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Er wurde monatelang in Einzelhaft gesperrt, musste sich selbst einen entzündeten Zahn ziehen. Und das alles, weil er betrunken Auto gefahren war […] Jetzt hat ein Berufungsgericht dem heute 59-Jährigen einen Schadenersatz von 15,5 Millionen Dollar (12 Millionen Euro) zugesprochen. Die Vorinstanz hatte sogar 22 Millionen Dollar Entschädigung von dem County (Landkreis) gefordert, in dem der Mann ohne Prozess eingesperrt war. Doch auch die jetzt erzielte Summe ist eine der höchsten, die einem Opfer von Bürgerrechtsverstößen in den USA je zugesprochen wurde.

Wieder mal ein sehr schwieriges Thema: 15,5 Millionen Dollar klingt natürlich sehr viel. Man muss sich die Frage stellen: Kann man eine solche Schikane überhaupt mit Geld wieder gutmachen, und wenn ja, ist diese Summe angemessen? Unser Community-Mitglied und Jurist Kinki schreibt dazu:

15 Millionen für 2 Jahre meines Lebens? Das wäre wohl eine Überlegung wert, wenn es nicht gerade ein Kerker in einem amerikanischen Knast wäre! Man muss die Summe auch runterrechnen: Zunächst mal muss der Mann Anwaltskosten bezahlen, die mal locker 40% der Summe ausmachen dürften. Dann steckt in der Summe alles drin, von Verdienstausfall bis zu seinen Zahnarztkosten. Was tatsächlich „Schmerzensgeld“ ist, lässt sich kaum sagen, aber so wahnsinnig viel bleibt vermutlich gar nicht übrig.

Ach ja, zum Vergleich: In Deutschland beträgt die Haftentschädigung nach § 7 Abs. 3 StrEG ganze 25 Euro pro Tag, das wären also 9.125 Euro für ein Jahr.

Das finde ich eigentlich den viel schlechteren Scherz. Aber mehr ist unserem Staat die Freiheit seiner Bürger wohl nicht wert. Immerhin: die Zahnarztbehandlung hätte der Mann in Deutschland kostenlos dazu bekommen!

Wie seht Ihr die ganze Sache?

Quelle: Spiegel.de


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34 KOMMENTARE

  1. Einem unschuldigen Menschen Lebenszeit zu rauben ist in meinen Augen ein Vergehen, dass man mit nichts wieder gut machen kann.

    Da kann man diesen armen Menschen wenigstens das weitere Leben so angenehm wie möglich gestalten. Ich fände 22 Millionen sind genauso berechtigt wie 50 Millionen oder beispielsweise eine lebenslange Rente von 5.000 Netto im Monat.

    Wenn ich lese, dass man hier in Deutschland eine Entschädigung von NUR 25 Euro pro Tag erhält könnte ich einfach nur kotzen. Ich halte das Rechtssystem in Amerika um einiges geeigneter als das was wir hier in Deutschland haben.

      • Naja er ist ja immerhin noch betrunken Auto gefahren…. agnz unschuldig ist er also nicht ;D (Kann ja auch passieren dass er besoffen jemanden tot fährt)

        Allerdings ist es natürlich absolut lächerlich, dass man ohne Prozess für 2 Jahre unter schlechten Bedingungen in einer Zelle hausen muss.
        Wenn man das ganze aber mal Objektiv betrachtet, ist der Mann Millionär geworden, weil er besoffen Auto gefahren ist….

    • Entweder Du hast keine Ahnung vom deutschen Rechtssystem oder keine Ahnung vom amerikanischen Rechtssystem oder mit Dir stimmt irgendwas nicht.

      In Amerika hätte der Mann, wenn er nicht genügend Kohle für einen ordentlichen Anwalt hätte vorschießen können, überhaupt gar nichts nichts bekommen.

      Abgesehen davon wird in Deutschland jedweder Vermögensschaden, d.h. auch Verdienstausfall, zusätzlich zu den 25,-€ entschädigt.

