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Erinnert Ihr Euch noch an After Life – die neue Netflix-Serie, die ich Euch empfohlen habe? In der Serie gibt es eine Szene, die mich äußerst nachdenklich gestimmt hat. Ich würde sie Euch gerne beschreiben und Eure Einschätzung dazu hören…

Der Protagonist sitzt mit einem Junkie zusammen, der ihm immer Marihuana verkauft. Er raucht Joints, um den Tod seiner Frau besser zu verkraften. Irgendwann reden beide darüber, wie viel sie gemeinsam haben. Der Junkie merkt an, dass der große zwischen den Beiden sei, dass er selbst schon lange aufgegeben habe. Er fügt hinzu, dass er, wenn er nur genug Geld hätte, sich genug Drogen kaufen würde, um sich den goldenen Schuss zu verpassen und sein Leben zu beenden. Anschließend greift der Protagonist zu seiner Brieftasche und gibt dem Mann sein ganzes Geld. Dieser nickt, nimmt das Geld, kauft sich Drogen und beendet damit später sein Leben.

Es klingt geschrieben alles viel nüchterner und unemotionaler als es in der Serie tatsächlich ablief. Dort hatte die Geste einen melancholischen und fast schon freundschaftlichen/gütigen Charakter. Jetzt die Frage an Euch: Wie seht Ihr diese Geste? Ist er der Mörder oder zumindest der Komplize beim Tod des Junkies? Oder ist er der Samariter, der dem armen Mann hilft, sein fast schon unerträgliches Dasein zu beenden? Ist es eine Geste des Hasses oder des Mitgefühls? Der Grad ist hier ziemlich schmal, oder? Was überwiegt Eurer Meinung nach? Mörder oder Erlöser?


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8 KOMMENTARE

  1. Hi ihr,

    Ich war selber 3 Jahre Heroin abhängig. Bin seit November Clean, hab wieder ein tollen Job im Labor und ein gutes Leben. Ich hatte am ende selbst öfter sie Situation in der ich mich fragte habe ob ich es Beenden soll und mir den goldenen schuss verpassen sollte. Völlig außerhalb dieser Situation will ich kurz festhalten das Junkies immer wissen wo sie Kohle herbekommen würden für den goldenen. Vor allem ohne die Konsequenzen zu fürchten… Man kann Dealer Abzocken, Einbrechen, Autos knacken usw. Also passt die Szene nicht ganz. Nichtsdestotrotz kannst du als Junkie nicht entscheiden ob dein Leben gerade wirklich so düster ist. Dir fehlt Stoff, der Affe steht vor der Tür (Entzugserscheinungen) , Menschen die du mochtest nichtigen dich usw. Sobald du eine Zeit clean bist sieht die Welt anders aus. Freunde Kommen wieder, verlorene Gefühle werden wiedererlangt, man sieht wieder Licht wo Jahre nur Dunkelheit war. Ich bin generell für aktive Sterbehilfe wenn jemand sterben möchte. Würde jedem ex Junk ,der Monate Clean ist, Geld geben wenn er feststellt das er trotz allem nichtmehr ins leben findet. Jemand der Depressiv ( was zwangsläufig mit einer opiat sucht kommt) und weit entfernt von nüchtern ist nimmt man evtl ein Leben das er sich noch hätte erkämpfen können

  2. Absolut berechtigte Frage – ich selbst habe die Serie (noch) nicht geschaut.
    Gibt man Ihm das Geld, kann er sich seinen größten Wunsch erfüllen und „sich selbst erlösen“. Auf der anderen Seite hört man auch immer wieder, dass rehabilitierte Menschen dankbar dafür sind, dass Sie „die neue Chance“ bekommen haben und ihr Leben weiterleben können.

    Da der Protagonist das Ihm zur Verfügung stehende Mittel geopfert hat und zwar das Geld und keine direkte, medizinische Hilfe, glaube ich, dass es die richtige Entscheidung war. Denn um einen Menschen zu rehabilitieren, standen Ihm keine Ressourcen zur Verfügung.

  3. Man merkt das hier diskutiert wird ohne das jemand die Serie gesehen hätte. Ricky Gervais (Tony) und der Junkie kommen in Kontakt, weil Tony glaubt so abgefuckt zu sein, das es kein Problem mehr darstellt Heroin zu nehmen. Er nimmt es ein einziges Mal und wird dabei hilflos vom Junkie beklaut, woraufhin er danach nur noch Gras mit ihm raucht und die beiden sich trotzdem auf sehr schön, schräge Art anfreunden.

    Tony hat ein einziges Mal in diese andere Welt geblickt und ist zurück geschreckt und trotzdem glaubt er das es zwischen ihm und dem Junkie unzählige Parallelen gäbe. Als er dann erkennt das er bei Weitem nicht so am Arsch ist wie der Junkie, für den es wirklich nur noch einen Ausweg aus diesem scheiß Leben zu geben scheint, der wirklich aufgegeben hat (im Gegensatz zu Tony der nur in seiner Trauer badet ohne je in Gefahr zu sein darin ertrinken zu müssen statt zu wollen), gibt er ihm den kompletten Inhalt seiner Brieftasche mit den Worten „Gib es ja nicht für Essen aus“.

