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Ich habe Depressionen und Erschöpfungszustände – so heißt es in der Fachsprache. Umgangssprachlich wird dies als Burnout bezeichnet. Ich fühle mich müde, kraftlos und verzweifelt. Man hat stets das Gefühl, als hätte man einen kleinen Dämon auf der Schulter sitzen, der einem seine gesamte Energie absaugt und einem deprimierende Gedanken ins Ohr flüstert. Ich fühle mich wie in Askaban, dem Gefängnis aus der Harry Potter-Welt, in dem einem von den Gefängniswärtern (den Dementoren) das gesamte Glück abgesaugt wird.

„Stell Dich nicht so an“, „Dir geht’s doch gut“ oder „reiß Dich mal zusammen“ – das sind die Sätze, die man regelmäßig hört, wenn man Depressionen hat. Außenstehende können die Krankheit nicht verstehen. Ich selbst konnte als junger, gesunder Mensch nicht verstehen, warum ein Familienmitglied unter ähnlichen Beschwerden litt. Denn wie kann es einem schlecht gehen, wenn man doch eigentlich gesund ist?

Ich war vor einigen Monaten für acht Wochen in einer Klinik und wurde dort behandelt. Ich hatte das Glück, eine sehr gute Privatklinik besuchen zu dürfen. Die zuständigen Ärzte und Therapeuten waren sehr kompetent und konnten mich mit Psychotherapie und Medikamenten so einstellen, dass es mir besser ging und ich zumindest wieder Alltagsdinge erledigen konnte. Aber Depressionen sind keine normale Krankheit, wo man einfach ein paar Tabletten nimmt und nach kurzer Zeit wieder gesund ist. Depressionen bleiben. Sie sind mal stärker und mal schwächer – man hat gute und schlechte Tage.

Aktuell versuche ich, meinen Alltag (und den Beruf) wieder zu bewältigen. Ich fühle mich oft überfordert, versuche aber, so gut es geht zu „funktionieren“. Es gibt Tage, an denen geht es mir so schlecht, dass ich am liebsten im Bett liegen bleiben möchte. Aber ich quäle mich trotzdem zur Arbeit. Ich beiße mich durch, aber frage mich die ganze Zeit, warum ich mir das eigentliche antue? Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, da ist nun mal kein Platz für Schwäche.

Mein Mantra lautet: „Es kommen auch wieder bessere Tage“. Es ist schwer mit Depressionen daran zu glauben. Ich versuche es trotzdem.

Nachdem ich in meinem Podcast zum ersten Mal über meine Krankheit gesprochen habe, kamen viele Nachrichten von Euch. Scheinbar haben viele von Euch ähnliche Probleme. Depressionen sind nichts, wofür man sich schämen muss. Ihr müsst damit auch nicht alleine fertig werden. Sucht Euch bitte Hilfe!


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19 KOMMENTARE

  1. Hey Steve, ich wünsche Dir eine gute Besserung. Du sagst „Depressionen bleiben.“ – darf ich Dir widersprechen, und Dir aus ärztlicher Sicht etwas Mut machen? Es gibt nämlich viele Menschen, die aus diesem Tal wieder rauskommen und dann Rezidiv-frei bleiben. Besonders hoch ist die Chance, wenn man sich wie Du früh professionelle Hilfe sucht. Es ist natürlich schwer daran zu glauben, während man in der Tiefphase steckt – die Depression ist wie eine gnadenlose Bitch, die sich ungern trennt. Es kann lange dauern, aber es werden wieder bessere Tage für Dich kommen. Halte durch!

