Auch wenn es laut der deutschen Öffentlichkeit total einfach sei, als Lehrer zu arbeiten, da man ja eh immer Ferien hätte und im Grunde ja nur ein paar Kinder bespaßen müsse, beinhaltet der Beruf viele Herausforderungen, denen man sich früher oder später stellen muss. Wie schon im Podcast berichtet, finde ich es äußerst schwer, das richtige Maß für eine professionelle Distanz zu meinen Schülern zu finden. Natürlich hängt es extrem davon ab, was für ein Typ Lehrer man ist: Eher konservativen Typen, denen Disziplin am wichtigsten ist, fällt dies natürlich wesentlich leichter, als einem Lehrer wie mir, der eher der Kumpeltyp ist. Man kann sich seinen Stil nun mal nicht aussuchen, denn man handelt ja nach seinem Charakter. Wenn ich plötzlich als autoritärer Lehrer auftreten würde, ginge das aller Wahrscheinlichkeit nach in die Hose, weil ich so schlicht und einfach nicht bin. Daher muss jeder Lehrer seinen eigenen Weg finden. Umso fragwürdiger fand ich auch meinen Seminarleiter früher im Referendariat, der mir erzählen wollte, ich müsse mich ändern oder verstellen, da meine Art im Schulalltag so nicht funktionieren würde, da die Schüler keinen Respekt vor mir hätten. Ich wünschte, der wäre heute mal in meinem Unterricht dabei. Da könnte er vielleicht selbst noch was lernen.
Ich arbeite jetzt inkl. Referendariat zwölf Jahre als Lehrer, und ich habe wunderbare Jahrgänge und Schüler in dieser Zeit unterrichtet. Ich habe nach all den Jahren sogar immer noch Kontakt zu dem ein oder anderen Schüler aus meiner tollen Referendariatszeit in Gronau. Trotzdem fiel es mir immer unglaublich schwer, die Schüler nach ihrem Abschluss gehen zu lassen. Ob ich will oder nicht, aber wenn ich eine Klasse lange und intensiv begleitet habe, hängt immer irgendwie mein Herz daran. Und das ist in der Tat eine schwierige Situation, denn trotz der Tatsache, dass man sie 4-5 Jahre unterrichtet und ein Stück weit auch erzogen hat, bricht zu 90% der Kontakt nach dem Abschluss ab. Und das ist auch eine Entwicklung, die von uns Lehrern erwartet wird: Die Vorstellung, dass das eigene Kind nach seinem Abschluss noch Kontakt zu seinem ehemaligen Lehrer hat (ihn vielleicht sogar mal zum Eisessen trifft), ist gesellschaftlich völlig inakzeptabel. Gerade als männlicher Lehrer ist man dann ganz schnell im „Pedobär“-Bereich…
Als Lehrer steht man also immer „zwischen den Stühlen“. Von uns wird erwartet, Schüler zu unterrichten und zu erziehen (Eltern nehmen sich hier nur allzu gerne raus), aber gleichzeitig müssen wir Roboter sein, die möglichst keinerlei emotionale Beziehung zu den Kleinen aufbauen. Da ich nun selbst die Schule wechsle, ist die Situation noch viel schwieriger als sonst: Als ich an meinem Abschiedstag weinende Schüler/innen vor mir stehen hatte, die mich angefleht haben, doch bitte nicht zu gehen, hat mir das ein Stück weit das Herz gebrochen. Damit muss man erstmal klarkommen…
Die Vorstellung nach den Ferien auf meine Lieblingschüler und -klassen verzichten zu müssen, ist zu diesem Zeitpunkt noch absolut unvorstellbar. Natürlich werden neue tolle Schüler in mein Leben treten, die ich genauso lieb gewinnen werde. Ich frage mich nur: Warum muss man als Lehrer heutzutage ein schlechtes Gewissen haben, wenn einem die eigenen Schüler ans Herz wachsen. Warum habe ich ein schlechtes Gewissen, weil mich meine Lieblingsklasse in ihre Whatsapp-Gruppe eingeladen hat?
Ich weiß, dass wir viele (angehende) Lehrer in der Community haben. Wie macht Ihr das? Wie geht Ihr mit dem Abschied von Euren Klassen/Schülern um?
Anzeige
In dem Moment, in dem einem jemand sagt, dass man seine Emotionen verbergen oder gar andere vortäuschen soll, ist eigentlich schon klar, dass das Bullshit ist.