    Emotional mit das Packenste was ich je in einer TV-Serie erlebt habe. Ein Wahnsinnsmoment ohne Klischee, ohne Zeigefinger und ohne Wertung. Es gibt aber 1-2 Episoden später eine Szene, die das alles nochmals moralisch einordnet. Tony´s Schwager, der Herausgeber der Lokalzeitung spricht ihn auf den Junkie an. Der war nämlich der Austräger des Blättchens und Tony´s Schwager bekam dadurch schon rudimentär mit was da ablief. Tony muss ihm sagen, das er nichts mit dem Tod zu tun hat, sonst darf er seinen Neffen nicht mehr sehen. Darum sagt er es auch und beide wissen das er lügt.

    Die Serie hat in nur 6 Episoden a 25 Minuten mindestens ein Dutzend dieser tollen Momente. Sollte sich wirklich jeder mit Netflix-Account ansehen!

  4. Ich denke, das unser Rechtssystem diese Frage schon recht gut beantwortet hat. Der wichtigste Punkt ist zunächt einmal dieser: Suizid ist nicht strafbar! Der Tatbestand des Totschlages beinhaltet ausdrücklich, EINEN ANDEREN Menschen zu töten, nicht aber sich selbst. Das mag auf den ersten Blick lächerlich wirken, hat aber eine wichtige Bedeutung, sobald es um Mittäterschaft oder Beihilfe geht.

    Damit möchte ich mal das erste Zwischenergebnis vorwegnehmen: Unsere Gesellschaft hat sich dafür entschieden, dass jeder frei über sein Leben verfügen kann. Die Konsequenzen muss jeder mit sich selber ausmachen, auch die metaphysischen. So ziemlich jede Religion verurteilt den Suizid und droht „Strafen“ an, von der christlichen Hölle bis zur buddhistischen Wiedergeburt als Kartoffelkäfer. Selbst der Islam verdammt den Selbstmord (wobei Selbstmordattentate einen gesonderten Stellenwert einnehmen, der hier keine Rolle spielt). Der Großteil der Menschheit dürfte aber letztlich damit übereinstimmen, dass wir auf weltlicher Ebene die Entscheidung jedem einzelnen überlassen sollen.

    Damit komme ich zur Frage der Beihilfe. Hier beziehe ich mich auf das deutsche Recht; international gibt es durchaus Abweichungen. Beihilfe zum Selbstmord ist nicht strafbar. Punkt! Ich darf dem Suizidalen den Giftcocktail anrühren oder die geladene Waffe reichen, lediglich die tödliche Handlung muss demjenigen selber überlassen bleiben. Um auf das Eingangsbeispiel zu kommen: Der Protagonist darf auch im Wissen der Konsequenzen dem Suizidalen die Drogen finanzieren.

    Nun kommen wir aber zum entscheidenden Punkt, der die schönen klaren Überlegungen stark eintrübt: Der Suizidale muss freien Willen besitzen. Sobald kognitive Beeinträchtigungen vorliegen, sei es durch Krankheit, Drogen, Alkohol, Depressionen und so weiter, laufe ich Gefahr, vom Beihelfer zum Täter zu werden. Ich bin also nicht mehr derjenige, der dem Suizidalen einfach nur hilft, sondern ich bin derjenige, der ihn tötet, wobei ich ihn, der ohne eigenen Willen oder mit eingeschränkter Willenfreiheit handelt, als Werkzeug gegen ihn selbst verwende. Nun ist aber nicht jede noch so leichte kognitive Beeinträchtigung geeignet, den freien Willen zu beeinträchtigen. Denken wir an die Alkoholfahrten: Wenn wir bei jedem Betrunkenen vom Ausschluss des freien Willens ausgehen müssten, könnten wir niemanden mehr wegen einer Trunkenheitsfahrt verurteilen (weil er schuldlos handelt).

    Um wiederum auf den Ausgangsfall zurückzukommen: Der Junkie scheint ja recht rational zu erklären, dass er nicht aus einer Laune heraus – einfach aufgrund seines Drogenrausches – Suizid begehen will, sondern weil er sein perspektivloses Leben beenden will. Diese Perspektivlosigkeit besteht auch, wenn er die Drogen ausgeschwitzt hat. Nun weiß der Protagonist aber nicht, ob der Suizidale sein Leben bei „klarem Kopf“ genauso perspektivlos beurteilen würde. (Gegenbeispiel: schon bei klarem Kopf hat er sein Leben verdammt und kifft sich erst anschließend zu.) Es bleibt somit in diesem Fall die Ungewissheit, dass derjenige tatsächlich aus innerer Überzeugung handelt, und damit bewegt sich die Beihilfe in den strafbaren Bereich, zumindest in den Bereich der Fahrlässigkeit.