  2. „Ich selbst konnte als junger, gesunder Mensch nicht verstehen, warum ein Familienmitglied unter ähnlichen Beschwerden litt. Denn wie kann es einem schlecht gehen, wenn man doch eigentlich gesund ist?“

    So geht es mir ehrlich gesagt auch, bzw. ging.
    Hättest du mich vor so, hm, 6 Jahren dazu gefragt, ich hätte irgendwas geblubbert von wegen „was willst du eigentlich? Haus, Beamter, Frau/Freundin, Kind, läuft bei dir doch total rund“

    Inzwischen sehe ich das auch differenzierter. Aber ich kann daher nach wie vor verstehen, wenn einige Leute das „Krankheitsbild komisch finden“. Bzw. ist es ja generell so, dass psychische Erkrankungen weniger ernst genommen werden…

  3. Hallo Steve, toll das Du den Mut gefunden hast über deine private Situation mit deiner Community zu sprechen. Respekt ehrlich. Als ich den Text gelesen habe, habe ich gedacht, oh ha das ist erschreckenderweise 1zu1 das was ich im Moment selber durch mache bzw. erlebe. Die Symptome sind haargenau die Selben. Meine restliche Familie die ich noch habe, hat leider null Verständnis und Einfühlungsvermögen für meine Situation. Nur starke Worte, stell dich nicht so an etc. Ich habe auch schon mehrfach versucht einen Arzt dafür zu finden, leider ohne Erfolg bisher, alle Möglichkeiten haben dank Corona Aufnahmestop bis ins nächste Jahrhundert wenn es kassenärztliche Praxen sind oder sündhaft teure Privatpraxen, welche ich mir leider nicht leisten kann. Ich wohne in einer kleinen Stadt. da ist die Auswahl Vorort bzw. in der Umgebung nicht sehr groß. Hat du vielleicht einen Tipp woran man sich wenden kann? Wie ist das mit den Medis, die haben doch einen bösen Nebeneffekt, das sie die Fresssucht befeuern. Da will ich nicht noch mal erleben, da erst vor ein paar Jahren Adipositas, die mich 18 Jahre meines Lebens gekostet hat, bin genauso alt wie du. Ich erlebe das bei einem guten Freund der genau das gerade durchmacht. Der hat auch unsere Symtome und hat sich von seinem Hausarzt, wohl gemerkt Hausarzt, Medis verschreiben lassen, die ihn alles egal werden lassen, sein Charakter hat sich sehr verändert. Und die Fresssymtome werden jetzt von ihm mit Kettenrauchen und Alkohol unterdrückt. Ja er hat jetzt extrem abgenommen, weil er kaum noch isst. Böse Falle, leider ist es soweit, das ich ihm nicht mehr was dazu sagen kann. Der hört leider nicht mehr. Ich wünsche dir viel Kraft und hoffentlich eine bessere Zeit.

    Glyksi74 aka Sebastian

    • Hey, versuch es mal bei 116 117 (Webseite https://www.116117.de/ ).
      Das ist ein Service, der sich genau darum kümmert, wenn man keinen Arzttermin bekommt und dann versucht möglichst zeitnah einen Termin für dich zu finden. Das bedeutet weniger Stress für dich, denn die kümmern sich darum, dass sie sich mit Ärzten besprechen und dann versuchen bei einem einen freien Termin für dich zu bekommen.

      Aufmerksam bin ich darauf geworden, weil eine ehemalige Kollegin nun dort arbeitet und sie natürlich erzählt hat, was sie jetzt macht und worum es dabei geht.

      Hier geht es gezielt um ein paar Infor zu einer Psychotherapie: https://www.116117.de/de/psychotherapie.php

      Schau es dir mal an, hoffentlich bekommst du damit schneller einen Termin und gute Besserung.

    • Die Telefonseelsorge ist zumindest eine mittelfristige Lösung!

      „Weitere Hilfs- beziehungsweise Beratungsangebote für akute Krisensituationen bietet die Telefonseelsorge, die für eine anonyme, kostenlose Beratung zu jeder Tages- und Nachtzeit unter den bundesweiten Telefonnummern 0800 1110111 oder 0800 1110222 erreichbar ist.“

