Industriepräsident Dieter Kempf sagte im Gespräch, in Deutschland müsse endlich die digitale Bildung in Schulen vorangebracht werden. «Es ist aus meiner Sicht völlig unzureichend, dass es keine ausreichende digitale Bildung in den Sekundarstufen gibt. Das heißt nicht, dass alle programmieren können. Aber wir müssen die jungen Menschen zur digitalen Souveränität erziehen. Wir müssen die Lehrerinnen und Lehrer entsprechend qualifizieren.» (Via)
Stimmt, wir Lehrer müssen das. Ist ja auch so, dass WIR sowas frei entscheiden dürfen. Frei nach Motto: „In Schleswig-Holstein ist in der Sek I ausschließlich im siebten Jahrgang Informatik vorgesehen (Word, Powerpoint), aber hey ich schreibe jetzt einfach mal selbstständig den Lehrplan um, damit wir endlich digitale Bildung unterrichten dürfen“. Wie Ihr wisst, fordere ich seit 15 Jahren das Fach Medienkunde und wurde dafür lange Zeit belächelt. Es ist einfach der Witz des Jahres, dass die (Bildungs)Politik sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene seit vielen, vielen Jahren pennt, aber am Ende mal wieder wir Lehrer daran schuld sein sollen, dass die Schüler im IT-Bereich zu wenig ausgebildet wurden.
Ich sage Euch das, was ich auch den Eltern meiner Schüler immer wieder sage: Geht auf Barrikaden (Straßen), macht Druck, seid unbequem und fordert für Eure Kinder eine zeitgemäße Bildung. Weder Kunst, Sport, Hauswirtschaft, Religion oder Werken braucht man zwingend für sein weiteres Leben (es sei denn, man spezialisiert sich beruflich darauf). Aber die Arbeit mit neuen Medien wird die kommenden Generationen zu 100% ihr ganzes Leben lang begleiten. Wie kann es sein, dass dieser Bereich in vielen Bundesländern/Lehrplänen so gut wie gar nicht vorkommt? Wie kann man eine ganze Generation von Kindern und Jugendlichen bildungstechnisch so an die Wand fahren (und am Ende natürlich wieder den Lehrern dafür die Schuld geben)?
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Fächer wie Kunst, Sport, Hauswirtschaft, Religion oder Werken haben definitiv ihre Daseinsberechtigung. Kommt man mit diesen Themen nicht in Berührung kann man seine Stärken nicht kennen. Bei Religion würde ich von meiner Seite aus auch sagen, dass es strittig ist ob man das in der Schule braucht. Aber um die Kreativität zu fördern (Kunst), Motorik und Koordination zu fördern wo die meisten kaum noch vor die Türe gehen (Sport), Haushalt muss später auch jeder schmeißen (Hauswirtschaft) und Werken für die handwerklichen Fähigkeiten sehe ich schon nutzen. Statt Religion 2x pro Woche könnte man Zeitgemäß 2 x pro Woche Medienkunde einführen. Religion und deren Erziehung sollte ohnehin zuhause stattfinden. (meine Meinung)
Mehr digitale Bildung? Auf jeden Fall!
Warum man aber im gleichen Atemzug die anderen Fächer abwerten muss, ist mir relativ schleierhaft. Schule soll schließlich keine Spezialisten produzieren, sondern erstmal ein „Grundgerüst“ an Bildung vermitteln, also möglichst breit gefächert sein.
Und nur, weil man mit etwas kein Geld verdient, ist es nicht nutzlos. Vor dem Kapitalismus galt es mal als Tugend, möglichst viele Fertigkeiten zu besitzen, ob man von denen jetzt lebte oder nicht. Und wenn wir Sport und Religion/Ethik vernachlässigen, haben wir in ein paar Jahren eine Situation wie in den USA. Einen Haufen übergewichtiger Dumpfbacken, die die Bibel wörtlich nehmen und Sexualkunde für Teufelswerk halten.
