen Alltag. Gut China müsste es jetzt nicht sein.

    Grüße

  6. Klingt nach nem ziemlich durchgeplanten Tag für Kinder. Schule quasi von 07:00-18:00 + Hausaufgaben.
    Wäre interessant zu wissen, was die dann da eigentlich so in der Schule machen. 10 Stunden konzentriert zu lernen und aufnahmefähig zu bleiben, ist glaub ich nicht wirklich möglich.

    • Ohne es detailliert zu wissen:
      Zum einen hat Bildung für diese Leute einen hohen Wert, weil sie genau wissen, dass sie ohne Bildung ein jämmerliches Leben auf den reisfeldern oder Baustellen zubringen werden. Diese „fuck school, ich bin zu cool und babo für Schule“-Typen sind da nicht so mega oft.
      Zum anderen ist es ja im japanischen Schulsystem zumindest so, dass zu dem Schultag auch Klubaktivitäten gehören, die viel Zeit fressen.

    • Doch ist defintiv machbar, denn dieses Kinder haben einfach nicht den Sozialen Druck und Umfeld wie bei uns die Kinder in der Schule (Stichwort: wer nicht die neuste Mode/Technik hat wird ausgeschlossen), und das beinträchtig die Leistungs/Aufnahmefähigkeit schon sehr.

    • Ein Kumpel von mir war 1 Jahr in China während seiner Schulzeit, sein Bruder auch.

      Er erzählte mir, dass die Schulen in China wesentlich weniger interaktiv aufgebaut sind und der unterricht viel aus dem Lehrer nachsprechen besteht.
      Ander als die Kinder hier im Text sind wohl die Chinesen, die „normal“ aufwachsen auch viel unselbstständiger als viele deutsche Jugedliche und ihrer geistigen, moralischen, etc Entwicklung weniger weit, was u.a daran liegt, dass die Eltern natürlich auf ihr einziges Kind sehr aufpassen.

  7. Hi,

    interessante Geschichte. Ich bewundere Menschen die „einfach mal so“ ins Ausland gehen um da zu leben und zu arebeiten. Mir hat sich leider diese Möglichkeit nie geboten.

    Gruß de Osi

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