  4. Wir schaffen das schon, irgendwie – also wir, die damit zu kämpfen haben. Ich sag das nicht weil ich selber schon so weit bin, aber ich glaube daran, und wenn mir jemand das sagt tut das gut. Und deshalb sage ich dir das auch. Es war vorher anders, es wird auch wieder anders – irgendwie zumindest.
    Es freut mich, dass du’s schnell ne stationäre Therapie bekommen hast, und dass dir das geholfen hat. Bei mir hat es bis dahin länger gedauert, aber eines der wichtigsten Dinge die ich gelernt habe war: egal wie lange oder wie „schlimm“ es einem geht, es ist kein Trumpf-Quartett bei dem an vergleichen kann wer es schlimmer hat. Jeder leidet für sich am schlimmsten – und da wieder raus zu kommen ist eine Leistung. Das lässt sich nicht vergleichen wie eine Bergbesteigung.
    Leider hab ich in den letzten Jahren nicht mehr so genau verfolgt, wie es dir im Leben geht, weil – naja, Siege oben. Aber:
    Vor 15 Jahren – Gott, wie die Zeit vergeht – hab ich mal bei ner Kennenlernrunde „Steve Krömer“ unter „größeres Vorbild“ geschrieben. Ich war riesiger Allimania-Fan und du damals schon ein „Alter Mann“ für mich, aber weil du meine Interessen geteilt hast, hast du mir irgendwie die Angst genommen, dass man mit dem Erwachsenwerden uncool wird. Und wenn ich jetzt lese, dass es dir so geht aber du tust was du kannst – glaube ich, dass ich damals schon recht hatte damit.

  5. Als 2facher Familienvater und Ehemann in einer Gott sei Dank wieder gut laufenden Ehe ( Probleme gibt’s immer) der ebenfalls sagen wir mal ähnliche Probleme hatte kann ich dich verstehen . Und wie bestimmt auch 1000 mal von Leuten mit vielen Titeln erklärt bekommen hast bist du selbst der einzige der dich retten kann. Es kann dir kein Mensch helfen. Irgendwie ist das furchtbar traurig aber auch eine heftige Chance. Ich hatte das Glück durch die freiwillige Feuerwehr Schicksale mit zu erleben bei denen ich sagen kann…. ich möchte nicht tauschen….

    Mir hat laufen geholfen ich war vorher ziemlich träge und lustlos. Ich hab mich anfangs gezwungen. Jetzt kann ich nicht mehr ohne.. macht mich das laufen zu nem glücklicheren Menschen? Vermutlich ein wenig ! Aber was es mir definitiv gab ist .. das Verständnis das ICH der Herr über meinen Körper bin und ich dafür verantwortlich bin da meine Seele und mein Geist wieder klar kommt. Ich hab jetzt 17kg weniger und bin dieses Jahr meinen ersten Ultramarathon gelaufen.

    Gib niemals auf . Du wirst vielleicht nie gewinnen aber auch nie verlieren..

    PS. Bei dem Thema Werder Bremen kann dir allerdings keiner helfen.

    Machs gut fischkopf

  6. Da du ja historisch gesehen häufiger Probleme mit Vitamin-D gehabt. Hast du das in letzter Zeit mal überprüfen lassen (oder gewisse Hormone)? Gewisse Mängel können ja gegebenenfalls auch Depressionen begünstigen.

  7. Nach jedem Berg kommt ein Tal, nach jedem Tal kommt allerdings auch wieder ein Gipfel der zum verweilen einlädt.
    Ich kann das sehr gut nachvollziehen, mir hat eine familiäre Krise vor drei Jahren den Boden unter den Füßen weg gezogen und ich bin nur dank meiner wunderbaren und sehr geduldigen Frau wieder auf die Füße gekommen.

    Ich wünsche dir viel Kraft und hoffe das du auch wieder auf die Beine kommst.
    Liebe Grüße Kelevra

  8. Ach Steve, ich verfolge dich nun bestimmt schon seit 15 Jahren+ und es betrübt mich das zu lesen. Ich habe selber seit mehreren Jahren mit Depressionen zu kämpfen und habe mich sehr in deinem Text wiedergefunden. Ich wünsche dir viel Kraft und die Zuversicht, dass die besseren Tage sich doch irgendwo am Horizont verstecken.