Ich bin sogar sicher, dass das schlimm für junge (und eigentlich auch ältere) Menschen ist, wenn man ganz lange ein gutes Verhältnis hat und am Ende dann das Signal rüber kommt: „Hey, macht mir nix aus zu gehen, war alles nur Show hier, bye bye.“
Wegen der Aufsichtsgeschichte im Allgemeinen sollte man nur immer transparent gegenüber anderen Lehrern und den Eltern sein. Wenn man über eher unübliche Kanäle Kontakt hat oder Sachen / Projekte außerhalb der Bildungseinrichtung macht, sollte man den Eltern alle Infos dazu geben und die Kinder dazu ermutigen, den Eltern davon zu erzählen, damit gar nicht erst blöde Reaktionen aus Angst und Unsicherheit kommen.
Also ich habe bei mir in der Klasse eine ähnliche Situation gehabt und kann das auch sehr gut nachvollziehen Steve. Es ist bei uns eigentlich nicht üblich, Lehrer von der 5. bis zur 10. Klasse zu haben. Der Klassenlehrer wechsel findet nach der 7. Klasse statt und auch die Hauptfächer werden durchgetauscht. Auf Grund von Personalknappheit durften wir aber unsere Deutschlehrerin behalten. Bei uns auf der Realschule war es wohl auch immer so, dass die Lehrer gegen Ende des Schuljahres „Wünsche“ äußern durften, welche Klassen sie behalten oder wo sie wechseln möchten.
Dadurch kam das, dass uns unsere Deutschlehrerin bis zur 10. Klasse erhalten blieb und da hatte sich natürlich auch eine enge Bindung aufgebaut. Ich weiß, dass einige Mädchen sich auch nach der 10. Klasse mit der Lehrerin bei ihr auf Kaffee & Kuchen getroffen haben.
Und ich finde das in keinster weise seltsam.
Mir persönlich waren und sind die Kumpeltypen auch immer am liebsten gewesen. Das waren die, die einen meistens auch ernst genommen haben und geholfen haben, wenn es mal nicht so lief. Um Kinder zu erziehen muss man meiner Meinung auch eine gegenseitige Bindung zu dem Kind/Jugendlichen haben.
Ich hatte in meiner Schulzeit drei Lehrer, mit denen ich super klar gekommen bin und mit denen ich auch privat teilweise noch Kontakt hatte, das ist auf Dauer aber natürlich abgebrochen. Mein Englischlehrer war sogar mit seiner Frau bei meinem 18. Geburtstag. An meinen Physik- und Mathelehrer kann ich mich noch am besten erinnern. Er kam immer etwas streng rüber und man hatte sogar etwas Angst vor ihm. Er hat sich aber für jeden Schüler die Zeit genommen, die er brauchte und war auch nach dem Unterricht noch ansprechbar. Er wollte immer das Beste aus einem raus holen. Ich habe mich durch ihn in Mathe von einer knappen vier auf eine zwei verbessert und konnte das auch halten.
Insgesamt muss ich sagen, dass ich mit den Lehrern besser klar gekommen bin, die sich nicht großartig verstellt haben und unbedingt professionell sein wollten. Wenn man auch mal ein bisschen Spaß im Unterricht haben kann, lernt es sich meiner Meinung nach auch besser. Deshalb: Ändere dich nicht und zieh dein Ding durch.
Ich hatte ausschließlich Lehrer die für mich eine Respekts- und Autoritätsperson waren. Daher war ich nie in einer solchen Situation wobei ich bereits vor 19 Jahren mein Abitur gemacht habe. Nur frage ich mich schon warum einen Schüler in eine WhatsApp Gruppe einladen. Letztendlich ist es wie so oft im Leben. Wege trennen sich nunmal.
War an einem Internat, da ist das vermutlich zwangsweise etwas anders. Wir haben uns gerade am Abend, beim Freizeitsport oder am Wochenende auf Wanderungen auch privat mit den Lehren bekannt gemacht. Da heute noch unregelmäßigen Kontakt zu halten ist für viele normal. Zwischen einigen Schüler/innen aus der Oberstufe und Lehrer/innen lief da auch was, teils während der Schulzeit teils danach. Aus Perspektive der Lehrer sicher schwierig hinsichtlich professioneller Distanz, aber geschadet hat es keinem der Beteiligten von dem ich weiß 😛
Ich weiß natürlich nicht , wie dass bei dir abläuft. Ich hatte meine Lehrer immer nur maximal 2 Jahre lang. Es wäre mir ziemlich egal gewesen, wenn in dieser Zeit, einer der Lehrer gegangen wäre.