  2. „Interessanter“ finde ich es ja, ob
    a) die im Artikel gegebenen Fakten stimmen, etwa „musste sich den Zahn selbst ziehen“ und
    b) falls es so stimmt, welche Konsequenzen die Haftanstalt deswegen tragen muss

  3. Achtung, soweit ich weiß werden Strafzahlungen in den USA auch so bemessen, das es dem „Täter“ wehtut. Auch jeder vernünftige Ami ist sich darüber im klaren, das die schon zur Legende gewordene Kaffeeverbrühung nicht eine Riesensumme wert ist, aber eine Strafzahlung für zb. McDomals muss eben so bemessen sein, das es einem Multinationalen Mega-Konzern zumindest soviel kostet, das man sich bemüht diesen Mißstand abzuschaffen.
    Wenn der Staat für die fälschliche Inhaftierung nach deutscher Entschädigungslage nur ca. 18.000 Euro zahlen müsste, wäre es nicht wirklich ein „Denkzettel“

    • wie ich bereits weiter unten geschrieben hatte, ist das dieser „Strafschadensersatz“, zu dem es im deutschen Recht kein Äquivalent gibt. Im Original heißt er „punitive damage(s)“, nachzulesen hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Punitive_damages

      Unter dem Link ist übrigens auch der Stella-Liebeck-Fall zu finden, hier besser bekannt als „Kaffee bei McDonald’s“.

    • 1. Ist nicht der Staat Schuld an einer Fehlinhaftierung, das Urteil trifft immer noch die unabhängige Justiz. Der Staatsanwalt muss auch in Indizienverfahren im Interesse der Opfer anklagen, da das bei Kapitalverbrechen nicht die Opfer selbst übernehmen können.
      2. Ich kann auch die Strafschadensersatzzahlung nicht gutheißen, damit werden nur Anklagen, die aus Langeweile, Gier, Querulantentum o.Ä. geschehen, subventioniert und das sowieso überlastete Rechtssystem unnötig belastet. Dann lieber wie in Deutschland im Strafverfahren eine Geldstrafe und im Zivilverfahren Schadensersatz verhängen. So ist Strafe sauber getrennt von Schadensersatz, und vor allem profitiert der Geschädigte nicht vom Vermögensstand des Beklagten. Wo ist da die Gerechtigkeit, wenn 2 Leute das gleiche Leid erfahren, aber der eine Millionen und der andere ein paar hundert $ bekommt, nur weil die Beklagten unterschiedlich liquide sind?

  4. Lest euch den Paragraphen mal genauer durch. Die 25 € kommen zusätzlich auf den entstandenen Vermögensschaden drauf, d.h. also wenn man durch die Haft nicht arbeiten konnte, wird einem der Lohn gezahlt. Oder man verpasst einen wichtigen Termin der einen Geld kostet. Auch dies wird ersetzt. Die 25 € sind sozusagen nur die Entschädigung fürs im Knast sitzen.

    • Ja und nein. Wenn man seinen Arbeitsplatz durch die U-Haft verliert, kann man den Verdienstausfall dem Grunde nach verlangen. Wohl dem, der angestellt ist, denn mit einem Lohnzettel ist der Nachweis einigermaßen gut zu führen. Wenn man selbständig ist, hat man ein Problem, den fiktiven Verdienst nachzuweisen.

      Ganz abgesehen davon, dass die Kacke schon längst dampft, wenn man nach Monaten oder Jahren entlassen wird. Die Wohnung ist weg, die Familie vielleicht schon auf Hartz IV (was dann angerechnet wird), da ist es ein schwacher Trost, wenn man hinterher auf den Cent genau entschädigt wird.

      Und trotzdem: Würdest du für rund 1 Euro „Stundenlohn“ monatelang im Knast sitzen wollen?

    • Vollkommen richtig, die 25 Euro sind Schadenersatz für immaterielle Schäden und in Kumulation mit etwaigen anderen Vermögensschäden zu sehen. Dennoch erscheint die Summe sehr niedrig. Gleichwohl ist der immaterielle Schaden auch schwer zu bemessen. Ich denke, dass eine Einschränkung der Freiheit sicherlich einen höheren Wert entsprächen müsste, letztlich schon aufgrund der hohen Stellung dieses Wertes. Auch möchte ich noch hinzufügen, dass die 25 Euro nicht unkritisch betrachtet werden.