  9. Ich kann nur raten, die Grundlagen der Psychotherapie gut abzuarbeiten.
    Zu verstehen, woher viele Emotionen, Ängste, Überforderung oder dieser Dämon kommt, hilft bei der Bewältigung. Mir jedenfalls. Ich bin durch intensives Arbeiten ein anderer Mensch geworden.

    Für mich sendest du viele mir bekannter Verhaltensmuster aus. Daran kann man arbeiten. Das kann man beherrschen.
    Es krempelt aber auch vieles um. Und nirgends trifft es besser zu, dass man Wunden erst offenlegen muss, bevor man sie reinigen kann und sie heilen.
    Viel, viel Erfolg!

  10. „Es gibt Tage, an denen geht es mir so schlecht, dass ich am liebsten im Bett liegen bleiben möchte.“

    Ja die Angst vorm verlassen der Sicherheit.Wenn die Schlafstadt zum Robinson Cruso Lager wird und nur noch die Blase einem zum verlassen zwingt.Man gedanklich schon dabei ist noch einen Eimer zu holen damit man vom Bernd das Brot Tapeten anstarren nicht weggerissen wird.

  11. Es tat dir hoffendlich gut diesen Artikel zu schreiben, mir hat das immer sehr geholfen alles niederzuschreiben und habe das auch mit meiner Psychologin durchgesprochen. Habe da einige Parallelen gelesen und verstehe ganz genau was du meinst. Behalte dein Mantra bei und halt es fest.

  12. „Ich hab auch mal keinen Bock“ ist auch ein Satz, den ich oft gehört habe von Menschen, die einfach überhaupt nicht wissen, was es heißt, einfach keine Freude empfinden zu können, was es überhaupt bedeutet, wenn das kleinste Bisschen Gute in deinem Leben komplett überschattet wird von innerer Leere oder gar Leid, das sich auch auf den Körper auswirkt. Nachdem mich meine bessere Hälfte während meiner Reha vor die Tür gesetzt hat, wurde das alles nicht besser: Unverständnis dafür, dass Wege, die früher in 30 Minuten Fußweg zu bewältigen waren – und wurden, da sich das Aufhalten in Fahrzeugen auf den Darm schlägt, jetzt mit 2,5 Stunden Bus und S-Bahn furchtbar problematisch sind.

    Auch der Weg, überhaupt zu verstehen, was es heißt, sich um sein psychisches Wohlbefinden zu kümmern, kann wahnsinnig lang sein, zu begreifen, dass man nicht wie bei ner Erkältung zum Arzt geht, dann bekommt man ein Medikament und nach ner Woche ist alles wieder gut. Nein! Der Arzt/der Therapeut nimmt eine begleitende Rolle ein und hat vielleicht den einen oder anderen Tipp, aber diesen Weg geht man selbst – nicht alleine, aber wenn du nicht selbst deine seelischen Beine in Bewegung setzt, kommst du da nicht raus.

    Ich möchte daher nochmal dafür werben, denn die oben angesprochene Beziehung hat sich im Nachhinein als toxisch herausgestellt, sodass zum Trennungsschmerz noch Situationen traumatischen Ausmaßes dazukamen, und diesen Schritt gehen musste; er mein Leben gerettet hat.

    Wenn ihr merkt, dass ihr bereits auf dem Zahnfleisch lauft, dann tut euch selbst einen Gefallen und fangt nicht erst an, nach einem geeigneten Therapieplatz zu suchen, sondern packt euch eine Tasche und wählt den Notruf. In der Klinik wird man vom Stress befreit, hat Gesprächsmöglichkeiten, wird mit Entspannungsübungen vertraut gemacht, mediamentiös eingestellt und erhält Struktur, die zum Überstehen dieser düsteren Phasen sehr wichtig ist, weil sie einem Halt geben. In der Zeit kann man sich auch auf die Suche nach einem geeigneten Therapeuten machen.

    Und wenn es einfach mal jemanden zum Quatschen braucht, wird sich ein guter Freund nicht von euch abwenden, der Hausarzt ist immer eine gute Adresse, die Telefonseelsorge oder auch die Kirchen sind da und gehen die nächsten Schritte gerne mit euch.

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