Ich hab früher schon Word/Office Kurse in der Schule mitgemacht: sie bringen absolut gar nichts. Entweder kennen die Schüler das Thema schon und es langweilt sie, oder sie haben keinerlei Bezug dazu und vergessen alles innerhalb Wochen wieder (war bei mir früher so, trotzdem habe ich heute einen M.Sc. in Angewandter Informatik).
Ich wusste vor diesen Kurse nicht einmal, wie man das System an sich bedient. Es wurde nicht einmal beigebracht, wie man Ordner anlegt oder Verknüpfungen öffnet. Nein, direkt Word im Vollbild offen und los gehts; ohne tatsächlich was über PCs zu lernen.
So etwas muss man auch nicht lehren. Jeder mit entsprechendem PC-Verständnis arbeitet sich da selbstständig bei Bedarf rein. Es gibt keinen Grund, Jahrelang den Lehrplan mit einem einzelnen Anwenderprogramm zuzustopfen. Dann macht sogar 10-Finger-Schreiben beibringen für die Zukunft schon mehr Sinn.
Vom Industriepräsidenten fordere ich, dass ER und seine Organisation zusätzlich auf die Politik Druck ausübt, ABER auch entsprechend unterstützt und seinen Wunsch mitfinanziert.
Jeder Euro, der von der Wirtschaft in die Bildung gesteckt wird, erwirkt später bessere Mitarbeiter und erhöht die Zahl der potenziellen Auszubildenden, die ja angeblich seit Jahren so schlecht sind.
Meckern und Fordern ist halt immer einfach…
Warum Religionsunterricht wichtig ist, sehe ich jedes mal wenn ich meine Verwandtschaft in den USA besuche. Die haben da keinerlei religiöse Bildung und sind deshalb umso anfälliger für religiöse Extremisten und ich würde sämtliche Mega Churches und Freikirchen in den USA als ziemlich extremistisch einstufen. Was dabei raus kommt sind dann Leute die die Bibel wörtlich interpretieren, Evolution aus den Schulen haben wollen und Sexualkunde generell ablehnen, auch wenn man im Staat mit der höchsten Rate an Teenager Schwangerschaften lebt.
Und genau da kommt der Religionsunterricht ins Spiel. Wenn man bis zum Schulabschluss gelernt hat wie man Biblische Texte und Symbole im Kontext interpretiert, also nicht wörtlich liest, dann ist es deutlich schwerer für Extremisten einem einzureden man müsse Evolution verbieten weil sie dem Wortlaut der Bibel widerspricht. Wenn man bereits in Klasse 7 über die Glaubensgrundsätze der anderen Weltreligionen informiert wird, dann ist es deutlich schwerer für Extremisten einem Hass auf Muslime oder Juden nahe zu bringen. Und wenn man religiöse Gespräche nicht nur Zuhause oder in der Gemeinde führt wo alle eine ähnliche Meinung haben, sondern auch in der Schule wo du von Atheisten bis zu „jeden Sonntag zur Kirche Gehern“ eigentlich alles vertreten hast, dann lernt man mit anderen Sichtweisen umzugehen und seine eigenen Ansichten durch diese zu reflektieren.
+1
Das deckt sich sehr mit meiner Erfahrung.
In diesem Punkt muss ich wohl zustimmen, obwohl ich in meinem Beitrag den Relgionsunterricht für vernachlässigbar beschrieben hatte.
Davor müssen aber alle Steinzeit Lehrer aussortiert werden. Es bringt nichts wenn irgendwelche Lehrer nicht mit machen da sie Computer für doof finden. Aber trotzdem muss auch geschaut werden dass die Bildschirm Zeit nicht zu lang ist.
Ich würde sagen andersrum macht mehr Sinn. Also Schüler müssen die Lehrer darauf vorbereiten.