Ich habe den großteil meiner Lehrer eher als eine Art Gegner gesehen, denen ich beweisen musste , dass ich es doch kann. Nur mein Info und mein Physik Lk lehrer waren Personen mit denen ich auch privat hätte kontakt haben wollen.
Diese haben mich aber tatsächlich gestärkt mein Leben so zu leben wie es im Moment ist.
Alles in allem denke ich der Lehrerberuf ist ein sehr undankbarer. Zum einen kann man es sich unglaublich leicht machen. Der Stoff ändert sich über die Jahre nicht wirklich viel. Sodass mancher altes einfach wiederholt. Zum anderen ist man der Sündenbock für die Unfähigkeit anderer.
Ich denke man kann sich als Lehrer nicht über seinen Beruf beschweren.
Mehr Unterstützung aus der Gesellschaft wünschen sich viele.
Mfg Hendrik und viel Spaß und hoffentlich nette Schüler
Hendrik
Ich habe nun einen Jahrgang als Klassenlehrerin Klasse 1-4 durch. Die Kinder und ich haben echt geweint! Es war einfach eine super Staatengemeinschaft und ein wirkliches Vertrauensverhältnis zwischen mir und den Kindern. Ich weiß so viel aus ihrem Leben. Vier Jahre habe ich meine Energie und natürlich auch mein Herz da rein gesteckt und alle lieb gewonnen. Und dann sagen Außenstehende „Du bekommst doch neue Kinder“ – super. Als könnte man Menschen einfach locker austauschen, weil man ja „Lehrer“ ist. Und „Das gehört nunmal dazu“. Ja das ist auch so, man gewöhnt sich dran – trotzdem ist es nicht einfach. Eine Kollegin meinte auch „Da gewöhnst du dich dran wenn du mehrere Klassen hattest. Klar, wenn man so ein abgekühltes Verhältnis zu den Kindern hat wie sie, dann sicher. Und zum Thema „Autoritätsperson“: Ich bin auch eher der Kumpeltyp, trotzdem funktioniert und läuft der Unterricht gut. Als Bonus bekommt man das Bertrauen der Kinder und eine super Atmosphäre in der Klasse. Das möchte ich nicht eintauschen. Ich habe mich die letzten Wochen auch oft gefragt, warum manche nicht verstehen , warum es als Lehrerin schwer ist die Kinder gehen zu lassen.
Wurde letztes Jahr am Ende des Referendariats von meiner „Lieblingsklasse“ getrennt, was zu ziemlichen Tränensbecken geführt hat. Da ich aber mit der Klassenleitung noch gut in Kontakt bin, schreibe ich der Klasse alle paar Monate eine längere Mail und gebe ihnen Aufgaben aus unserem Unterrichtsfach Englisch mit auf den Weg.
Ich kann da nur von mir und meiner Mutter sprechen.
Meine Mum ist auf eine Gehörlosenschule gegangen und ihre damalige Klassenlehrerin ist selbst nach der Schule eine Freundin für meine Mama geblieben und für mich schon seit jeher ein Omaersatz, Ich nenn‘ sie sogar Omi…
Ich glaub ich fände es unglaublich schwer die Kinder die man dann doch so lange begleitet und ja zum teil auch mit erzieht dann ziehen zu lassen. Super schwieriges Thema, kann mir vorstellen das sich sowas wie „schlussmachen“ anfühlt.
Bin Erzieher für drei bis sechsjährige Kinder in Hannover, Engelbostel und muss sagen: Du sprichst mir aus der Seele.
„Warum muss man als Lehrer heutzutage ein schlechtes Gewissen haben, wenn einem die eigenen Schüler ans Herz wachsen?“ – Der Kopf gibt Dir die Professionalität, die man in diesem Beruf haben muss, das Herz baut die Brücken zu deinen Schülern. Sei froh, dass Du traurig über den Abschied bist: Es zeigt einfach, dass Dir diese Kinder wichtig sind und Du nur das beste für sie willst!