      • Einfach mal so zum Vergleich: Wenn ich jemandem eine Ohrfeige gebe (also nicht gerade gestreichelt!), dann kann ein Schmerzensgeld im Bereich von 300-500 Euro rauskommen, also ein Äquivalent von 12-20 Tage Haftentschädigung. Nehmen wir im Schnitt mal 15 Tage.

        Jetzt spinnen wir das mal weiter: Wenn man die Wahl hätte, entweder 10 Monate in den Knast zu gehen oder die Sache kurz mit 20 Ohrfeigen zu erledigen … naja, die Katholiken mit ihrem „andere Wange hinhalten“ hätten wohl eine leichte Entscheidung!

        Ich plädiere hier nicht für ein Züchtigungsstrafrecht, ich will nur zeigen, wie wenig 25 Euro im Vergleich zu anderen „immateriellen Schadensersatzbeträgen“ sind.

    • Schon klar. Aber gerade das ist ja der Witz.
      Wenn du als Privatperson jemand Tagelang einsperrst, viel Spaß vor Gericht.

  5. Ich weiß jetzt nicht was für einen Tatbestand das Ignorieren einer nötigen Zahnbehandlung ist, aber rechtens ist es auf keinen Fall rechtens. Zudem jemanden 2 Jahre lang in ein Gefängnis zu sperren ohne verurteilt zu werden, darf in einem Staat wie den USA nicht passieren.
    12 Millionen Euro sind schon eine Menge Geld, aber meiner Meinung nach darf man so eine Verwahrlosung eines Menschen vom Staat nicht auf die leichte Schulter nehmen.

    • Da bist du aber stark auf dem Holzweg.
      Gerade die USA haben spezielle Gesetze dafür.
      Nach Gesetz dürfen sie erstmal _jeden_ in den Knast stecken.
      Die Bundesbehörden können auch mitlerweile ohne Richterentscheid Telefone und jegliche Daten von jeder Firma abhören oder anfordern.
      Der international bekannte patriot act wurde damals innerhalb zweier Tage durch das Parlament gepeitscht, ohne korrekte Diskussion oder Änderung.
      Es gibt Gesetze, welche den Staatsorganen legale Tötungen von Ausländern erlaubt.
      Durch diese neuen Gesetze kamen alleine in Afghanistan über 120.000 Zivilisten durch Hubschrauber- un Drohnen-Angriffe ums leben. Videos von Raketenangriffen auf Menschen, die einfach nur über die Straße laufen, wurden ja schon öfter geleaked. Man bedenke, dass dort seit 10 Jahren kein Krieg mehr herrscht – wenn man das überhaupt Krieg nennen konnte.
      Mitlerweile gibts sogar Regelungen, welches auch Tötungen von US citizen offiziell erlaubt und tagtäglich Anwendung findet.
      Hoch lebe die Demokratie, god bless ‚Murica 😉

    • Natürlich hinkt der Vergleich. Aber das, was man in Amerika vielleicht zu viel kriegt, kriegt man in Deutschland eindeutig zu wenig. Ich frage auch dich: wieviel ist dir deine Freiheit wert?

      • Diese Antwort würde vom Verdienst des Befragten abhängen.

        Und zusätzlich zu den 25,-€ wird ja auch jeglicher Vermögensschaden, also auch Verdienstausfall, bezahlt.

  6. also so schlecht wie kini die haftentschädigung darstellt in deutschland ist die situation nicht:

    die gefängnisse in D sind vergleichbar mit jugendherbergen (von der komfortabilität) nur das man halt sogar einzelzimmer hat. ausserdem bekommt man vernünftiges essen, fernseher, pc und internet, die nebenkosten (für strom und wasser) fallen ganz weg, man muss keine miete zahlen.

    der geldwerte vorteil beträgt da mal locker an die 1000 euro im monat. von daher geht ein „knacki“ – ob zu recht oder unrecht im gefängnis – mit gut 30.000 € im jahr nach hause – dass muss man „draussen“ erstmal verdienen!!