    Abschließend: Jeder hat immer noch die freie Wahl, sich für oder gegen die Beihilfe zum Suizid zu entscheiden. Ich persönlich könnte mir nur einen Extremfall vorstellen, in dem ich bereit wäre, einem anderen beim Sterben zu helfen, wenn z. B. ein Angehöriger mich aufgrund andauernder Leiden aufgrund Unfall oder Krankheit darum bitten würde, eben diese „Klischeefälle“, rund um die Sterbehilfe immer diskutiert wird. Aber ein Fremder, dem ich zufällig begegne? No way, das wäre mir stets zu heiß.

  5. Mit einer sehr ähnlichen Frage beschäftige ich mich auch schon etwas länger: was passiert, wenn ein Mensch aus einer eigenen, bewussten und mündigen Entscheidung heraus Selbstmord begehen will? Wir gehen ja sehr schnell davon aus, dass hinter jedem Selbstmord eine psychische Erkrankung liegen muss. Aber was ist, wenn dem nicht so ist? Haben wir das Recht oder sogar die Pflicht, diesen Menschen daran zu hindern, Selbstmord zu begehen? Momentan Wenn wir davon ausgehen, dass Suizid nur Aufgrund von einer psychischen Erkrankung eine echte Option ist, ein suizidaler Mensch diese Entscheidung also nicht frei und mündig treffen kann, lässt sich einfach argumentieren, dass wir eine moralische Pflicht haben, diesen Menschen an dem Selbstmord zu hindern und ihm oder ihr danach entsprechende Hilfe zu geben, mit der Erkrankung umgehen zu können. Das ist auch afaik. der aktuelle Stand: wer einem Menschen beim Suizid hilft bzw. ihn nicht versucht zu verhindern macht sich strafbar. Und wer suizidgefährdet ist landet schnell in einer geschlossenen Anstalt.

    Was aber wenn ein Suizid nicht immer auf eine psychische Erkrankung zurückzuführen ist. Nehmen wir Thích Quảng Đức als Beispiel. Der Mönch hat sich selbst angezündet, als Protest gegen die Unterdrückung von Buddhisten in Vietnam. War der Suizid von Andreas Baader aufgrund einer psychologischen Erkrankung, oder weil es das geringere Übel für ihn war? Und was heißt das für uns als Gesellschaft, wenn Suizid eben nicht immer auf eine Krankheit, sondern in manchen Fällen auf eine bewusste und begründete Entscheidung zurückzuführen ist?

    Dieses YouTube-Video erläutert das noch etwas besser und zeigt auch einige Folgen für unser Verständnis von Suizid auf (es geht durchaus sehr explizit um selbstverletztendes Verhalten und Suizidversuche des Erzählers): https://www.youtube.com/watch?v=eQNw2FBdpyE&t=1805s

  6. Ich habe mit 13 Jahren ernsthaft mit dem Gedanken gespielt mir das Leben zu nehmen. Vor 7 Jahren habe ich die Zeit damals therapeutisch aufgearbeitet. Ich habe Kontakt zu einer Menge Menschen, die versucht haben sich umzubringen.

    Die meisten Suizidversuche sind ein Hilfeschrei. Von daher sollte man niemanden bei einem Suizid unterstützten. Ganz im Gegenteil braucht dieser Person ganz andere Hilfe.

    Viele wollen sich umbringen, weil sie aus einer für sie unterträglichen Situation nicht raus kommen. Das können verschiedene Situationen sein. Bei Männern spielt auch häufig noch rein, dass man ja ein starker Mann sein muss und das man sich keine Hilfe sucht, in dem man beispielsweise über seine Probleme redet. Gerade Männer fressen eher die Probleme in sich rein und begehen dann Suizid.

    Bei einem Drogenjunkie sind die Probleme noch größer. Zu einer psychischen Störung oder eine psychischen Krankheit kommt noch die Suchterkrankung.

    Davon mal abgesehen befindet sich oben genannter Protagonist bestenfalls in einer rechtlichen Grauzone, wenn er sich nicht sogar strafbar macht. Mord ist es nicht, unterlassene Hilfeleistung könnte aber unter Umständen zutreffen. Bin kein Jurist.

    Und nur mal so am Rande: Trauer ist kein Grund sich zu suizidieren. Eigentlich fallen mir nur schwere chronische Erkrankungen als plausibler Grund für einen Suizid ein. Trauer kann einen echt hart erwischen. Aber auch dafür gibt es professionelle Hilfe!

    • Das Problem dabei ist nur das die Professionelle Hilfe in DE Total überlaufen ist, mit wartezeiten von 12 monaten oder mehr! Und stationär… na ja. War mal nach einem sehr Knappen „Versuch“ 3 Tage in der Geschlossenen. 5 Leute in einem 2 Personen Zimmer, einige mussten auf den Gängen schlafen, nur 2 Pfleger die überfordert und gleichgültig waren. Und von der viel gepriesenen „Menschenwürde“ fang ich gar nicht an… Auch wenns nich richtig ist, niemand der nicht selbst in der Lage ist/war sollte solche Helfer Mörder nennen. Jeder sollte über sein Leben selbst bestimmen können. Auch über das ende von diesem…. (Ist nur meine Meinung)

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