Irgendwie frage ich mich, warum so viele das Grundgesetz abschaffen wollen – auch wenn es nur in Teilen ist. Der Religionsunterricht ist immens wichtig. Bildung und Kenntnis über Dinge, die die Mitmenschen bewegen, sind notwendig, um Empathie zu empfinden und andere Menschen in ihrem Handeln zu verstehen. Man sieht ja in den Teilen der Welt, wie über andere Kulturen und Menschen gedacht und gehandelt wird, die Multikulti ablehnen und nicht kennen. Wer also den Verzicht von Religionsunterricht fordert, muss auch damit leben, dass zwanzig oder dreißig Prozent die Rechten wählen.
Als Beispiel ist mir ein Mitschüler Anfang der 90er Jahre geblieben. Der war der erste, der nach der Wende als Austauschschüler in die USA durfte. Nach gut zwei Wochen war er wieder da. Im Biblebelt gelandet, hat er bei jeder religiösen Interaktion seiner Familie laut gelacht und die Leute verlacht (so seine Aussage damals). Er konnte sich einfach nicht erklären, was die Leute da tun. Jahrzehntelanger institutioneller Hass auf die Weltreligionen in Deutschland haben ihn sogar in seinem Weltbild bestätigt. Vermutlich sieht er es bis heute nicht ein.
Sorry aber das ist Käse. Der katholisch geprägte religionsunterricht hat mir gar nichts gebracht und ich stehe der Kirche schon immer kritisch gegenüber.
Ich bin aber gerne für ethikunterricht für alle und da darf auch bitte neutral über alle weltreligionen informiert werden.
Dito als Landschaftsgärtner sind Basics wie Werken und künstlerische und räumliche Gestaltung enorm wichtig und sicherlich auch für andere Berufe, zudem kann so auch frühzeitig Interesse für solche praktische Berufsgruppen geweckt werden und ist je nach Berufsgruppe oft sinnvoller, als theoretische Fächer die einen kaum bis gar nicht auf die Arbeitswelt vorbereiten.
Zudem sind praktische Fächer wie Werken, Hauswirtschaft, Informatik „ja für mich ist Informatik auch ein Handwerk“, eine gute Abwechslung und sollten eher vertieft werden, da man diese Dinge eben mehr braucht, als eine Gedichts Analyse. Ich war zu meine Schulzeit gerne am Nachmittag „freiwillig“ in einem praktischen Zusatzkurs (:
Huch sollte eine Antwort für Celvin sein °_°
„Lehrer müssen Schüler besser auf die digitale Revolution vorbereiten“
LMAO die hat für Endkunden schon mmn. langsam vor 25 Jahren angefangen und bis heute geht sie immernoch rasend schnell voran. Mal wieder ein Armutszeugnis für dieses Land. Vorallem sieht man mal wieder das man immer nur anfängt was zu ändern wenn das Haus schon in Flammen steht… jetzt Dank Corona fällt es ihnen aufeinmal auf. Da kann man sich einfach nur an den Kopf fassen. Diese Geier und ihre unvorstellbare bequemlichkeit…
„Wie kann man … am Ende natürlich wieder den Lehrern dafür die Schuld geben“
Ganz einfach und altes Prinzip. „Cover My Ass“.
haha musste lachen…
lehrer sollen schüler digital vorbereiten? da macht man doch das pferd zum reiter.
freilich, es gibt einige lehrer die brillieren, hatte selbst so einen, der war auf zack, obwohl in 2006 schon 55 jahre alt. aber ich stell mal die steile these auf das die mehrheit der lehrer weniger ahnung hat wie es im internet läuft als die schüler.
Also ich lese aus dem Zitat eher Unterstützung für Deine Position. Er fordert doch mehr digitale Bildung und das Lehrer dafür qualifiziert werden müssen. Heißt in meinen Augen, dass das Kultusministerium den Arsch hoch kriegen muss und sowohl Pläne als Qualifizierungen anpassen muss!