    • wer zu unrecht verknackt wird zahlt trotzdem noch Mite, an seiner Wohnung, auserdem entsteht eine Rufschädigung, 25€ sind en weng wenig, aber ja in Deutschland sind die Gefängnisse recht Kompfortabel im vergleich zu andere Ländern, bis auf den Freiheitsentzug natürlich…

    • Ich habe schon die eine oder andere Zelle gesehen. Erst heute wieder: 2 Holzstühle, eine offene Kloschüssel und geschätzte 10 Quadratmeter. Ich weiß nicht, was du gewohnt bist, aber ich würde mich da nicht einquartieren wollen!

      Auf der anderen Seite stimmt es natürlich, dass es in anderen Ländern noch schlimmer ist. Hatte da mal einen Russen, der über deutsche Gefängnisse tatsächlich gesagt hat: „ist wie Hotel“. Naja, vielleicht im Vergleich zum Gulak daheim …

  7. Leider wird er davon nichts mehr haben. Er hat nur noch 1 Jahr zu leben, Lungenkrebs…

    In den USA is das sowieso ganz schlimm. Man denke an die Frau die sich bei McDonalds am Kaffee verbrühte und mehrere Mio US Dollar erhielt.

    Eben das land der unbegrenzten Möglichkeiten 😉

    • Die Kaffeegeschichte ist in Teilen eine Urban Legend. Es gab zwar den Prozess, aber die hohe Summe war kein Schmerzensgeld, sondern Strafschadensersatz. Und den musste McDoof zahlen, weil nachgewiesen werden konnte, dass trotz vorliegender Warnungen der Kaffee viel zu heiß gebrüht bzw. verkauft wurde.

  8. Soll doch auch kein Urlaub sein. 25€ pro Tag ist doch voll ok. Andere kriegen wahrscheinlich weniger, obwohl sie arbeiten undso. Klingt jetzt wieder so nach Stammtisch, vielleicht hat ja jemand ein gutes Gegenargument.
    Die Amerikanische Justiz lässt einen doch immer den Kopf schütteln. Schon, dass die Anwälte am „Gewinn“ beteiligt werden ist einfach nur dumm.

    • glaubste die arbeitn umsonst^^?

      man muss sich halt dreimal überlegen, ob man halt klagen will. der anwaltsverdienst orientiert sich am streitwert (in D ca 35% des streitwerts). unabhängig davon ob man gewinnt oder nicht.

      wenn der fall verloren gegangen wäre hätte der kläger jez 4 millionen schulden^^

      • Die Antwort ist nicht ganz richtig. Ich denke, dass der Kläger ein Erfolgshonorar vereinbart hat mit dem Anwalt.
        Hätte der Anwalt den Prozess verloren hätte er eben umsonst gearbeitet.

    • Vielleicht hast du das nicht ganz verstanden: 25€/Tag sind ENTSCHÄDIGUNG, wenn du UNSCHULDIG im Knast warst. Wir reden hier nicht über Straftäter, die ihre Strafen absitzen, sondern wir reden über Bürger, an denen der Staat Freiheitsberaubung begangen hat.

      Was würdest du für angemessen halten, wenn du unschuldig gesiebte Luft atmest? Wieviel wäre dir deine Freiheit wert?

    • So etwas unreflektiertes durfte ich schon lange nicht mehr lesen.

      Das ist keine Belohnung, das ist eine Entschädigung dafür das er Misshandelt und zu Unrecht festgehalten wurde!

      Absolut menschenverachtend so etwas in Ordnung zu finden…

    • Du fändest es also gerecht, wenn du fälschlicherweise für 1 Jahr im Gefängnis warst und dafür nur 9125€ Entschädigung bekommst?

      12 Millionen sind vllt etwas hoch, vor allem weil er ja nicht komplett unschuldig war, aber etwas mehr als in Deutschland dürfte es schon sein.

  9. Österreichische Haftentschädigung ist laut Gesetz verhandelbar und das Mittel liegt bei 100€/Tag!

    Woohooo Österreich!

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