Das kann ich nur unterstützen, wenn ich sehe, wie gut es an Deiner alten Schule mit dem Homeschooling läuft (Gute Nutzung von iServe, Videokonferenzen usw.) und dann höre was an anderen Schulen abgeht, dann muss noch einiges passieren. Manchmal scheint es mir als wären viele Schulen noch auf dem gleichen Stand, wie zu meiner Schulzeit und die ist schon über 20 Jahre her…
Ich finde es gibt doch genügend pro-Argumente. Wieso bedienst Du Dich dann zusätzlich noch der Abwertung anderer Fächer? Bspw. Kunst mit dem Argument abzuschaffen, dass man es nicht oder kaum für sein späteres Berufsleben brauche, entspringt ja einer sehr ökonomiebezogenen Vorstellung von Schule. Also ich bin froh, dass meine Schulbildung nicht auf die arbeitsmarktbezogenen Aspekte reduziert wurde.
Ich versteh die Welt nicht mehr!
Was ist nur in den letzten knapp 30 Jahren schief gelaufen das es heute so ein Problem ist?
Ich kann mich noch gut daran erinnern als bei uns in der Schule die Computer Einzug gehalten hatten. Neben Sport, Werken, Handarbeit oder Hauswirtschaft gab es plötzlich einmal die Woche Computerunterricht und das waren Pflichtfächer, da mussten alle einmal die Woche mitmachen.
Als unser Computerraum Fertig eingerichtet war, gab es eine kleine Feier. Wo den Eltern der neue Raum und das neue „merkwürdige“ Unterrichtsfach vorgestellt wurde. Es gab sogar neue Lehrer, die für dieses Fach eingestellt wurden.
Gut, es war immer nur eine Stunde Pro Woche, und Internet oder so gab es nicht. Aber wir mussten Lernen wie man die Dinger benutzt. Für die Interessierten gab es dann Nachmittags Arbeitsgemeinschaften.
So etwas gab es nicht nur an unsrer Schule, fast alle Schulen wurden derzeit mit Rechnern ausgestattet. Ob es jetzt eine Hauptschule, Realschule, Berufsschule oder Gymnasium war, es war eine Art Bildungsoffensive.
Und es war nicht nur in der Schule oder Berufsschule das ich lernen musste wie man damit umgeht. Als ich 1996 zur Bundeswehr (damals noch Wehrpflicht) ging, kam grade das Internet auf. Und dort mussten wir Lernen wie man damit umgeht.
Es kann doch echt nicht sein das es im Jahr 2020 (im Digitalen Zeitalter) kein Schulfach mehr gibt in dem den Kids beigebracht wird wie man Ordentlich damit umgeht. Irgendwie ist es eine Verkehrte Welt. Damals brauchte man es nicht, und man musste es Lernen. Und heute wo es wichtig ist, gibt es das nicht mehr…
„Weder Kunst, Sport, Hauswirtschaft, Religion oder Werken braucht man zwingend für sein weiteres Leben“
Komisch, für mich sind das genau die Dinge, die man fürs Leben braucht und Inhalte, die ich heute noch anwenden kann. Religion nehme ich dazu, weil wir hier glaube ich nie nach Lehrplan beschult wurden, sondern spannende Alltagsthemen und Probleme diskutiert haben, wofür sonst nirgendwo die Zeit war. Diese Gespräche haben mich bis heute sehr weit gebracht, mir die Augen geöffnet und mich geformt.
Deutsch bzw. Gedichte analysieren, Charakterisierungen, Geschichte, viele Aspekte aus Erdkunde etc dagegen brauche ich im Alltag überhaupt nicht.
Gerade bei Kunst und Werken sehe ich es auch am einfachsten moderne Technologien unter zubringen. Weil es auch dort meistens um das Ergebnis geht und nicht um einen festen dahin. Man kann für die, die es interessiert, Arduinos und 3D-Druck anbieten (bzw die nötige Infrastruktur). Damit kann man in den Fächern viel anfangen und auch viel im Design-Prozess verbessern.
Als in den frühen 2000ern in den Kunstunterricht 3D-Programme und digitale Fotografie + Bildbearbeitung langsam alltäglich wurden, waren die meisten anderen Fächer noch vollkommen analog und man nutze kein Powerpoint sondern noch gedruckte Folien.